Der Grande Randonnée 20 (GR 20) ist einer der großen Sehnsuchtspfade für alle die Natur, Einsamkeit und die eigenen Grenzen kennenlernen wollen. Über 180 Kilometer geht es in vielerlei Hinsicht vertikal über die Insel. Dieser Wanderweg zählt zu den schwierigsten und anspruchsvollsten Touren, die ich jemals wagte zu wandern. Der Start oder das Ziel befindet sich in der Stadt Calenzana, im Nordwesten bei Calvi. Der andere Endpunkt liegt im Südosten der Insel in der Stadt Conca. De Bergwanderweg führt durch unberührtes Gelände mit bis zu 2.400 Höhenmetern. Die Kletterstellen und Passstraßen, die es zu überqueren gilt, sind definitiv nichts für Anfänger. Der Großteil des GR 20 führt durch den Naturpark „Parc Naturel Régional de Corse“, wobei der Weg anhand einer rot-weißen Markierung auf Felsen und Bäumen gekennzeichnet ist. Neben diesem Prunkstück entdeckten wir aber noch einen anderen Wanderweg, und zwar den „Mare a Mare Sud“, den wir hier ebenso empfehlen wollen. Dieser Wanderweg (79km und 3800 Höhenmeter, 5-6 Tage, ganzjährig zu bewandern), der von der östlichen Küste bei Porto Vecchio bis zur westlichen Küste bei Propriano führt, ist für ungeübtere Wanderer eher zu empfehlen und bietet dennoch reichlich Bergidylle und Abstand vom Autowahnsinn.
Andere Wissensquellen
Wir vertrauten mal wieder auf die bewährten Wanderbücher vom Rother Bergverlag, dessen Wanderführer wir tatsächlich auf deutsch im Intersport von Porto Vecchio ergatterten. Wie immer schön kompakt, alles Wesentliche zusammenfassend, die Hauptroute wie zahlreiche Nebenrouten beinhaltend – immer eine gute Wahl. Außerdem gönnten wir uns noch eine Wanderkarte im vertrauten Maßstab (1:50000) und niedlichen Minidesign, welche wir ebenfalls nur empfehlen können. Wobei wir im Endeffekt doch häufiger auf mapy.cz schauten als auf diese ehrenwerten papiernen Kollegen.
Anreise
Korsika ist schnell zu erreichen ob mit dem Flieger (bitte selbst recherchieren!) oder mit dem Zug, aber bittebitte auf keinen Fall mit dem Auto. Ich weiß, es wird einem nicht leicht gemacht, siehe, nächstes Kapitel „Herumreisen“, aber einer muss doch einfach den Anfang machen, sonst wird von dieser wunderschönne Insel bald nichts mehr zu sehen sein außer Autos. Dabei gibt es leider keine wirklich komfortable Bahnverbindung, da keiner der großen italienischen Häfen angemessen an das deutsche Bahnnetz angeschlossen ist. Warum auch?! Genua, Livorno oder Civitavecchia sind die zu erreichenden Portale um nach Korsika überzusetzen. Ich bin mir nicht wirklich sicher, welcher Hafen am wenigsten übel zu erreichen ist. Vielleicht sollte man das an mögliche Erkundungsinteressen auf dem italienischen Festland koppeln.
Herumreisen
Auf Korsika erwartet einen nichts Geringeres als die schlichte Preisgabe jeglicher Mobilität an den freien Markt. Und der Markt regelt das ganz individuell mit horrenden Massen an Autos unn zahllosen Fahrern, die ihr Auto nicht beherrschen wollen oder können. Ein Horrorszenario! Es gibt einen Bus von Porto Vecchio nach Ajaccio, der den GR20 kreuzt. Am Wochenende und Feiertag natürlich nicht. So heißt die einzige Alternative Trampen. Und so gerne ich dies an und für sich mache, empfinde ich es als würdelos, wenn dies die einzige Alternative zur Fortbewegung bleibt.
Charakteristik des Gebirges
Es handelt sich um ein gewaltiges Hochgebirge, welches sich im Zentrum der Mittelmeerinsel auftürmt. Der Monte Cinto ist mit einer Höhe von 2.706 m der höchste Gipfel im korsischen Zentralmassiv, gefolgt vom 2.622 m hohen Monte Rotondo und dem 2.556 m hohen Punta Minuta. Vier Hochgebirgspässe durchkreuzen den Hauptkamm des Gebirges. Den höchsten Punkt eines Passes erreicht der Col de Vergio bei einer Höhe von 1.470 m. In den östlichen Bereichen Korsikas hat die Bergregion Mittelgebirgscharakter. Die Gipfel sind niedriger als 2.000 m und die Felslandschaft besteht überwiegend aus Schiefer. Ein außergewöhnlicher Küstenabschnitt erstreckt sich im Westen der Insel. Die Calanche de Piana ist eine Berglandschaft mit rötlich schimmernden Granitfelsen, die aufgrund der Verwitterung bizarre Formen angenommen haben.
Regeln & Gesetze
Nichts liebe ich mehr als fern der Zivilisation, auf einer, vom Abendrot erglühten Bergwiese, hoch über all dem Kleingeist und Schnickschnack des Tals, das Zelt aufzubauen und die Stille und Frische der Nacht aufzusaugen. Hier auf dem GR20, wie eigentlich in ganz Korsika sollte man hierbei äußerste Vorsicht walten lassen. Denn es ist nicht nur streng verboten, das ist es ja fast überall, nein, hier ist Duldung und Toleranz für eine Nacht nicht angesagt. Wenn man es also wagt, sollte man sich sehr sicher sein oder zumindest sehr früh aufstehen. Während der zwei Saisonmonate (Juli/August) würde ich kategorisch davon abraten. Die Alternative zum wildzelten ist aber auch nicht so übel. Auf dem GR20 wie dem „Mare a Mare“ befinden sich in regelmäßigen Abständen Refugios, an diesen Berghütten kann man einen maßlos überteuerten Tee trinken oder aber auch recht preiswert zelten (während der Saison ca. €10, außerhalb der Saison durften wir sogar gratis zelten). Auch abseits der Wanderwege können die korsischen Campingplätze rundweg empfohlen werden. Man spürt deutlich, dass es in Frankreich eher eine Campingkultur gibt als beispielsweise in Italien. Das macht sich in der sinnvollen Einrichtung wie der Preisspanne dieser Plätze bemerkbar.
Ausrüstung & Fitness
Für die hier beschriebene Wanderung braucht es nicht viel mehr als den in meinen anderen Ratgebern schon oft zitierten „Goldstandard“ für draußen: festes, knöchelhohes Schuhwerk mit ausreichend Profil und optionalen Gamaschen, Regenschutz, Zelt, Schlafsack, Isomatte, Taschenlampe, Messer, Kocher, Proviant. Die Lebensmittelversorgung auf den Refugios ist zwar gegeben, aber sehr kostspielig. Besser ist es da schon mit etwas Proviant loszumarschieren und diesen in den Dörfern, die der Wanderweg bisweilen kreuzt, wieder aufzufüllen. Den GR 20 kann man ab Mitte Juni bis Ende Oktober in 16 Etappen abwandern. Nur in diesen Monaten sind die Gebirge schnee- und eisfrei. Ich habe diese Einschränkung nicht vollends ernstgenommen und musste Mitte Mai die Wanderung abbrechen, da es einfach noch viel zu kalt war. Selten habe ich Mitte Mai dermaßen gefroren. Während der Saison findet man wohl entlang des Wanderweges immer wieder Schutzhütten, die Getränke und warme Mahlzeiten anbieten. So man ohne eigenes Zelt loswandert, sollte man Reservierungen für die Refugios vorweisen können, so las ich es zumindest im Regelhandbuch für den GR20.
Routenempfehlungen
Wie zuvor schon angedeutet, empfehle ich außerhalb der Hauptsaison den Wanderweg „Mare a Mare Sud“. Hier bekommt man die Möglichkeit zu fast jeder Jahreszeit auf mittelgebirgigen Höhen die Schönheit und Ruhe der Insel zu erleben ohne die Risiken und Anstrengungen des alpinen Vorzeigewegs. Der GR20 ist aber natürlich in mehrfachen Sinne der Höhepunkt jeglicher Wandererträume. Zu richtigen Jahreszeit, bei guter Fitness und mit einer Prise Glück sollte dieser Wanderweg ohne jeden Zweifel eine Erfahrung fürs Leben sein. Denn wenn man ihn einmal komplett abgeschritten ist, kann man mit Gewissheit davon ausgehen, eine der legendärsten Routen Europas erlebt zu haben.
Gesammelte Links
- Parc Naturel Régional de Corse
- GR20 Wanderführer im Rother Bergverlag
- mapy.cz (Beste App für Draussen-Aktivitäten auf OSM-Basis)
- Mare a Mare Sud
- die 16 Etappen des GR 20
Wenn man das Grün und die Sonne auf Euren Fotos sieht und wenn man an Mai im Mittelmeer denkt, kann man kaum glauben, dass es noch so kalt war.
Und vielen Dank für den Hinweis auf den „Mare a Mare Sud“, denn der GR20 wäre mir definitiv zu happig.