Das war noch Wahlpropaganda. Keine Frage, sowas geht heut gar nicht mehr. Wer soll das denn alles lesen? Aber schon damals hatten die Sozen die Technik des gewieften Absicherns mit im Agitprop-Gepäck: Die Rede ist auschließlich von Vergangenheit und Gegenwart. Ergo, wer SPD wählt, wählt die Überraschung. Soll mal keiner sagen, er hätte es nicht wissen können.Wer erinnert sich nicht gern an die gute, alte SPD?! Was hat sie uns im Laufe der Jahre nicht alles an Erinnerungen geschenkt! Bluthunde, Demokratiewagen und Zwangsvereinigungen – all das harmonisch abgestimmt mit der reizenden Dreifaltigkeit von Reformismus, Revisionismus und Regierungsversuchen. Man muss die possierliche Karikatur einer ehemaligen Arbeiterpartei einfach liebhaben. Daher betrachte ich die gegenwärtige Plakate der sozialdemokratischen Europawahlkampagne mit einem lachenden und einem vor Lachen schreienden Auge. Was hat sich unsere bezaubernde Splitterpartei da nur wieder gedacht?! Kein Konzept, keine fähigen Köpfe, keine Ahnung – kein Problem. Machen wir doch einfach Mal einen auf vergleichende Werbung. Das ist cool, das ist modern. Machen die Bulettenbräter und Colatypen schon seit Jahren und schaut euch an, was die für Erfolg haben. So oder so ähnlich muss es aus einem frisch herangekarrten Imagepolierer herausgedingst haben. Also wird der Plattitüdenschmalztopf schnell abgestaubt und es kann losgehen. Das Resultat kann sich zwar nicht sehen lassen, gegenwärtig muss es auf deutschen Straßen zwangsweise besichtigt werden. So werden wir im besten Sesamstraßenstil davor gewarnt, dass wenn diese Wahlrecht hätten, Finanzhaie, Dumpinglöhne und heiße Luft flugs in die Wahlkabine schwimmen, purzeln sowie wehen würden um dort ihr Kreuz für die verabscheuungswürdige Konkurrenz der SPD zu machen. Alles klar. Wir wollen uns jetzt gar nicht lang bei den reichlich bizarr anmutenden, deduktiven Schlüssen der konkreten Feindbilder aufhalten. Ein Wahlkampf lebt von pauschalisierenden und verkürzten Zuweisungen. Aber ist es wirklich alles was euch mittlerweile von der CDU noch trennt? Dumpinglöhne? Das ist euer größtes Problem in der Beziehung? Gut zu wissen.Was aber nun irritiert, ist weniger die Tatsache, dass es natürlich keine lustige Cartoonpropaganda dazu gibt, wer denn nun SPD wählen würde. Denn, wenn man das wüsste, wäre man ja nicht dazu gezwungen so eine infantile Bilderserie rauszugeben. Nein, es fehlt der sozialdemokratische Verpackungshinweis zur grünen Gefahr. Wie sollen wir das verstehen? Schlichte Vergesslichkeit oder wollt ihr euch die alte Liebste nicht verprellen? Oder, o Graus, konnten keine Differenzen ausgemacht werden? Dürfen wir also beruhigt grün wählen und reißen Europa damit nicht ins Unglück, sondern entscheiden uns damit nur für euer anlehnungsbedürftiges Farmteam? Sollte dem nicht so sein, keine Sorge. Ich hab mir da ein paar Gedanken gemacht. Dabei fiel mir auf, dass das gar nicht so einfach ist. „Frühere SPD-Wähler, die aber aus verschiedenen Gründen dann doch lieber die Grünen wählen“ ist nicht nur definitiv zu lang sondern geht auch direkt am knackigen Stil der Kampagne vorbei. Finanzhaimäßige Klischees für die Klientel der Grünen wie „Körnerfresser, Hippies, Spinner“ sind, nicht nur längst abgelaufen, sondern eventuell auch dir ein wenig zu platt. Daher mein Vorschlag: „Das Geringere Übel würde Grüne wählen“. Schön garniert mit einem zottigen, lustlosen, natürlich grünem Troll. Das ist frech, keck und mindestens so treffend wie all die anderen Vergleiche, die du dir da abgerungen hast. Nichts zu danken.Photo: dhm, spd und der hochgeschätzte spielebeobachter, der, wie man sieht, weit mehr als nur Spiele beobachten kann.