Kurz bevor unser geliebtes Heimatland in kollektive Lenasterie verfällt und ein halbherzig aufgepeppter Musikwettbewerb für Tage die Schlagzeilen dominieren wird, möchte ich mich hieran beteiligen und voller Zuversicht auf den Beitrag aus Belarus verweisen. Hier ist für alles gesorgt: Aussage, Stilbewusstsein und genau die Sorte von konturlosem Popgedöse, die zu einer solchen Veranstaltung passt. Nicht nur die Veteranen der vergangenen Belarus-Expedition sollten zudem die subtil eingebrachten Nationalsymbole goutieren. Knappes Kleid dazu die obligatorischen Stiefelchen, dabei alles nicht vordergründig aber selbstverständlich. Dazu ein paar munter hüpfende Trachtenbauern und ein paar freudige Backgroundopfer. Sehr schön. Schön auch, dass dem besagten Hit ein überaus selbstkritischer Schöpfungsprozess zu grunde liegt. Die Produktion von musikalischen Spitzenerzeugnissen folgt offenbar in Belarus ganz eigenen Gesetzen. Obwohl das Lied von seiner Melodie her unverändert blieb (was sollte man daran auch grundlegend verändern wollen?!) wurde der Titel, also die Grundaussage mit der man sich an Europa zu wenden gedachte, mehrfach verändert. Anfangs wollte man mit ""Born In Bielorussia" das Offensichtliche besingen, später mit "I Am Belarusian" die identitätswagende Folge thematisieren, doch erst mit “I love Belarus” gelang der große Wurf. Denn schließlich wird damit dem Amüsiermob eine provokative und diskussionswürdige These vorgeworfen. Mit Sicherheit wird der eine oder andere hier ins Grübeln kommen. Was findet die bezaubernde 19jährige Linguistikstudentin nur an diesem Belarus, bzw. was hat es was ich nicht habe? Was kann ich tun um so zu werden wie Belarus? Fragen über Fragen, die den diesjährigen ESC wohl gewaltig überschatten werden.