Der Griebnitzsee. Im Hintergrund Berlin. Noch ein Stück dahinter, die Humboldt-Universität. |
Und nun wage ich mich erneut in den Elfenbeinturm und es ist bislang ein entzückendes Unterfangen. Geschichte – Informatik (bzw. Computational Science); Großstadt – Vorstadt; Magister Artium – Bachelor of Science => der Kontrastpunkte gibt es etliche und werden, so sie mich dauerhaft reizen, an dieser Stelle gewissenhaft ausgewertet.
Ein konkreter Unterschied fiel mir bereits im Brückenkurs wohltuend auf (Ja, da ich mir meiner mathematischen Kenntnisse nicht wirklich sicher war, zog ich schon vor Semesterbeginn an den wunderschönen Griebnitzsee um mir in zwei Wochen zu demonstrieren, dass das Abitur lange her ist.) Die gemeinsamen Denkpausen von Dozent und Studentenschaft. Ein mir geisteswissenschaftlich geprägtem Wissensgierenden ein unbekanntes Phänomen. Das gemeinsame Grübeln in wohliger Stille, das Rätsel gleichsam umstellend, dem anderen gleichberechtigt assistierend um mit kollektiv gebündelter intellektueller Strahlkraft eine Lösung zu finden.
Was Ihnen plausibel erscheint, haben sie noch lange nicht verstanden. (Brückenkurs: Mathematik für Informatiker)
Dies stand so angenehm dem gegenüber was ich in Seminaren, Übungen und Kolloquien der Geschichtswissenschaft erleben durfte. Das nervöse Schnattern und Labern, fast wie in Sorge um möglicherweise eintretende Stille, welche Denken und Erkenntnisse ermöglichen könnte, ein sich immer wieder Im-Kreis-Drehen, offensichtliche Wiederholungen, Profilierungsneurosen und Geltungsbedarf destilliert über die augenscheinlich einzige Möglichkeit positiv aufzufallen, hervorzustechen. Auch um den Preis des Ermüdenden, schließlich machen es ja alle so. Wer weiß welche heuchlerischen Fallstricke mir in den Naturwissenschaften noch begegnen werden, derlei Animositäten wohl eher seltener.
Und überhaupt. Potsdam, Brandenburg. Ich gestehe, meine Meinung zu dieser Stadt ist noch nicht ganz ausgereift. Wir brauchen noch ein wenig Zeit füreinander denke ich. Doch was mich schon nach wenigen Lerneinheiten angetan hat, ist das ostdeutsche Selbstbewusstsein des Lehrkörpers. Ein sicherlich unfairer Vergleich zu dem was ich Mitte-Ende der 90er in den Schützengräben zwischen Ostberliner Intelligenzija-Resten und vereinnahmenden Westgarden in den elitär anmutenden Gebäuden an den Linden erleben durfte. Umso angenehmer das hier Erlebte. Überraschend bissig und ohne die gewohnten Methoden beleidigt-trotziger Jammerei oder der verschreckte, vorauseilende Zurückhaltung, die meines Erachtens die Hauptreaktionen der ostdeutschen Bildungselite auf die Invasion der Siegererklärer aus dem goldenen Westen waren, schnippt man hier zurück. Allerdings gegen ein mittlerweile gesamtdeutsches Problem, die Bildungsmisere. Ein Thema, bei dem ich mich nicht lange aufhalten will, aber ja, es ist bitter. So bitter. Natürlich kann ich bei den bitterbösen Kommentaren zum Bildungsniveau der aus den Schulen in die Hörsäle gespülten, verständnisvoll mein Zynikermundwinkel lupfen. Doch wem bringt das was? Der nächsten Generation von Bildungsexperimenten, oder denen die um mich herum sitzen und deren Lebensideal weiterhin der „lückenlose Lebenslauf“ bleiben wird. Und seht ihr, schon wieder reg ich mich auf, wenn ich über Bildung in unserem Land rede. Dann ist es doch ganz ausverzüglich, dass ich mich unter sie gemischt habe.