Beim unablässigen Kibitzen auf die Bücher der anderen entdeckte ich vor kurzem einen dicken Historienschmöker, der verheißungsvoll klang. 17. Jahrhundert, Verschwörungen und Verwicklungen – noch dazu war das Ganze auf einen fulminanten Siebenteiler ausgelegt. Aber, ach o weh, der daran Lesende war so gar nicht zufrieden. Zu zäh im Aufbau, zu detailliert in der Beschreibung von Einzelheiten – einfach schwere Kost. Das klang nicht gut. Dennoch wagte ich einen Selbstversuch, ließ mir den ersten Band zum Geburtstag spendieren und los ging die Reise. Wie ich ja schon bei der letzten Besprechung erwähnte, ist der herausragende, historische Roman eine äußerst seltene Perle. Werke wie die von Eco oder Sapkowski stehen allein in weiter Flur. Und das sind dann auch meist Romane die allenfalls im Mittelalter oder in der Frühen Neuzeit spielen. Gute, historische Romane, welche sich an die Neuzeit heranwagen, sind zu selten als das sie hier aufgezählt werden können. Imprimatur dagegen ist eine Klasse für sich. Der vom Verlag angebrachte Vergleich mit dem „Namen der Rose“ hinkt in mindestens einem Punkt, denn dies hier ist keinesfalls massenkompatible Lektüre. Es handelt sich vielmehr um eine Arbeit von der Qualität, bei der die Fiktionalität händeringend im Clinch mit der historischen Faktizität und Bedeutungsschwere der im Buch erhobenen Tatsachen steht. Was jeder Roman dieses Genres mehr oder weniger versucht, eine möglichst überzeugende „Was-wäre-wenn-Spannung“ aufzubauen, gelingt diesem Roman nicht nur, es schießt sogar weit über das Ziel eines historischen Romans hinaus. Es wird zum Politikum in der realen Welt!Schließlich ist eine der wesentlichen Aussagen des Buchs, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Papst Innozenz XI. und Wilhelm III., auch bekannt als Wilhelm von Oranien, gegeben habe. Das mag jetzt auf den ersten Blick nicht sonderlich beeindrucken. Wenn man aber bedenkt, dass der Vertreter Christi auf Erden einen Ketzer im Kampf gegen den Katholiken Ludwig XIV. sowie den ebenfalls katholischen, englischen König Jakob II. unterstützt hat, gewinnt das Ganze schon mehr an Schärfe. Solang es nun ein handelsüblicher, historischer Roman geblieben wäre, hätte alles halbsowild enden können. Schließlich erscheinen diesbezüglich jährlich hunderte von Romanen, die mit den wildesten Gerüchten und Theorien spielen. Dieser Roman leistet sich aber in seinen umfassenden Anmerkungen (80 dünn beschriebene Seiten!) eine quellensichere Absicherung, die viel von dem zuvor Dargestellten bestätigen. Mit reichlich Dokumenten belegt wird hier nichts Geringeres gefordert, als „ein Kapitel der europäischen Geschichte umzuschreiben“. Neben der, eines Papstes (jedenfalls einem, der heilig gesprochen werden soll!) dann doch eher unwürdigen materiellen Gier, wird auch auf dessen Umgang mit Sklaven, bzw. überhaupt der Besitz dergleichen eingegangen. Und so kam es tatsächlich dazu, dass die Veröffentlichung des ersten Buches maßgeblich dazu führte, dass der Prozess der geplanten Heiligsprechung von Innozenz. XI. abgebrochen wurde.Beide Autoren bekamen daraufhin die Abneigung der katholischen Kirche und weiter Teile der der italienischen Bevölkerung zu spüren. Es gilt als gesichert, dass trotz eines vierten Platzes in der italienischen Bestsellerliste IMPRIMATUR nach der 1. Auflage aufgrund des Wirkens der katholischen Kirche nicht erneut aufgelegt wurde. Die Autoren gingen darauf schmollend ins Exil nach Wien und achten von dort aus peinlich darauf, dass der Italienbokott eingehalten wird und Bücher von ihnen nur über das Internet oder in italienischen Buchläden außerhalb Italiens erworben werden können.Fazit: Das mag jetzt mit Sicherheit dem einen oder anderen alles sehr kleinlich vorkommen und die Frage, ob es ein Buch für ihn ist auch nicht wirklich beantworten. Doch ich kann dieses Buch, und höchstwahrscheinlich auch alle nachfolgenden sechs Bände, jedem empfehlen, der bereit ist, für seine Leidenschaft für Geschichte im Zweifelsfall auch ein wenig Mühseligkeit und hornhautproduzierende Lesestunden in Kauf zu nehmen. Alle anderen bitte ich dringend darum, Abstand von einer eventuell geplanten Lektüre zu nehmen.