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Seit wir irgendwo im fernen Pannonien den Danuvius überquerten, begaben wir uns für knapp zwei Jahre unter die Fittiche dieses über alle Maßen kultivierten und in der gesamten Galaxis bekannten Imperiums. Dabei kreuzten wie quer und ungestüm in alle Himmelsrichtungen, weit über 10.000 römische Meilen trotzten wir unseren stolzen Drahtrössern ab. (Nunc sunt 10.123 miliaria) Wir lernten auf diesen Reisen die unterschiedlichsten Stämme und Völkerschaften kennen, labten uns an den erlesensten Tropfen, schlemmten uns sinnesfreudig durch die köstlichsten Leckerbissen und ergötzten uns an den kolossalsten Kolosseen und anderen bemerkenswerten Steinhaufen. Nicht zuletzt erfreuten wir uns hier immer wieder an atemberaubenden Landschaften und idyllischen Naturspektakeln dieser, von einer gutherzigen Kraft gesegneten und geformten Landstriche von Patavium bis Olisipo, von Syracuse bis Baboarum. Nun ist es an der Zeit, die gewonnenen Eindrücke in abschließende Form zu gießen und einen umfassenden Vergleich zu erstellen. Einen ausführlichen und über alle Maßen kenntnisreichen Intimrapport und detaillierten Abgleich der fünf verbliebenen Römerfamilien.
Beginnen wir furchtlos mit dem eigentlichen Schwergewicht und vermuteten Filetstück des Imperiums: Bella Italia! An und für sich könnte man annehmen, dass nach eingehender Betrachtung dieses schönsten aller Stiefel, der angekündigte Vergleich glücklich seufzend abgebrochen werden könnte. Was sollte denn bitte hiernach noch kommen?
Bella Italia
Da man sich natürlich unmissverständlich und völlig zu Recht als Ursprung all dessen und noch ein wenig mehr versteht, ist das Anspruchsdenken hierzulande nicht gerade gering ausgeprägt.
Sprache: Hier scheint die Sachlage klar, denn welcher der, sich doch erheblich von einander unterscheidenden Dialekte könnte das Italienische übertrumpfen?! Diese melodiösen, lebensbejahenden Volten und Pirouetten, die über die Zunge tänzeln ohne dadurch alles unnötig zu verkomplizieren und zu verkopfen (-> Französisch). Diese luftig-leichte Anmutung von Lauten, welche scheinbar unbeabsichtigt auch der Kommunikation dienen könnte, dieses vielstimmige Gesamtkunstwerk, durch welches die Renaissance in unsere schnöde Gegenwart zu pulsieren scheint, dieses kraftvoll-leidenschaftliche Opernpathos, welches ohne Mühe noch dem trivialsten Alltagsgespräch dieses gewisse Etwas verleiht, dem man als abgestumpfter Kehllautgermane nur mit ungezügeltem Neid und Anerkennung beiwohnen kann.
Menschen: Es ist ein warmherziger, großzügiger und verspielter Menschenschlag, der die Apeninhalbinsel von den schneebedeckten Felsen der Dolomiten bis zu den zerklüfteten Küsten Siziliens bewohnt. Jeder dieser herzensguten und gastfreundlichen Menschen ist dabei von tiefsten Herzen überzeugt, dass schon im nächsten Tal oder der übernächsten Bucht ganz andere Menschen leben, denen man keinesfalls trauen könne und vor denen man sich in jedem Fall in Acht nehmen müsse. Fremde sind dagegen gern gesehen, man hat ja einiges zu bieten und anzupreisen (piazza, chiesa, mura della cittá…), natürlich stets in Tateinheit mit einer ernsten Warnung vor der Andersartigkeit jener, im nächsten Tal lebenden Menschen. Eben jene lernt man vielleicht noch am selben Abend kennen. Diese anderen Menschen und ihre piazza, chiesa sowie mura della cittá sind dabei genauso warmherzig, großzüig und verspielt. Das Schlüsselwort lautet hierbei campanilismo.
Kulinarik: Ähnlich der Einschätzung zur Sprache verhält es sich hier genauso eindeutig. Was könnte hiernach noch kommen? Natürlich ist die Beurteilung der lukullischen Genüsse ganz klar Geschmacksfrage, doch nach meinem nicht ganz unmaßgeblichen Urteil gehören die italienischen Gaumenfreuden ganz klar zu dem besten was auf dem Erdenrund gegenwärtig im Angebot ist. Ursprung dieser Exzellenz ist ganz klar, die ausgeprägte Neigung und Befähigung der hiesigen Menschen zur Verfeinerung in allen Genussdisziplinen (auch verbunden mit der Tendenz zur Abgrenzung vom Nachbarn und der damit zusammenhängenden ehrgeizigen Übertrumpfung desselbigen). Selbstverständlich wird dieser Hang zur besessenen Perfektionierung auch von der natürlichen Grundausstattung (s. Natur) unterstützt.
Natur: Unter all den gesegneten und üppig ausgestatteten Ländereien des Imperiums gehört Italien wohl zu den privilegiertesten Regionen. Die reichlich verschnörkelte Meeresküste über deren genaue Länge man sich nicht ganz sicher ist, aber zu dem paradiesischen Zustand führt, dass man nirgends in Italien weiter als 120km vom Meer entfernt ist, umrahmt ein Land, welches im Bild eines Menschen mit den Füßen in Afrika steht und sich an die Alpen klammert, um sich zur Mitte Europas hochzuziehen (Ugo La Malfa).
Kultur: Gar keine Frage, auch in dieser Disziplin steht der Italiener lässig lächelnd mit der Maßstabslatte herum und weiß in etlichen Bereichen nicht nur schlichtweg zu überzeugen sondern auch einfach, dass er der Maßstab ist. Ich muss hier nicht alles aufzählen, aber die Leistungen in der Bildenden Kunst oder der Oper sind offensichtlich. Die Leidenschaft für die Oper führte aber im 19. Jahrhundert dazu, dass sämtliche anderen kreativen Bereiche vernachlässigt wurden, so dass es beispielsweise auffällig wenige Romane (glorreiche Ausnahme und absolute Leseempfehlung: Der Gattopardo) aus dieser Zeit gibt. Italien weiß also in dieser Kategorie zweifellos zu punkten, ist aber bei weiten kein ausgeglichenes Universaltalent. Oh, nein, weiß Gott nicht!
Infrastruktur: Tja nun, hier muss erstmals auf gewisse, peinliche Missstände hingewiesen werden, die dann auch gnadenlos zu empfindlichen Punktabzügen führten. Tatsächlich macht sich der, oben erwähnte, ausgeprägte campanilismo auch hier bemerkbar und führt zu einem ein Land von Hunderten liebevoll herausgeputzter centros storicos, vernachlässigt aber alles was sich hinter den innig geliebten Stadtmauern befindet. Dieser liebenswert durchgeknallte Lokalpatriotismus geht oft in Hand in Hand mit einer zwar harmlosen, aber nicht minder wilden Abneigung anderen Städten gegenüber. Daraus resultieren beispielsweise exzellente, auf Hochglanz polierte, Radwege, welche sich exakt an der Stadtgrenze in einen bodenlosen Abgrund aus Schotter und Schutt verwandeln. Und wir sprechen hier nicht nur über Radwege.
Fazit: ⭐⭐⭐⭐🌑
La France, mon amour
Menschen: Sie sind die fleur im sel und das Fett im Rilette – ich möchte es gleich zu Beginn ohne Umschweife verkünden: Die Menschen Frankreichs sind der entscheidende Moment, der dieses Land zu etwas ganz Besonderem, ja, nennen wir das Kind beim Namen, etwas Einzigartigen macht. Und auch auf die Gefahr hin, hier eine unpopuläre Meinung zu vertreten: Was ist schon der erlesenste Leckerbissen, der edelste Tropfen, das beste Konzert und der üppigste Wald wenn all das von einem unsympathischen und nervenden Menschenschlag umrahmt wird?! Ohne kultivierte, interessante und niveauvolle Menschen ist halt sehr schnell alle nichts. Es ist vielmehr die Grundlage für vieles was sich daraus wie von ganz alleine zu fügen scheint. In Frankreich scheint es keinen Mangel an derlei Menschen zu geben. Allerorten begegneten wir hier eben nicht nur der gewohnten, selbstverständlichen Höflichkeit und jeder Menge Lächeln, nein, hier kam noch etwas Neues hinzu: Ernstgemeintes, offenes Interesse an uns und dem was wir treiben, gefolgt von einer leichten Spur Neid, bzw. einer eigenen Erzählung von vergangenen Abenteuern. Denn, so scheint es, jeder Franzose ist durchdrungen von Entdeckergeist und Freiheitswillen. Vielleicht, aber nur vielleicht könnte es daran liegen, dass man hierzulande auf eine gewisse Erfahrung zurückblicken kann wenn es darum geht, miteinander auszukommen, während man nebenher ein Höchstmaß an Freiheit für sich ergattern und zu verteidigen weiß. Natürlich immer mit Charme, versteht sich.
Kulinarik: Aus französischer Sicht natürlich eine völlig klare Angelegenheit. Und ja, der Ruf von ihrer Eminenz cuisine française ist von derart übersteigerten Ruf, dass es schon fast ins Elitäre umschlägt. Die Leidenschaft für exzellentes Essen, Getränke und all den Zauber drumherum findet sich in diesem Ausmaß tatsächlich nur noch an wenigen anderen Ecken auf der Welt. Natürlich steckt in all dem auch sehr viel ausufernde Theatralik und liebenswerte Blenderei, aber eben nicht nur. Allein das Universum an französischen Käse ist einzigartig und jedes vernunftbegabte Menschenkind, welches sich dieser Qual der Genüsse nicht aussetzen durfte, hat schlichtweg nicht gelebt.
Natur: Rein von der Grundausstattung ist le Grande Nation einfach am besten ausgestattet. Und da spreche ich noch nicht einmal von all den außereuropäischen Dependancen, die man immer so gern übersieht. Nein, ich spreche von zwei Meeren, eines nordisch-ungestüm, das andere mediterran-mild, ich denke an zerklüftete Hochgebirge, schneebedeckte Gletscherwelten, idyllische Wald- und Wiesenberge und wildromantische Fluss- und Auenlandschaften. Das alles gesprenkelt mit allerliebsten Dörfchen und zahllosen makellos ausgestatteten Picknickplätzen – die Sache mit Gott in Frankreich kommt wahrlich nicht von ungefähr.
Kultur: Auch in dieser Hinsicht trifft hier man auf ein selbstverortetes Schwergewicht und den Meister aller Klassen. Es besteht keinerlei Zweifel, dass man sich in dieser Kategorie als Nabel der Welt betrachtet und jedweden Verdacht auf eine etwaige Ebenbürtigkeit auf diesem Planeten als unfassbare Zumutung abtun würden. Und natürlich haben sie gewissermaßen ja auch wieder Recht. Nicht grundlos war und ist Paris seit Ewigkeiten die Hauptstadt der Kreativen dieses, total aus der Mode gekommenen Ausläufers des westlichen Spiralarms der Galaxis. Jedoch, hier täte vielleicht bisweilen ein ganz klein wenig Demut gut. Ähnlich wie bei der Überhöhung kulinarischer Genüsse führt auch die Vermutung kultureller Singularität schlussendlich nur zu alles verödenden Snobismus.
Infrastruktur: Hier gibt es nichts zu deuteln oder zu kritteln: Douze points pour la France! Nirgends sind die Kernkompetenzen des leider unlängst von uns gegangenen Römischen Reichs besser bewahrt und gepflegt wurden als hier im einstmals so rauen Gallien. Wie die wenigsten wissen, waren die Grundpfeiler der Pax Romana nicht die straff organisierte Armee, nicht die Straßen, auch nicht das Schulwesen, der Wein, die öffentlichen Ordnung, die Bewässerung, die Wasseraufbereitung und die allgemeinen Krankenkassen, nichts von dem war so entscheidend für die Stabilität des Imperiums wie die sanitären Einrichtungen. Und genau in dieser, die Spreu von der Zivilisation trennenden Königsdisziplin zeigt Frankreich was es drauf hat. Nirgends wo wir auf all unseren Reisen waren, trafen wir auf eine derart hohe öffentliche Toilettendichte. Wohlgemerkt, Toiletten, die stets geputzt und mit allem ausgestattet waren, was in eine Toilette gehört. Und das war nur ein Aspekt der Infrastruktur, wenn auch ein wichtiger. Frankreich weiß aber ohne jeden Zweifel in sämtlichen anderen Bereichen der Versorgung des öffentlichen Lebens die Messlatte verdammt hochzulegen. Vielleicht auch dies eine Folge der langjährigen Erfahrungswerte im Erkämpfen von Menschenrechten.
Fazit: ⭐⭐⭐⭐✨
Viva España
Menschen: Nach diesen übersprudelnden Lobhudeleien für Italiener und Franzosen mag es überraschen, aber wenn ich ganz ehrlich bin, dann muss ich gestehen, dass ich mich den Spaniern menschlich am nähesten fühle. Bei aller Verehrung von italienischer Raffinesse und französischer Kultiviertheit spüre ich wohl unbewusst, dass es meinem Naturell auf Dauer doch ein wenig widerspricht. Nicht so in Spanien! Das mag zum Teil daran liegen, dass Spanisch, meine mit Abstand stärkste romanische Sprache ist. Entscheidender ist aber wohl eher das rustikale, burschikose, ja teilweise ruppige Wesen vieler Spanier. Zusätzlich erleichtert wird die Integration noch durch das herrlich selbstlos-narzisstische Kommunikationsgebaren. Ist man erstmals Zaungast einer Gesprächsrunde von, sagen wir mal, fünf Iberern, überrascht zunächst allein deren enorme Lautstärke. Nirgends auf der Welt können so wenig Menschen so laut sein wie hier. Doch dann beobachtet man sie näher und stellt erstaunt fest, dass hier jeder redet und das erzeugt natürlich eine gewaltiges Volumen. Das Durcheinanderreden führt selbstverständlich zu einem eher geringfügig ausgeprägten Zuhören, aber da das alle so machen, nimmt es auch keiner dem anderen übel. Diese gesellschaftliche Übereinkunft gepaart mit einer unstillbaren Partygier machen den Umgang mit Spaniern für Fremde denkbar einfach. Es braucht wahrlich nicht viel um sich hier dazugehörig zu fühlen. Und sollte man keine Lust auf Party oder sich fröhlich anschreien haben, darf man gerne machen was man will, denn man ist quasi unsichtbar in diesem Land. Denn Zuschauen ist in etwa genauso öde wie Zuhören.
Kulinarik: Spanien hat der Welt so einiges an originellen Köstlichkeiten geschenkt und die spanische Küche sowie ihre Spezialitäten sind rund um den Globus ein Zeichen von Geschmack und Stil. Selbst unter den beiden Klassenbesten, Frankreich und Italien, die in dieser Hinsicht bis zur Weltverleugnung von ihren eigenen Qualitäten überzeugt sind, lassen wohl am ehesten noch die kulinarischen Highlights Iberiens als halbwegs akzeptabel gelten. Das tatsächliche Niveau ist dabei sehr hoch und gilt den versnobten Nachbarn doch zumeist nur als relativ hochwertige Hausmannskost, die man zu Partyzwecken ruhig mal probieren kann. In Wirklichkeit ist die spanische Küche zweifelsohne genauso spektakulär wie ihre weströmischen Pendants, abgesehen natürlich von dem Verbrechen an der Olive. Mit der Olive wird gegenwärtig rund ums Mittelmeer einiges an Schindluder getrieben, doch was man dahingehend in Spanien betreibt setzt allem die Krone auf. Natürlich gibt es kleine lokale, familiär betriebene Widerstandsnester, doch was die Industrie hier dieser wundervollen Pflanze angetan hat, ist einfach nur widerwärtig.
Natur: Einst, so geht die Fama, sollte ein Eichhörnchen vom Baskenland bis zum Mittelmeer hüpfen können ohne einmal den Boden berühren zu müssen. Wie so viele historische Anekdötchen klingt auch diese viel zu gut um zu stimmen. Und dennoch, es gibt viel Schatten (nicht von Bäumen) und wenig Licht in Fragen um den Zustand der spanischen Natur. Sprich, es sieht düster aus. Extensive Landwirtschaft, Flächenfraß, Raubbau an den Wäldern führen immer mehr zu Dürren, Überschwemmungen und Stürmen. Sowie ganz allgemein zu unfassbar trostlosen Perspektiven. Und damit meine ich gleichermaßen die zukünftigen Aussichten wie die tatsächlichen Rundumblicke in den öden Monokulturen der spanischen Steppe.
Kultur: Wenn die Küche der wackeren Iberer unter den prätentiösen Römern und ihren gallischen Adepten das Ansehen einer allenfalls genießbaren Hausmannskost hat, so wird auch die spanische Kultur vergleichbar herablassend beurteilt. Selbst wenn man das Feurige und Wilde von Flamenco und Stierkampf insgeheim ein wenig bewundert, so tut man es dennoch gern als ungehobelt und bäuerlich ab. Allenfalls als Dekoration oder Partyspaß mag es für einen gewissen Moment seinen Reiz haben, aber wahre Hochkultur geht anders. Tatsächlich muss sich Spanien nicht im entferntesten hinter seinen romanischen Cousins verstecken. Ich meine, Menschen, die derart fürs Feiern leben, es versteht sich irgendwie von selbst, dass sie die Kultur unseres Planeten enorm bereichert haben.
Infrastruktur: Und hier wird es bitter, obzwar nicht die komplette Finsternis zu beklagen ist, führen Stadtflucht, Hedonismus und Profitmaximierung zu einer bisweilen überaus mangelhaften Infrastruktur. Selbstverständlich nur zum Teil. Dem mit dem Flugzeug und Auto hin und her schwirrenden Gast wird dies sogar schwerlich überhaupt auffallen: Die Straßen wirken wie geleckt, die Städte sind sauber und die Menschen wirken wohlhabend und zufrieden. Doch schaut man auf den ÖPNV, Radwege oder Parks in den ballungsfernen Regionen, dann schaut man schnell in einen trostlosen Abgrund. Auch hinsichtlich sonstiger unterstützender Strukturen wie Picknickplätze, Toiletten etc. kann man nicht wirklich von imperialer Ausstattung sprechen. Hier wird einmal mehr deutlich, dass dieses Land maßgeblich durch die Prioritäten von Fiesta, Siesta und Turbokapitalismus geprägt ist. Das ist natürlicher ein fetter Minuspunkt, aber kein in Stein gemeißelter.
Fazit: ⭐⭐⭐⭐🌑
Lusitanien
Menschen: Nähern wir uns nun endlich den stillen, stets im Hintergrunde diffundierenden Menschen am Rande der Welt – den Portugiesen. Zugegeben, mir gelang es nie wirklich, so richtig warm mit ihnen zu werden. Es ist ein freundlicher, warmherziger, aber auch zurückhaltender, abwartender Menschenschlag, der zwischen Douro und Tejo lebt. Im Umgang mit ihnen gab es für mich nie einen Grund zum klagen, aber ich kann auch nicht viel mehr über sie berichten.
Kulinarik: Wenn ich an Portugal denke, sammelt sich ganz schnell dieser Phantom-Geschmack von köstlichen, fangfrischen Sardinen und eiskaltem Vinho Verde auf meiner Zunge. Allein diese zwei Gaben würden reichen, Portugal für den Rest aller Zeiten zu lieben, aber es gibt noch eine Menge mehr zu loben. Die Qualität der Zutaten ist hier auf einem beachtlichen Niveau, was sich zum Beispiel auch daran erkennen lässt, dass ich hier im gesamten Imperium das einzige Mainstream-Olivenöl fand, welches sich mit griechischer Qualität messen konnte.
Natur: Diesbezüglich kann der Lusitane aus dem Vollen schöpfen. Betrachtet man die enormen Regenmengen im Norden des Landes so kann das durchaus auch wortwörtlich gemeint sein. Doch dieser massive Regen bremst einerseits den klassischen Strandmassentourismus ein wenig aus und führt anderseits zu einem üppigen, in Dutzenden Grüntönen schillerndem Paradies. Die pittoreske Küste wie auch die einsamen, verträumten Berge in der Hinterhand kann Portugal mit guten Recht als Joker in dieser Kategorie betrachtet werden.
Kultur: Auch in dieser Hinsicht scheint der Portugiese seinem Naturell zu entsprechen und so zeichnet sich sein kulturelles Wirken durch Zurückhaltung, Melancholie und Ruhe aus. Fado, saudade, Saramago und Azulejos verströmen eine gewisse Sanftmut und Besonnenheit, die in auffälligen Widerspruch zur immerwährenden Unruhe des großen Bruders steht.
Infrastruktur: In dieser Disziplin kann sich Portugal problemlos im vorderen Mittelfeld behaupten. Es gibt wenig auszusetzen, aber vieles hervorzuheben. Plus: Günstige Campingplätze und etliche geduldete, gut ausgestattete Wildzeltstellen. Minus: Das omnipräsente und jeden Radler zermürbende Kindskopfpflaster sowie der Kniefall vor Spekulanten und Heuschreckentouristen, welches das einstmals wunderbare Lissabon in ein beliebiges, gentrifiziertes Abziehbild seiner selbst verwandelte.
Fazit: ⭐⭐⭐✨
Rumänien sowie verstreute Restvölkchen
Menschen: Die Leutchen aus den ehemaligen Provinzen Dacia und Moesia werden gerne übersehen wenn die verbliebenen Völkerschaften des Imperiums ins Schlaglicht geraten. Dabei ist die rumänische Sprache dem Italienischen noch am nächsten. Dennoch bleibt es irritierend sich in dieser sturmzerzausten Balkaninsel, umspült von Slawen und Magyaren, im ehemaligen Geltungsbereich der civitas Romana zu wähnen. Die Ethnogenese der Proto-Rumänen ist dann auch eine äußerst verwirrende Geschichte, die wir an dieser Stelle besser beiseite lassen sollten. Halten wir uns lieber an anekdotisch evidente Fakten aus der eigenen Erfahrung: Rumänen sind fantastische, offenherzige Gastgeber und unverzichtbarer Bestandteil der fröhlichen Mischpoke des Balkans.
Unter Restvölkchen wären folgende Sippschaften noch zu begutachten: Räteromanen (Schweiz), Aromunen (relativ überall auf dem Balkan) und Istrorumänen (wenige Dörfer in, wer hätte es gedacht?! Istrien). Allein, es fehlt mir der Erfahrungshorizont, denn wie durch ein Wunder kam es in knapp zwei Jahren Studienreise durch das Imperium zu keiner wissentlichen Begegnung mit einem Vertreter dieser Orchideenstämme.
Kulinarik: Ein trauriges Kapitel. Natürlich findet man auf dem Land bei Muttern tadellose Hausmannskost, deren enormes Geschmackspotential es ohne jede Zweifel mit der abgeschliffenen Zivilisationsnahrung Nord- und Mitteleuropas aufnehmen kann. Aber darum geht es hier nicht, denn der Vergleichsmaßstab ist ein anderer. Und in dieser Hinsicht erlebte ich wenig Neues, Inspirierendes oder gar Einzigartiges. Natürlich wird hier keiner verhungern, aber auch darum geht es hier nicht. Einfach nur ein trauriger Aspekt über den wir schnell hinwegsehen wollen.
Natur: In dem wir den Blick schweifen lassen auf diese prächtige Natur. Nirgends in Europa wird man soviel unverfälschte Wildnis finden. Ob Retezat oder Făgăraș, Waldkarpaten oder Apuseni – all das sind in den Ohren naturverliebter Wanderfreunde verheißungsvoll klingende Sehnsuchtsorte. Kaum eine Region im gesamten Imperium, die sich hiermit messen könnte. Und dabei meine ich das gesamte Reichsgebiet, nicht bloß die hier bewerteten, versprengten Überbleibsel.
Kultur: Ich kann es offen angehen und muss mir hier nichts aus den Fingern saugen. Rumänien ist eine junge, quasi frisch konstruierte Nation deren Verknüpfungen zu ihren moesischen und dakischen Vorfahren verschlungen bis fragwürdig sind. Daher besteht mein Pantheon bekannter Rumänen aus Dracula und Ceaușescu und den Großteil meiner kulturellen Höhepunkte erlebte ich hier bei Speis und Trank, Gesang und Tanz im Kreise des hierzulande noch reichlich anzutreffenden fahrenden Volkes.
Infrastruktur: Ganz klar, Kategorie „übel“ bis „arg“, wobei die Tendenz hier ebenso klar nach oben weist. Neben dem Umstand, dass sich einiges getan hat, gleicht Rumänien so manchen eklatanten Mangel durch seine uneigennützigen, großzügigen Menschen aus. Sprich, in den begüterten Provinzen des Imperiums mag es von allem mehr geben, aber hier wird das wenige trotzdem häufiger geteilt, so dass letztlich doch mehr für alle abfällt.
Fazit: ⭐⭐⭐
post scriptum: Es bleibt abschließend noch zu erwähnen, dass eine der lateinischen Nachfolgesprachen in etlichen ehemaligen Provinzen auch heute noch als Zweit- oder Verkehrssprache Anwendung findet. Im Wesentlichen ist damit eine mehr oder weniger leicht verständliche Abwandlung des Gallischen gemeint. Insbesondere in Mauretania und Africa kann man hiermit noch beachtliche Verständnisdurchbrüche feiern.