Jeder Besuch in der ehemaligen Heimat Dresden ist stets von der lockenden Versuchung des Böhmischen begleitet. Und so konnte ich auch dieses Mal der Versuchung nicht widerstehen, den Tschechen meine Aufwartung zu machen. „Lass uns doch zu den Tschechen wandern!“ – wie oft erklang dieser sehnsuchtsvolle Ausruf in meiner Jugend und wie oft gab ich ihm nach. „Zu den Tschechen…“, jene landestypische Formulierung, die mir die zerwürfnispotente Debatte nördlich gelegener Gebiete, ob man nun Tschechien, Tschechische Republik oder Tschechei zu sagen hatte, ersparte, war die Ouvertüre meiner ersten Liebe. Landschaft, Sprache, Kultur und Selbstverständnis dieser Nachkommen von Schwejk und dem kleinen Maulwurf waren mir nah und schenkten mir soviel Wonne wie Entspannung. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Aus den unterschiedlichsten Gründen weitete sich mein Blick und nach einer gewissen Entfremdung und Weiterentwicklung von uns beiden entdeckte ich schließlich die große Schwester im Norden und verliebte mich neu. Die Beziehung zu den Tschechen gestaltete sich dabei ohne Bitterkeit und Galle völlig neu – wir wurden Freunde. Ich kann ohne Arg auf eine schöne Zeit zurückblicken und auch eine gelegentlicher Besuch ohne Herzblut und Vorwürfe ist mittlerweile drin. Und dennoch, wenn sie dann auftischt mit ihrem Gedeck von Gulasch und Bier, jenem allseits beliebten Klassiker, welcher allein durch seine schlichte Normalität brilliert, dann werde ich immer noch ganz melancholisch. Díky za všechno, milí Češi!
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