Ernährung scheint das Thema der 2010er zu sein, stündlich erscheinen Studien über Nahrungsmittel die angebliche Krebse erregen sollen, zu Dehydration führen, Allergien erzeugen oder sonstwie das Leben verkürzen. Selbstredend sind die Erkenntnisse von gestern, heute schon widerlegt und ins Gegenteil verkehrt. Das führt dann zweifelsohne zu einem Klima in dem jeder zum Thema Ernährung was zu sagen hat, aber keiner wirklich weiß worüber er redet – Missionare und Paranoiker allerorten. Dieses Buch hat mit dieser Problematik nichts gemein. Und doch lege ich es mit Freude auf jedes Ernährungsratgeberlein drauf.
Es ist vielmehr eine unterhaltsam geratene Analyse der Bedeutung von Ernährung für die soziale und politische Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Dieser überaus vernachlässigte Faktor der Menschheitsgeschichte ist es wert einmal genauer beachtet zu werden. Hier wird Geschichte als Abfolge von Veränderungen betrachtet, die durch Nahrung beeinflusst wurden. Sie „… fungierte als Katalysator des sozialen Wandels, der gesellschaftlichen Organisation, des geopolitischen Wettbewerbs, der industriellen Entwicklung, der militärischen Konflikte und der wirtschaftlichen Expansion“. Jeder dieser Punkte wird in sechs Kapiteln beleuchtet. Von der Neolithischen Revolution bis in die Gegenwart. Größtenteils bin ich mit dem Gelesenen auch einverstanden, bzw. hat es mir erheblichen Erkenntnisgewinn gebracht. Natürlich ist diese Thema auf 270 Seiten schwerlich erschöpfend darzustellen. Doch kann man dieses Buch auch nicht als wissenschaftliche Abhandlung begreifen, sondern eher als lockerer Essay.
So betrifft meine Kritik nicht die offensichtlichen Lücken, sondern vielmehr einige Schlüsse und Auslegungen, die der Autor für die Neuzeit trifft. Die Bewertung der landwirtschaftlichen Bestrebungen sozialistischer Länder, die darin münden, dass Hungersnöte per se ein Problem von Diktaturen wären und in Demokratien nicht dieses Ausmaß annehmen können, halte nicht nicht nur für gewagt sondern für schlichtweg falsch. Auch die Bedeutung von Nahrungsmitteln im Kolonialismus und die Rolle der Grünen Revolution fand ich recht unausgegoren und naiv beschrieben. Doch das sind Feinheiten, Kleinigkeiten, die das Lesevergnügen nur geringfügig schmälern und eher zur Recherche animieren als dazu zornerfüllt das Buch weg zu werfen.