Ein Buch aus der Kategorie der schwergewichtigen Anspruchsverheißungen der jüngsten Jahre. „Der Roman unserer Epoche“ prangt auf dem Buchrücken, „jeder muss es lesen“ meint Julia Zeh und „Brigitte“ hyperventiliert gar mit der Aussage, dass „man sein Smartphone leicht angewidert in die Ecke pfeffert und stattdessen mal wider mit einem Buch ins Bett geht“. Nun, ich, der ich tatsächlich noch jeden Abend mit einem Buch ins Bett gehe, möchte den Versuch unternehmen, den vollmundigen Einschätzungen meiner Vorredner noch ein paar Dinge hinzufügen und versuchen, das Buch etwas unaufgeregter einzuordnen.
Keine Frage, es handelt sich hierbei um ein recht spannend erzähltes und zweifellos eine empfindliche Stelle des Zeitgeists berührendes Werk. Die Möglichkeiten umfassender Transparenz und totaler Ausdeutung des Individuums welche die digitale Revolution mit im Handgepäck führt, ist ein allgegenwärtiges Thema und bleibt bis auf weiteres ein schwer zu kalkulierendes Wagnis für die Entwicklung der modernen Gesellschaft. Ganz im Tenor zur Diskussion des letzten Podcasts kann das hier Heranwogende gleichermaßen als Bedrohung wie als Chance wahrgenommen werden.
In diesem Spannungsbogen arbeitet sich die Geschichte ganz anschaulich ab und stößt auf zahlreiche offene Fragen, die eine Weiterentwicklung der Informationsgesellschaft zwangsläufig aufwirft. Wie weit geht das Recht auf Anonymität? Sollte jede menschliche Aktivität messbar sein? Wo liegt die Grenze zwischen Öffentlichem und Privaten? Kann massive Datensammelei nicht auch kontraproduktiv für wahres Verständnis sein? Und zwischen all dem die stets präsente Frage: Ist all dies in einem kapitalistisch, gewinnmaximierenden Rahmensystem überhaupt auch nur ansatzweise eine gute Idee? Fragen über Fragen, die hier teils ganz gut angeschnitten werden, teils recht grob durchs Dorf getrieben werden. So muten manche Szenarien des 2013 veröffentlichten Buchs oft recht putzig an und lassen sich nur mühevoll mit irgendeiner denkbaren Realität vereinen. So erschien mir der gesamte Roman wie eine Melange aus fein herausgearbeiteter Dystopie mit wenig überzeugenden Versatzstücken aus dem Effektentopf. Auch die ewige Dämonisierung der „bösen“ Internetkonzerne erscheint mir hier ein allzu plattes Mittel, welches in dieser Diskussion zwar gerne angewendet wird, die eigentliche Vielschichtigkeit des Themas aber erfolgreich verstellt.
Nichtsdestotrotz doch alles in allem ein lesbares Stück Zeitgeschichtsdestillat über das es sich Nachzudenken und zu Diskutieren lohnt. Der interessanteste Aspekt hieran erscheint mir aber eher die Sichtweise auf dieses Buch in 20-30 Jahren. Werden wir lächeln oder stöhnen?