Da ich ja nun offensichtlich den ersten Schritt für ein richtig erfolgreiches Blog, nämlich sich eine Nische zu suchen und die bestmöglichst auszuschlachten, lässig-arrogant außer Acht gelassen habe, kann es auch nicht weiter schaden, die Spreuweite, der hier angebotenen Themen noch ein wenig auszudehnen. Was spricht dagegen euch Vielbeschäftigten oder andersweitig Abgelenkten die Last des Selberlesens abzunehmen und von meinen aktuellen Erlebnissen zwischen den Bücherrücken dieser Welt zu berichten. Also quasi die etwas ausführlichere Version der kommerziell angehauchten Version linkerhand.Beginnen wir die Runde mit Die Valis-Trilogie: Valis / Die göttliche Invasion / Die Wiedergeburt des Timothy Archer von Philip K. Dick. Das Außergewöhnlichste an diesem Buch ist wahrscheinlich seine Auswahl. Dass die Fernsehserie LOST bei Teilen des engsten Sympathisantenkreises dieses Blogs mittlerweile nahezu kultisch verehrt wird dürfte nicht erst seit der Namenstaufe unseres größten Welpen bekannt sein. Daher sollte es auch nicht weiter wundern, dass man in selbiger Serie vorkommende Literatur mit Neugier gegenübersteht und wenn die Zeit zwischen den Folgen zu lang aktiv wird und liest. Die Auswahl an möglicher Lektüre ist in diesem Falle selbstredend gigantisch. Das Verhalten, sich von verehrten Medien andere Medien empfehlen zu lassen, ist in der Tat nicht besonders und jeder, der gern liest kennt den Fall, dass er sich durch Filme, Musik oder Bücher zu weiteren Büchern überreden lässt. Doch das Spezielle an diesem Buch war für mich, dass ich tatsächlich einige Male als ich es las nicht nur darüber nachdachte, wie die hier geschilderten Phänomene Inspiration auf die Serie ausgeübt hatten. Nein, ich ertappte mich mehr als einmal dabei, was Ben, die fiktive Gestalt aus LOST, welche das Buch zum nochmaligen Lesen erhält, beim Lesen des Buches wohl gedacht hat. Dies sagt wohl einiges über die beeindruckende Gestaltungskraft der Serie aus oder zumindest über meinen fortschreitenden Realitätsverlust. Ben zwei Folgen später beim nochmaligen Lesen von VALIS. Was mag dabei in seinem Kopf vorgehen?
Doch nun zum Buch. Zunächst einmal: Es ist einer dieser ehrfurchtgebietenden Wälzer bei dessem Anblick wohl die meisten eher flüchtend reagieren. Die vorliegenden 914 Seiten sind dabei „nur“ die zusammengedampfte Version eines 8000 Seiten umfassenden Tagebuchs, in dem Dick seine persönliche Offenbarung Gottes verarbeitet. Offenbarung? Gott? Dies sind eigentlich Schlagworte, bei denen ich ein Buch respektvoll wieder ins Kaufregal stelle. Auch der Autor selbst schien diese Befürchtung zu haben. Dem Nachwort können wir entnehmen, dass Dick kurz vor der Veröffentlichung 1981 meinte er: „Die Reaktion wird sein: Er ist irre. Hat Drogen genommen, Gott gesehen. O Mann.“ Diese gewisse selbstironische Reflexe verratende Analyse ließ mich dann alle verbliebenen Hemmungen überwinden, da ich einerseits Philip K. Dick ansonsten ganz gern las und andererseits man der Religion als solcher ja einen gewissen Science-Fiction-Charakter auch wieder nicht absprechen kann.
Derart vorbereitet stürzte ich mich also ins Lesevergnügen und prallte mit voller Wucht in das wohl Verrückteste seit der Illuminaten-Trilogie. Bei VALIS, was die Abkürzung für Voluminöses Aktives Lebendes Intelligenz System“ ist, handelt es sich grob gesagt um ein künstlichen Satellitensystem, welches im Wesentlichen dazu da ist, uns ein Universum vorzutäuschen, welches in dieser Form nicht existiert. Hauptziel dieses, in der modernen Science-Fiction, äußerst populären Themas, besteht nun darin, herauszufinden wie die Realität eigentlich aussieht, ob man sie überhaupt erreichen kann, bzw. ob es eine solche denn auch gibt. Dies mag nun auf den ersten Blick so religiös nicht klingen, doch die handelnden Akteure finden zu dieser Erkenntnis durch komplizierte Diskussionen und Streitgespräche, in denen es meistens um Spiritualität und Religionen geht. Hierbei hält sich Dick nicht allein beim Christentum auf, Taoismus, Gnostizismus, ja selbst Psychoanalyse sind zentrale Wissenspeicher, die die Basis für dieses Buch stellen. Das Ganze wird dann noch mit reichlich Psychopharmaka und Drogen angereichert, die sämtliche handelnden Personen in der einen oder anderen Form zu sich nehmen – und fertig ist das Abschlusswerk eines der größten Science-Fiction-Genies des 20. Jahrhunderts.
Was hat das alles nun mit LOST zu tun, mag der, bis hierher gekommene, erschöpfte Leser wissen wollen. Die wesentlichste Parallele sehe ich hier in dem Phänomen der Zeitreisen. In VALIS und LOST wird gleichermaßen die Möglichkeit beschrieben, dass das Bewusstsein des Menschen durch die Zeit zu reisen kann, ohne den zugehörigen Körper physisch zu verlassen. In VALIS wird dies so erklärt, dass alle Menschen mit einer Veränderung (welche sie von ihren Vorfahren ererbt hätten) in ihrer DNA geboren werden, die es ihnen ermöglicht Informationen aus ihrem vergangenen UND zukünftigen Bewusstsein zu erlangen. Desweiteren sehe ich in der Aufstellung der verschiedenen Welten: vorgetäuschte Realität eines „bösen“ Schöpfergottes, Realität des „guten“, aber vertriebenen Gottes und das „geheime Königreich“ der Thora eine verschrobene und, für meinen Geschmack zu religiöse Auflösung des gesamten Lost-Universums. (Dies käme auf Umwegen auch meiner These entgegen, die behauptet, dass alle LOST-Charaktere in Wirklichkeit tot sind!)
Fazit: Aufgrund von Länge und Komplexität nur bedingt als Leseempfehlung zu handeln. Doch für Liebhaber von sich selbsttragenden und hemmungslos refferenzierenden Gedankenmodellen ein reizender Ausflug in die Welt der Spiritualität, welcher sich selbst nicht immer Ernst nimmt.