Da ich ja nun dieses Jahr aus Gründen nicht in der gewohnten Jahreszeit zum großen Ausritt antreten durfte, sondern gewieft und antizyklisch im wunderschönen Mai durch die Berge lustwandelte, kann ich nun servicegewaltig Leseempfehlungen für euren Sommer aussprechen oder euch vor Gräulichem bewahren. Ganze drei Bücher habe ich zwischen Berg und Tal verschlungen und kann vorab verraten, auch hier gab es entsprechende Höhen und Tiefen. Den Anfang machte ich mit
Zero – Sie wissen, was du tust
Nachdem ich von seinem Debüt „Blackout“ so angetan war, auch dieses Buch las ich auf einer Wanderung, damals aber im bitterkalten April, was dem Leseerlebnis keinen Abbruch tat, denn die Beschreibung eines dauerhaften, globalen Stromausfalls liest sich sehr gut im dunklen, zugigen Böhmerwald.
Nun also Zero. Der Titel ließ leicht erahnen, dass sich der umtriebige Österreicher dieses Mal am Thema Internet versuchen würde. Umso gespannter war ich natürlich. Irrtümlicherweise ging ich davon aus, dass nun analog zum Vorgänger hier die Analyse folgen würde, wie unsere Gesellschaft auf einen dauerhaften, globalen Internetausfall reagieren würde. Doch schon der Untertitel hätte mich hier zurechtweisen müssen. Leider ist dies nicht das Thema des Buchs, ganz im Gegenteil. Hier geht es mal wieder um das Thema der Saison – die komplette Ausdeutung des Menschen – Daten als neues Schmieröl des Kapitalismus. Anfangs war ich etwas enttäuscht, störte mich auch an einigen Plattitüden und erwartbaren Schablonen. Schon bei Blackout hatte ich mich hieran ein wenig gestört. Letztlich gewinnt mich der Autor aber auch hier wieder dank fachlicher Detailtreue und einem denkbaren, realistischen Szenario. Sogar den Schluss, das wahre Qualitätskriterium eines guten Romans, kriegt er dieses Mal entschieden besser hin als bei „Blackout“, denn der war ja nun wirklich grässlich. Empfehlenswert aber in jedem Fall wenn ihr wie ich in menschenleeren Regionen den Sommer verbringt, mitten im Edgeland, weit entfernt von der nächsten Steckdose wirkt die Fiktion einer komplett digitalisierten und sekündlich ausgemessenen Gesellschaft dann doch deutlich eindrucksvoller.
Kommen wir zu etwas komplett anderen.
Der goldene Handschuh
Heinz Strunks neuestes Werk gehört für mich schlicht und ergreifend zu einem der besten Bücher der deutschen Gegenwartsliteratur. Nicht dass ich in diesem Genre wirklich zu Hause wäre. Doch die Sprache, das Einfühlungsvermögen und einfache Purheit dieses vermittelten Stoffs ist unfassbar. Es ist kein Krimi, kein Thriller, ja ich würde sogar meinen, dass die Schublade der Millieustudie für dieses Buch letztlich zu klein ist. Wir tauchen mit dieser Geschichte ein in die verlorensten Regionen der Unterschicht – die teilauthentische Geschichte des Serienmörders Fritz Honka und dessen Umfeld. Es ist keine bluttriefende Gangstergeschichte, vielmehr riecht es nach Pisse und Fanta-Korn. Perspektivlos, düster und traurig – dennoch vermag es Strunk auch diesen Protagonisten Würde einzuhauchen. Ein großes Stück Literatur, welches wie kaum ein zweites Abscheu und Anteilnahme gleichermaßen in sich vereint und für Säufer wie Asketen geeignet ist. Auch dies selbstverständlich großartig zu lesen mit der reinen, menschenfernen Natur im Rücken.
Den Schluss, auch im wörtlichen Sinne stellt dann noch dieses Buch dar.
Die Abnormen
Was soll ich sagen?! Prinzipiell klang das Thema des Buches recht verheißungsvoll. Seit einigen Jahren kommt ein Prozent aller Neugeborenen „abnorm“, das heißt mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, zur Welt – und seitdem ist alles anders. In dem Sinne also das grundlegende Futter zahlreicher Comics, Serien und Filme der tonangebenden Superheldenpopkultur. Könnte also nicht schlecht sein sowas auch in Buchform zu genießen wenn es denn die üblichen Ansprüche, die ich hier an gute, bzw. zumindest gut unterhaltende Literatur stelle, erfüllt. Tut es nicht. Die Story robbt sich schleimig an 9/11 heran, die Charaktere wie deren Fähigkeiten sind banal bis hanebüchen. Ein wahrhaft kümmerlicher Versuch solch ein mächtiges Thema aufzubereiten. Ich hab es gelesen, ihr müsst es nicht. Gern geschehen!
Ich fasse zusammen: Eine absolute Lesempfehlung, einen So-lala-Schmöker und einen Schuss in Ofen. wie im wahren Leben würd‘ ich meinen!