Wenn die anstehende Bundespräsidentenwahl in etwa mit einer Wahl zum FIFA-Präsidenten verglichen werden kann, so handelt es sich bei der kommenden Europawahl, um bei Fußballtermini zu bleiben, wohl am ehesten um den, vom Kaiser einst als „Pokal der Verlierer“ bezeichneten Wettbewerb. Traditionell werden für diesen kontinentalen Auswahlkampf nur die possierlichsten Witzfiguren und verwirrtesten Abstellgleisgeister bereitgestellt. So auch dieses Jahr. Die Propagandabepflasterung der Straßen und Häuser Berlins hält sich bislang noch recht in Grenzen und ist zudem ausgesprochen unterschiedlich ausgeprägt. Während ein wochenendlicher Ausflug in den Prenzlauer Berg einzig die Tierschutzpartei in den Vordergrund drängte, und es im Friedrichshain noch völlig unparteiisch zugeht, ist der Wedding schon heillos zugepappt. Dies mag unter Umständen auch daran liegen, dass der Spitenkandidat unserer wertkonservativen Freunde aus keinem anderen Bezirk als Mitte kommt. Und Mitte ist ja nun auch Wedding, dank der unlängst erfolgten Bezirksdeformation. Schauen wir uns also diesen auserlesenen Pappkameraden mal ein wenig genauer an?! Die geschätzte CDU schickt mit Joachim Zeller einen grimmig schauenden Vollbart ins Rennen. Als bürgerlichen Beruf gibt dieser gleich zwei vertrauenserweckende Sachen an: Mit ihm könnten wir nicht nur einen „Dipl.-Sprachmittler“ nach Straßburg schicken, nein der gute Mann ist auch noch gelernter „Bezirksstadtrat“. Ob wir auf einen soclhen in unserer mustergültig geführten Stadt wohl verzichten können? Fragen, die einen nachts den Schlaf rauben können. Doch Zeller steht fraglos nicht unverdient an der Spitze der christdemokratischen Sekundärelite. In einem prasselnden Kompetenzgewitter setzte er sich souverän gegen keinen Geringeren als Friedbert Pflüger durch. Wann hat das letzte Mal ein Vollbart eine Kinnschnecke derart deklassierend im Regen stehen lassen? Nein, dieser zottelige, kleine Mann des kleinen Mannes steht zurecht an seinem Platz. Allein der gewitzte Slogan: „Joachim Zeller. Die Mitte. CDU“! Da muss man erstmal drauf kommen. So subtil wie eingängig. Mitte, da wo der auch herkommt (resp. kandidiert) und Mitte, s. Bürgerliche M., ergo CDU – der Kreis schließt sich auf gar wundersame Weise. Middle-Joe steht nicht für einen festgefahrenen Typ. Es ist ihm ein Leichtes auch mal außerhalb der Mitte den Mund aufzumachen, und sei es, wie in diesem Fall, am äußersten rechten Rand.Und natürlich bietet so eine kunterbunte Chancentodwahl auch wieder eine reichhaltige Kollektion an Doppelnamen für vorne wie hinten. Die prominenteren Splitterparteien, die es in anderen Wahlen zumeist irgendwie über die 5% geschafft haben, geben sich hier ungewohnt gewöhnlich. Selbst die FDP kleckert mit nur einem Doppelnamen auf der Liste kleinmütig alten Zeiten hinterher. Es sind dagegen zwei, selbst mir dem Freund des Absurdpolitischem, gänzlich unbekannte Listen, die in dieser ehrbaren Disziplin der Wählermanipulation glorreich punkten. Zum einen müssen wir hier AUF (Wenn AUF ja an sich ein Superkürzel ist, so sollten die Imagestrategen der Partei über die Länge der Kürzelerläuterung vielleicht noch ein wenig brainstormen: „Partei für Arbeit, Umfelt und Familei, Christen in Deutschland“) erwähnen. Schlachtschiffgleiche Namen wie Roswitha Becker-Braun oder Jürgen Andreas Schulz-Lützenburger sprechen für sich. Ganz weit die Nase vorn hat aber ohne jeden Zweifel eine „Partei“ namens DIE Violetten, welche sich wahrscheinlich zähneknischend und die beengten Verhältnisse der physischen Welt verfluchend auf den eher knappen Erklärungszusatz „für spirituelle Politik“ begnügen musste. Da war dann aber auch Schluss mit dem Begnügen. Mit ihren Namen reichen sie mehr als machtvoll nominellen Protest gegen die bestehenden kleingeistigen Verhältnisse in unseren Land und darüber hinaus ein: Irmela Scheidle-Horkel, Thoams Crecellus-Lamboy und Monika Schramm-Sallman – Namen wie aus einer anderen Welt! Soviel berauschende Befruchtung eines grauen Wahlzettels hat es verdient honoriert zu werden. Also lassen wir uns kurz auf deren Klimperwerbespot ein und gönnen uns die Vorstellung eines Wahlsiegs dieser liebenswerten Spinner:
Was noch zu fragen erlaubt sein muss: Steht Prof. Dr. Nina Hager, die Letzte auf der DKP-Liste, in irgendeinem verwandschaftlichen Verhältnis zu unserem Tapetenkünstler Kurt? Photo: joachimzeller.de