Ein weiteres Jahr ist herum und somit an der Zeit zur Auswertung meines zweitliebsten Mediums zu schreiten. Schon letztes Jahr probierte ich, inspiriert von der Entdeckung der Statistikfunktion meines Podcatchers, die funkelndsten Perlen und Ohrenschmäuse der Saison zu bejubeln und zu würdigen. Auch 2018 war natürlich wieder einiges dabei, auch wenn ich ein leichtes Murren einschieben muss. Die aktuelle Hypeerei um das Podcastwesen hat dem Medium, meines Erachtens nicht auschließlich gut getan. Das liegt nicht etwa daran, dass mittlerweile jeder halbwegs irrlichternde D-Promi meint, er müsse das Internet mit seinem Geplapper verwöhnen. Nein, hier hat ja schließlich jeder die Möglichkeit der freien Wahl und kann selbst entscheiden was ihm behagt und was eher nicht. Zwei Entwicklungen sehe ich als problematischer.
Zum einen die immer eingleisigere Gesprächskultur vieler Podcaster. Allzu oft erwecken diese in mir den Eindruck sich hauptsächlich am Klang der eigenen Stimme zu ergötzen. Ganz dem allgemeinen mainstream der Internetkultur des neuen Jahrtausends folgend, begnügt man sich mit kurzlebiger, narzistischer Selbstdarstellung, beklagt bisweilen in ausführlicher Manier gar die schrecklich langen Mails der Zuhörer nur um sich danach weiter selbstreferentiell weiter zu suhlen. Das Verständnis für das Spezielle am Medium Podcast, der Sender-Empfänger-Spirit geht den meisten neu Aufgesprungenen gänzlich ab und sogar einige der alten Hasen scheinen diesen immer mehr aus den Augen verloren zu haben.
Zum anderen nerven mich immer mehr die knallig duftenden Blüten, welche die Kommerzialisierung hervortreibt. An den kurzen, zu Beginn vorgelesenen neutralen Spot oder die immer gleiche Litanei der Spendenaufruferei hat man sich zwar mittlerweile gewöhnt, doch was in einigen Podcasts mittlerweile Einzug hält und mir gewaltig auf den Senkel geht, ist die vermeintliche witzig-ironisch Verquickung von Podcast und Werbung. Das launige Gespräch über Matratzen oder Stromanbieter mag vielleicht als legere Idee erscheinen um Sponsoren ihren Auftritt zu verschaffen. Ich sehe hier leider nur verschwimmende Grenzen und ganz allgemein einen schwer kalkulierbaren Trend. Sprich: wenn Reklame dann Reklame klar abgetrennt und ohen großes Buhei!
Soviel zur Kritik, das musste einfach mal raus. Nun aber zum Besten was das Podcastjahr gebracht hat. Werfen wir hierzu einen Blick auf die Statistik.
16 Tage und 6 Stunden! Und das obwohl der Zähler erst ab Mai aufgrund eines neuen Handys lief. Da letztes Jahr etwas vergleichbares auf dem Tacho stand, ist der Hörkonsum wohl eindeutig angestiegen. Bleibt somit nur die Frage mit was. Ein Blick auf meine Charts offenbart sowohl Vertrautes wie ein paar fesche Neueinsteiger. Die Spitze meines Audio-Olymps ist weiterhin fest in der Hand der Freakshow. Angesichts des soliden Ausstoßes im „Über-Vier-Stunden-Format“ mag dies nicht verwundern. Wie im letzten Jahr, so ist es auch in diesem Jahr: Ich dürfte nur einen Bruchteil der angezeigten Zeit wirklich zugehört haben. Denn dank Kapitelmarken wird dieser Podcast ganz nach Gusto radikal gekürzt und ohne allzu viel veräppelt zu werden, genossen.
Auf einem so ruhmreichen wie überraschenden Platz findet sich ein absoluter Neueinsteiger – WimaF! An und für sich gehört die thematische Ausrichtung dieses Podcasts nicht unbedingt zu meinem klassischen Beuteschema. Nils Bokelberg, der dem einen oder anderen vielleicht noch ein Begriff sein mag, plaudert hier mit seiner Freundin sowie einem Gast über diverse Filme und Serien. Dies mag jetzt erstmal eher mittelaufregend und alles andere als innovativ klingen, speziell wenn man zum wiederkehrenden Repertoire solch bedingt reizvolle Themen wie „Lindenstraße“ oder „Nicolas Cage“ gehören. Doch ich muss bekennen, dass die beiden es geschafft haben, sich von Mal zu Mal tiefer in mein Herz gegraben zu haben. Es ist, abseits der Inhalte, diese seltene Mischung von Herzenswärme, Charme, Humor und Intelligenz, abgerundet mit einem gerüttelt Maß an Lebenserfahrung. Dies alles kommt ohne die, sonst so übliche Arroganz und Selbstverliebtheit aus, dass ich gar keine andere Chance hatte, als den beiden heillos zu verfallen.Verschärfend kam noch die, in der Weihnachtszeit gestartete „Harry-Potter-Reihe“ hinzu, welche selbst für das eh schon hohe Niveau dieses Podcasts einfach nur exzellent war.
Die weiteren Ränge in der Top 10 sind recht stabil. Schließlich sorgen weiterhin regelmäßig eintreffenden Lieferungen von Podcasts dafür, in meiner Liste seinen Platz zu behaupten. Die einzige Auffälligkeit betrifft hier das Fehlen von „Fest&Flauschig“ in den Charts. Dies hat aber mehr etwas damit zu tun, dass dem freibeuterischen Treiben außerhalb von spotify im Laufe dieses Jahres schließlich ein Ende gemacht wurde. So musste ich für die wechselhaft unterhaltsamen Ausführungen der beiden Grandes Dames der deutschprachigen Podcasterei mich dann doch zum Audiomagnaten bewegen und konnte es nicht mehr wie früher bequem über meinen Podcatcher beziehen. Ansonsten nicht viel Neues: „Radio2“ als wöchentliche Erfrischung, die „Lage der Nation“ als ebenso wöchentlich erscheinendes Update des politischen Weltgeschehens sowie „Zeitsprung“ für das kleine historische Leckerli der Woche. Dazu die gebündelten Beiträge aus dem Hause „4000 Hertz“ und ganze drei Gag-Formate. Speziell hier denke ich häufiger als sonst darüber nach, mindestens einen Podcast demnächst abzubestellen. Heißester Kandidat ist hier der Podcast, welcher am ehesten für die oben erwähnten Negativtrends steht und zwar „Herrengedeck“.
Abgesehen von diesen, durch hohe Frequenz und Qualität oben stehenden Podcasts, müssen auch noch einige Podcasts erwähnt, die zwar nicht so hohe Ausstoßraten vorweisen können, die aber hinsichtlich Originalität, Witz und Informationsgehalt den „Großen“ in nichts nachstehen. Ich werde beispielsweise nicht müde die Gespräche der beiden Herren von „Ballaballa-Balkan“ über den grünen Klee zu loben. Ich finde jedoch, dass sie sich in diesem Jahr nochmal entscheidend gesteigert haben. Insbesondere die Ausgabe zu Sprache, Sinti&Roma sowie Fußball gehören unzweifelhaft zu dem Besten, was ich dieses Jahr hören durfte.
Ein weiterer ganz besonderer Moment ist es, wenn eine neue Ausgabe der „Mikrodiletanten“ im Podcatcher aufploppt. Die heilige Dreifaltigkeit der deutschsprachigen Dampfplauderei gehört für mich zu den wenigen Podcasts die sich in keine Wartereihe anzustellen haben. Die werden sofort nach dem Download weggehört.
Sonst hat sich erstaunlich wenig in meinem persönlichen Podcastistan getan. Außer natürlich dem nicht unbedeutenden Umstand, dass ich in diesem Jahr zwei außergewöhnlichen Hörspielreihen meine Aufmerksamkeit geschenkt habe. Das ist deswegen hervorhebenswert, da ich bislang ein exklusiver Podcastkonsument war, da diese mir die Freiheit boten, auch Mal für einen Moment nicht aufmerksam zu sein. Gute Hörspiele bestrafen solch ein Verhalten aber meist gnadenlos. Hier ist bedingungslose Hördisziplin das A und O für den erkenntnisreichen Genuss. In diesen beiden Fällen musste ich jedoch eine Ausnahme machen, da mich das Thema dann doch zu sehr reizte. Und obwohl ich logischerweise mehrfach zurückspulen musste, hat es sich zweifellos gelohnt. Ich empfehle daher hier nochmals ausdrücklich: „Brüder“ sowie „Babylon Berlin“. Ersteres ist eine 27-teilige hochkarätige Serie, welche nach der Vorlage des offenbar ebenso großartigen Buchs von Hilary Mantel die ineinander verquickten Lebenswege von Robespiere, Demoulins und Danton vor und während der Französischen Revolution schildert. Leider war dieses Hörspiel, wie das im kommerziellen Spiralarm des Audiouniversums so oft üblich ist, nur für einen befristeten Zeitraum herunterladbar, der natürlich zum aktuellen Zeitpunkt längst abgelaufen ist. Bei dem zweiten Hörspiel mag man zunächst vermuten, dass es sich hierbei um ein weiteres Ausschlachtprodukt des Hypes um die gleichamige, hochgelobte Fernsehserie handelt. Doch es ist ein wenig mehr. Zwar bedient man sich wohl der Atmosphäre und des Schwungs der Serie, doch die aufwändige Produktion von RadioEins versucht an einzelnen Themen dieser Zeit die Parallelen zu unserer Gegenwart herzustellen. Und dies gelingt ausnehmend gut und führte zumindest dazu, mich mehrmals nachhaltig zum Nachdenken anzuregen.
Und das soll es auch schon gewesen sein. Ich hoffe, hier für den einen oder anderen ein paar Anregungen geliefert zu haben. Natürlich erhebe ich mt diesem kleinen Artikel keinerlei Anspruch auf Vollständigeit. Doch soll dieser Jahresabschluss auch ein mickriger Versuch sein mich bei allen Podcastern die mit ihren Werken hier in meinen Charts auftauchen, herzlichst zu bedanken. Macht so weiter und auf ein ereignisreiches neues Jahr.
Pingback: Podcast-Revue 2019 – Viva Peripheria