Es sollte mittlerweile jedem aufgefallen sein, dass im Lande demnächst wohl so etwas wie eine Wahl ansteht. Wir gestählte Parlamentarismusexperten folgern dies aufgrund all der bunten Plakate an Straßen und Häusern. Hier präsentieren sich die üblichen Verdächtigen mit all ihren rhetorischen Fähigkeiten und ästhetischen Möglichkeiten. Zum Teil ist es wohl müßig über Inhalt und Aussagekraft so mancher Parole zu resüssieren, doch in manchen Fällen lohnt sich ein intensiveres Nachdenken. Der Ködersatz der FDP ließ mich zum Beispiel gedanklich stolpern. „Leistung muss sich lohnen“ souflierte mir da ein schnarchsackdynamisches Dutzendgesicht vom Laternenpfahl herunter. Das kam mir bekannt vor und ließ mich einmal mehr über die Grenzen der Einfallslosigkeit sinnieren. Und sicherlich, „Leistung“ und „lohnen“ waren in den Zeitläuften erbrobte Begriffe des freidemokratischen Wahlkampfvokabulars. („Leistung wählen“, 1976; „Zukunft durch Leistung“, 1987; „Liberale wählen lohnt sich“, 1989; „Aufschwung sichern. Leistung wählen“, 1994) Ohne Scham präsentieren diese nämlich mitten im Internet all ihre abgelaufenen Parolen, doch mein Gedächtnis schien mich betrogen zu haben, ein exaktes Duplikat dieses Spruches taucht hier nicht auf. Aber wer weiß, vielleicht bereinigt man diese Seite ja auch den Umständen entsprechend.Doch meine Gedanken waren zuvor ein Stück weiter gewandert. Ich hatte den Spruch nämlich als „Leistung muss sich WIEDER lohnen“ im Kopf. Da dieses „wieder“ augenscheinlich fehlte, grübelte ich dahingehend vor mich hin, ob uns die FDP damit durch die liberale Blume sagen will, dass sich genaugenommen Leistung bis jetzt noch nie gelohnt hat. Das wäre eine gewagte, ja nachgerade subversive These. Kaum zu Ende gedacht, erblickte ich Westerwelle im Pöbel badend und darunter die höhnische Losung „Ihre Arbeit muss sich wieder lohnen“.Nun war ich gänzlich irritiert. Arbeit hatte sich also im Gegensatz zu Leistung, nach Aussage der Freidemokraten, irgendwann mal gelohnt. Sonderbar. Sehr merkwürdig. Was ist denn eigentlich genau der Unterschied zwischen Arbeit und Leistung im gesellschaftlichen Sinne?
Während man unter Leistung kurzgesagt das Ergebnis einer zielgerichteten Anstrengung pro Zeiteinheit bei bestimmter Arbeitsqualität versteht, ist Arbeit grob betrachtet, bezahlte Erwerbstätigkeit wie auch unbezahlte Reproduktionsarbeit. Aha! Durch diese, zugegebenerweise etwas holprige Analyse käme ein wenig mehr Klarheit in die kryptischen Äußerungen der FDP. Das sinnerfüllte Schaffen der Menschen soll zwar einerseits erstmals gebührend belohnt werden, andererseits soll aber auch das ausbeuterische Schindern „wieder“ lohnenswert auferstehen. So gesehen, keine wirkliche Sensation, aber überraschend, dass sie es den Menschen so unverblümt ins Gesicht schreien. Da sage später noch einer, er hätte von nichts gewusst!