Was liegt näher als nach den exotischen Reisezielen der jüngeren Vergangenheit, die Reisesaison des neuen Jahrs mit solch einem erdigen Durchschnittsgaranten wie Magdeburg zu eröffnen? Im Zuge der Bezirksstadtexpeditionen durften wir nun schon die unterschiedlichsten Charaktere von Urbanität entdecken. Ob nun der graumäusige Charme Geras, die entrückte Bergwelt Suhls, die gelassene Nichtigkeit Frankfurts oder die karge Emotionalität Rostocks – unsere Operationen an den zahlreichen offenen Herzen der Peripherie offenbarten die unterschiedlichsten Töne auf der Klaviatur von Siedlungsbemühungen. Doch nun war Magdeburg an der Reihe.
Was Gera an Unscheinbarkeit ausstrahlt und Neubrandenburg an Provinzialität feilbietet, scheint die ehemals ruhmreiche Bördeperle mit konturloser Durchschnittigkeit kontern zu wollen. Dementsprechend unvoreingenommen fuhr das reizüberflutungserprobte Peripherikerteam an einem lichten Januarvormittag zum europäisch-asiatischen Grenzfluss (Adenauer) um der ehemaligen Bezirksstadt und heutigen Landeshauptstadt einen Besuch abzustatten.
Erstes Klischee welches schon nach kurzer Zeit zertrümmert wurde ist jenes des „Landes der Frühaufsteher“. Mit dieser Titulierung versuchte das identitätslose Mischgewebe namens Sachsen-Anhalt zumindest auf der Mitleidsschiene sich irgendwie in das Passivwissen der Republik zu hacken. Doch ein Blick auf die Magistralen Magdeburgs zum High Noon sprach Bände: Gähnende Leere kreischte uns entgegen. Erst eine Stunde später als der verkaufsoffene Sonntag den lustlosen Verbraucher herauskitzelte, füllten sich die Fußgängerzonen und ein überraschend quirliges Treiben entstand.
Dies lag zum großen Teil auch an dem ersten Event des Jahres: „Magdeburg on Ice“ , welches mit dem spektakulären Superlativ „das größte Eis-Festival Sachsen-Anhalts“ antrat, hielt die Stadt fest im amüsiervergnügten Würgegriff. So wurden wir mehr oder minder schreckenstarre Zeugen von „Magdeburgs größten Morning-Workout unter freien Himmel“ mit Detlef Soost sowie dem leibhaftigen Bernhard Brink. Manchmal fordern diese Expeditionen an die Peripherie von einem einiges an emotionaler Stabilität ab.
Da half zum Ausgleich nur ein entspannter Spaziergang an Magdeburgs edler Elbpromenade, ein Bummel durch die Altstadt und natürlich das unumstrittene Zentrum der Straße der RomanTik – der Dom. Nachdem dies alles mit gebührender Anerkennung und ausreichender Ablichtung absolviert war, sollte all dies wie immer mit den kulinarischen Spezialitäten des Bezirks gekrönt werden. Doch, o weh, der Minuspunktregen platterte heftigst – in Magdeburg schließt das Brauhaus sonntags 16 Uhr, 15 Uhr Küchenschluss. So waren wir gezwungen in der schlecht gelauntesten Kaschemme des noch jungen Jahres fränkisch zu speisen. Schande über das Innenleben deiner Häuser, Friede den Außenfreuden des fröhlichen Durchschnitts sachsen-anhaltinischer Provinienz.
This entry was posted in 2018, Texte, Viva Peripheria