Jules Verne, Star Trek, FDJ – so grundverschieden diese drei historischen Opinion Leader auf den ersten Blick erscheinen mögen, so ist ihnen dennoch eines gemein, und zwar der von ihnen jeweils unternommene Versuch positive Zukunftsvisionen zu entwickeln und zu verbreiten. Wenn man den Blick in die Vergangenheit richtet, gibt es für derlei Bestrebungen noch etliche Beispiele mehr. Quer durch die Geistesgeschichte der Menschheit lassen sich zahllose kreative und durchdachte Meisterwerke finden, die ein besseres Leben in der Zukunft beschreiben. Und hiermit meine ich ganz klar einzig jene Visionen, die sich auf das irdische Dasein beschränken. Religiöse Zukunftsvorstellungen sind für meine weiteren Überlegungen schlichtweg irrelevant.
Denn worauf ich hinaus will, ist folgendes: Die Diskussionen in jüngster Zeit um die Entwicklungen auf unserem Planeten nähern sich, so kann man ohne einer eventuellen Zeitgeisthysterie auf den Leim zu gehen, urteilen, einem kritischen Punkt. Die Kausalketten und Argumentationslinien verlieren sich oftmals im Postfaktischen, Gefühlten und wenden sich, genährt durch berechtigtes Misstrauen den Eliten gegenüber sowie der massiven Desillusionierung dank gescheiterter progressiver Vorstöße, allzu oft dem Fatalismus zu. Die Ursachen und Analyse dieser Entwicklung soll hier aber weniger das Thema sein. Vielmehr möchte ich auf einen Teilaspekt dieser Misere das Augenmerk richten, und zwar auf das völlige Erliegen jedweder Freude auf die Zukunft, ja der gänzlichen Abkehr von der Vorstellung, dass das Leben in 30 Jahren eventuell schöner sein könnte als in der Gegenwart oder gar im achso schönen „Früher-war-alles-besser“.
Die gänzlichen Abkehr von der Vorstellung, dass das Leben in 30 Jahren eventuell schöner sein könnte als in der Gegenwart.
Diverse Faktoren aus Geschichte, Politik, Demographie und etlichen anderen Bereichen des menschlichen Wirkens führen auch dank der einzigartigen Erlebbarkeit mittels Internet zu einer gefühlten Hilf- und Machtlosigkeit gegenüber der Komplexität unserer Gegenwart. Diese wiederum mündet entweder in den allseits bekannten einfachen Lösungswelten aus Esoterik/Religion bzw. Rassismus/Nationalismus oder einem alles verschlingenden Fatalismus mit der glühenden Sehnsucht nach tabula rasa, einem reboot der Welt. Die bestehenden Probleme erscheinen zu gewaltig und vielschichtig um noch in irgendeiner Weise lösbar zu sein oder aber man versteift sich darauf zu behaupten, dass die Grundlagen der menschlichen Gemeinschaft in sich komplett verschlissen und korumpiert seien, und daher nicht wert zu retten wären. Der Grundtenor aktueller Überlegungen ist, so scheint es zumindest mir, immer häufiger die Forderung nach einer kompletten Dekonstruktion des fehlerhaften Bestehenden. Diese Sehnsucht nach jenem, mit zahlreichen Hoffnungen überfrachteten „reinen Tisch“ übertrumpft dank seines schlichten Konzepts immer mehr jenes anstrengend wirkende Nachdenken über etwaige Möglichkeiten eine Verbesserung unseres Lebens herbeizuführen, ohne alles einzureißen. Dementsprechend versteht es sich von selbst, dass positive Zukunftsvisionen in solch einem Klima nicht wirklich gedeihen können. Ganz im Gegenteil – Dystopien haben im Kino Konjunktur, die Zombiekalypse kann sich auch nach der xten Wiederholung im Serienuniversum nicht über mangelnden Zuspruch beschweren und auch die zeitgenössische Literatur geht im großen Stil mit düsteren Szenarien hausieren. Die einfallslosen Sprünge der Kulturindustrie erschöpfen sich, wenn sie die Vorstellungskraft des Publikums ansprechen will, bestenfalls noch in infantiler Fantasy oder dem einfallslosen Neuaufguss diverser Mythen der Vergangenheit.
Der Grundtenor aktueller Überlegungen ist häufig die komplette Dekonstruktion des fehlerhaften Bestehenden als das Nachdenken darüber wie man es eventuell verbessern könnte ohne alles einzureißen.
Nun mag man, so man mir bis hierhin zustimmt, einwenden, dass doch gerade diese beobachtbare Grundstimmung Indiz für eine relevante Krise der Gesellschaft ist, die es eben in dieser Ausprägung am Vorabend bedeutender Umbrüche schon häufiger gegeben hätte. Und eben dies stimmt meines Erachtens nur zum Teil. Zum einen gab es auch destruktive Zäsuren in der Menschheitsgeschichte, welche in Phasen relativen Wohlstands und gesellschaftlicher Zuversicht auftraten, bspw. sei hier der Erste Weltkrieg erwähnt. Zum anderen waren selbst die gröbsten Zivilisationszusammenbrüche stets begleitet oder gar initiiert von Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Abgesehen von einigen düsteren Momenten, in denen Hoffnung knapp war und eine bessere Zukunft den Zeitgenossen absurd erschien, blieben einem nicht unbedeutenden Teil der Menschheit das Vertrauen auf eine Überwindung der Unzulänglichkeiten der Gegenwart und das Streben hin zu einer besseren Welt im Morgen eine unerschütterliche Gewissheit und Triebfeder für ihr Dasein. Ob es die Utopien der Antike, das klare Denken der Aufklärung oder die kühnen Träume der fortschrittsvernarrten SF-Autoren waren – noch in den übelsten Zeiten begleitete die Menschen jene kraftspendende Motivation einer positiven Zukunftsvorstellung.
Und eben dieses belebende Element menschlicher Entwicklung ist in den letzten Jahren nahezu unbemerkt und spurlos verloren gegangen. Vielleicht lebe ich ja in einer sozialen Blase, doch ich wage zu behaupten, dass man überall auf unserem Erdenball in jedweder gesellschaftlichen Schicht und Altersgruppe auf die Frage wie sie ihr Leben in 30 Jahren sehen, rundweg skeptische, negative oder fatalistische Antworten bekäme. Zweifellos ist dieses Urteil keineswegs unbegründet und auch überaus nachvollziehbar, doch ich sehe in einer solchen allgemeinen Grundstimmung eine enorme Gefahr. Ähnlich dem Prinzip einer selbsterfüllenden Prophezeiung befürchte ich hier auf lange Zeit gedacht, eine Gesellschaft, die sich selbst aufgibt, sich in Selbstmitleid suhlt und bestenfalls verdummt, schlimmstenfalls kollabiert. Wenn eine bessere zukünftige Welt von der überwiegenden Mehrheit nicht mal mehr theoretisch vorstellbar ist, dann haben wir auch keine Zukunft mehr.
Eine Gesellschaft, die sich selbst aufgibt, sich in Selbstmitleid suhlt und bestenfalls verdummt, schlimmstenfalls kollabiert.
Daher hier mein leidenschaftlicher Aufruf zu Optimismus und konstruktiven Denken. Wir sind weit gekommen in den letzten Jahrtausenden und ein Komplettabriss des Bestehenden darf einfach nicht die einzige Alternative sein. Dafür schätze ich zahlreiche Errungenschaften der, aktuell in Misskredit geratenen Zivilisation dann doch ein wenig zu sehr. Selbstredend stehen wir vor gravierenden Problemen, Problemen für die auch ich keine Patentlösung, ja nicht einmal einen realistischen Ansatz im Angebot habe. Doch die Entwicklung von Zivilgesellschaft und Technologie könnten doch zumindest nicht ausschließlich Grund zu Besorgnis und Misstrauen sein. Jedes Ding hat schließlich seine zwei Seiten, alles hat Vor- und Nachteile – mir kommt es aber seit geraumer Zeit so vor als würde sich die globale Wahrnehmung einzig auf die Schattenseiten der kommenden Veränderungen fokusieren. Wenn wir also angesichts der schier unlösbaren Verstrickungen von Egoismus, Gier und Irrationalismus, welche unserer Welt im Würgegriff hält, mal wieder verzweifeln wollen und eine, auch nur geringfügige Verbesserung dieses Zustands als völlig abwegig erscheint, dann wünschte ich mir statt dem ewig öden Fatalismus ein wenig mehr optimistische Gedankenspielerei. Mag die Lage auch aussichtslos erscheinen, sich zumindest in der Fantasie einzulassen auf eine vorteilhafte Wendung der Geschicke der Menschheit sollte doch möglich sein und, wer weiß, vielleicht entsteht aus solcherlei Versuchen etwas, was uns tatsächlich weiterhilft, uns auf neue Ideen bringt. Eines steht in meinen Augen jedenfalls fest: Das permanente Wiederkäuen destruktiver Zukunftsszenarien hilft bestenfalls einigen wenigen. Daher schreibt, musiziert und denkt euch in eine leuchtende Zukunft hinein. Das könnte aufregender sein als die beste Apokalypse.