Es gibt die unterschiedlichsten Verfahren, um mit auserlesenen Bücher in Kontakt kommen. Der Klassiker in dieser Hinsicht ist wohl nach wie vor der gute Freund (resp. die gute Freundin), welche gern liest und evtl. gar eine verwandte Seele in Sachen Buchgeschmack ist. Daneben gibt es noch jede Menge andere Möglichkeiten der Inspiration. Ob dies ein Interview mit dem Lieblingsautor über dessen literarische Vorbilder, ein ausgedehnter Aufenthalt in einem prall gefüllten Buchladen oder ganz primitiv der amazon-Querverweis ist. Manchmal führt auch ein Kinofilm zurück zum geschriebenen Wort, kurz – die Wege zum Buchgenuss sind unergründlich. Doch der verschlungene Pfad der mich Verblendung von Stieg Larsson führte, gehört zweifellos zu den eher unüblicheren Methoden der Buchentdeckung. Friedlich und unverfänglich lag es auf einer Bank des Görlitzer Hauptbahnhofs und schniefte mich zutraulich an. Zärtlich nahm ich es in die Hand und streichelte mit den Augen über sein, auf den ersten Blick, ansprechendes Cover. Ich kraulte mit meinen verwöhnten Geschmacksnerven den Klappentext und entschied mich, obwohl mich dieser nicht sofort überzeugte, dem unerwarteten Buchstreuner mitzunehmen. Und ich sollte alles andere als enttäuscht werden…
Ja, es ist mal wieder ein Krimi (langsam komm ich wirklich ins Zweifeln ob meiner selbst aufgestellten Genreprioritäten) und ich versuche mich jetzt auch gar nicht rauszuwinden, indem ich behaupten würde, dass es in irgendeiner Weise mehr als das wäre. Nein, es ist ein solider, in mehreren Erzählsträngen gegliederter Krimi, welcher im gegenwärtigen Schweden spielt. Und doch ist es in meinen Augen das Beste was seit Pippi Langstrumpf aus Schweden gekommen ist (Gripsholm verbuchen wir mal galant unter „von Schweden inspiriert“). Dabei ist der Autor selbst im Genre auch eher ein Quereinsteiger. Er galt lange Zeit als einer der weltweit führenden Experten für anti-demokratische, rechtsextreme und neonazistische Bewegungen und arbeitete in diesem Zusammenhang u.a. für das Searchlight Magazine und Expo.
Möglicherweise ist es also dieser Hintergund, der seinen Romanen die spezielle Note verleiht. Doch auch das perfekte Timing seiner Spannungsbögen, die überzeugenden und authentischen Charaktere und letztlich die Thematik, welche die Verstrickungen von Journalisten in die Spinnennetze von Wirtschaftskriminalität, politischem Extremismus, sexuellen Perversionen beschreibt, dies alles schafft eine Stimmung, der man sich so schnell nicht entziehen kann. Zur Zeit hänge ich schon im letzten Drittel des zweiten Bandes und nutze fast jede freie Minute zur Lektüre. Ein wahrer Glücksgriff also und dies wurde auch Zeit. Schließlich hatte das Bücherjahr 2009 so vielversprechend begonnen (siehe meine Empfehlungen rechterhand) doch bis hierhin musste ich dann doch reichlich Durchschnitt ertragen. Nun habe ich endlich mal wieder ein Buch, mit dem ich lesenderweise die U-Bahn verlasse.Als Kritik sei nur Folgendes angemerkt, dass der Genuss von Kaffee seiner handelnden Personen in meinen Augen das übliche Maß dann doch bei weitem übersteigt. Ich verstehe mich selbst als exzessiven Kaffeetrinker und bin daher diesbezüglich sehr offen, doch die hier beschriebene Häufigkeit und Beliebigkeit mit der dem „dampfenden Gold“ zugesprochen wird, irritierte mich dann doch. Dies mag ein running gag sein, der sich mir nicht erschließt und mir auch relativ schnuppe ist, denn es gibt wahrlich schlimmere Redundanzen. Eine andere Sache ist die des verkappten „product placements“. Dies ist bei Romanen, welche in der Gegenwart spielen immer so eine Sache. Einerseits gehört es zur stimmigen Illustration wenn Markennamen und auch einzelne Produkttypen namentlich erwähnt werden. Es macht schließlich einen Unterschied und sagt auch durchaus etwas aus, wenn die handelnde Perso zum Mac greift anstatt zum PC. Ich finde es auch in Ordnung, wenn die erschöpfte Heldin nach überstandenen Entbehrungen einen dünnen Kaffee (was sonst?!) bei McDonald’s zu sich nimmt und nicht in einer namenlosen Imbisskette. Wenn aber die soziopathische Protagonistin ihr Leben neu aufbauen will, sich eine Wohnung kauft und dies dann mit neu erwachter Lebenslust einrichtet, dann ist es schon ein wenig despektierlich wenn man sie die komplette Einrichtungsliste samt Produknamen bei IKEA einkaufen lässt. Fazit: Nichtsdestotrotz: Absolute Leseempfehlung!