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Che bella cosa è na jurnata ’e sole, (Wie schön ist ein sonniger Tag,)
n’aria serena doppo na tempesta! (die klare Luft nach einem Sturm!)
Pe’ ll’aria fresca para già na festa… (Die frische Luft wirkt wie ein Fest…)
Che bella cosa na jurnata ’e sole. (Wie schön ist ein sonniger Tag.)
‚O sole mio (1898 von Leonardo di Capua im wunderschönen Odessa mit Sehnsucht nach dem noch wunderschöneren Neapel komponiert)
Kampanien! So man, wie in meinem Falle, an sich schon mittelschwer italienverknallt ist, gehört Kampanien zweifellos zu den Regionen, welche den geringsten Anlauf benötigen um einen schlicht und einfach umzuhauen. Die verschiedenen Regionen Italiens gehören per se zu den mit Attraktionen jeglicher Coleur verdichtetsten Gegenden der Welt, doch dies hier übertrifft nochmal einiges. Vom Vesuv beherrscht, von bezaubernden Küsten umsäumt – eine brachiale Schönheit die seit Jahrtausenden Künstler inspiriert hat. Pompeji, Sorrent, Herculaneum, Ischia, Capri, Pizza und SSC Neapel – hier ist wohl eine der mächtigsten Quellen jener ewigen Italiensehnsucht zu verorten, die seit längerem beständig Menschen aus dem grauen Norden anzieht und so eine lückenlose, gut dreihundertjährige Geschichte des Tourismus vorzuweisen hat. Hier kommt jeder auf seine Kosten, der Kunst- und Geschichtskenner, Natur- und Meeresfreund sowie der passionierte Gourmet oder der verträumte Nostalgiker antiker Traditionen. Aber der Reihe nach. So übermächtig das Angebot Kampaniens auch erscheinen mag, ich wage es unerschrocken, einen kleinen Überblick von campania felix, der glücklichen Landschaft, der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Anmerkung: Da ich exakt ein Jahr zuvor ähnliches unternahm, nur eben nicht in Kampanien sondern in Apulien, versteht es sich von selbst das gewisse Punkte der Reiseanleitung sich überschneiden oder wiederholen würden. Daher war ich bei einigen Abschnitten so frei, meine, ein Jahr zuvor gewonnenen Einschätzungen zu zitieren.
Andere Wissensquellen: Hach herrjeh, wenn ich bei vielen Empfehlungen der Vergangenheit an dieser Stelle verlegen herumstocherte und innerlich verzweifelte warum es zwar drölfzich Bücher zu dem maßlos überschätzten Jakobsweg gibt, aber nicht einen einzigen nützlichen Wissensspeicher zu dem jeweiligen Stück Planeten, den ich gerade anpreisen wollte, so ist es in diesem Fall grundlegend anders. Die Fülle an Ratgebern im Buchformat ist so reichlich wie vielfältig. Wanderführer, Geschichtswegweiser, Kulinarikkompass oder topaktuellen und grundsoliden Reiseführer – alles ist vorhanden. Auch einzelne Teilregionen wie bspw. der Cilento warten mit gut unterrichteten Nachschlagewerken auf. Auch das Internet hat etliche prall mit Informationen gefüllte Portale in petto. Als gute Einstiegspunkte seien hier portanapoli und kampanien-insider genannt. (Für den Cilento sei cilento-aktiv.info wärmstend empfohlen) Und letztlich hat diese Region wie kaum eine andere auch reichlich Literatur unserer Altvorderen im Angebot. Goethes „Italienische Reise“, Seumes „Spaziergang nach Syrakus“, Gregorovius‘ „Wanderjahre in Italien“ um nur einige zu nennen.
An- und Abreise: Hier bin ich so frei und verweise erstmals auf meinen Apulien-Ratgeber vom letzten Jahr: „Zum Thema Einreise bleibt nicht viel zu sagen so man die Gnade eines EU-Passes erfahren hat. Doch auch ohne dies steht eine visafreie Einreise immerhin 66 Nationalitäten nichts im Wege. Auch die Anreise gehört wenn nicht zu den leichteren Übungen so zu vielleicht so gar zum vergnüglichsten Teil der ganzen Angelegenheit. Aus ideologischer Veranlagung wie aus reinem Pragmatismus heraus konzentriere ich mich dieses Mal allein auf den Schienenweg. Wer sich für Auto oder Flugzeug entscheidet, mag sich selber informieren und langweilen.“
Eisenbahn: Auch hier kann ich größtenteils auf einmal gewonnene Erkenntnisse zurückgreifen: „Die erklärte Festlegung auf dieses Verkehrsmittel kommt nicht von ungefähr. In Italien konnte die Eisenbahn noch viele ihrer konkurrenzlosen Vorteile in die Gegenwart hinein retten. Sie kommt in rascher Frequenz, erreicht die meisten wichtigen Punkte, ist preisgünstig (wobei das Tarifsystem leicht verständlich ist) und die Züge sind in gutem bis vorzüglichen Zustand. Diese einfache Basis wird dann auch offensichtlich von der Bevölkerung goutiert. Die Waggons sind stets gut gefüllt ohne überfüllt zu sein und die Stimmung an Bord machte stets Lust auf mehr.“ Obwohl diese leicht euphorisch klingende Einschätzung, nach der diesjährigen Inspektion geringfügig zurechtgerückt werden muss. Unser diesjähriger Aufenthalt beinhaltete deutlich mehr Eisenbahnnutzung als das letzte Mal, daher gab es mehr Gelegenheit dafür um die abgewetzten und schäbigen Stellen auf dem glitzernden Schienenkleid von Signora Trenitalia auszumachen. Die chronische Verspätungssucht speziell im Regionalverkehr ist erstaunlich und nahezu elementar. Ein Zug der nach Fahrplan abfährt scheint eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Die Regionalzüge sind zudem in schlechten Zustand, ähnlich wie manche Gleise und Bahnanlagen. Außerdem könnte die Frequenz auf den Stammstrecken deutlich höher sein wie auch die Auslastung nahelegt, aber das ist soweit ja kein ausschließlich italienisches Problem. Das kennen wir aus den meisten Ländern, die noch mit einem Personenschienenverkehr ausgestattet sind. Doch trotz Verspätungen und klappernder Türen bleibt das Bahnreisen in Italien als Fortbewegungsmittel ohne Konkurrenz für alle die das Leben gern in welcherlei Zügen auch immer genießen.
Als Routenempfehlung gibt es (von Berlin aus gesehen) eigentlich nicht sehr viele Alternativen als die Zwei-Hüpfer-Partie „München-Rom“. Nach München kommt man seit Kurzem in spektakulären 4,5 Stunden oder mit dem ICE-Sprinter gar in rastlosen, knappen 4 Stunden. Und dank der rührigen ÖBB existiert auch immer noch ein Nachtzug welcher in knapp 12 Stunden die ewige Stadt zu erreichen versucht. Offensichtlich stark behindert durch die Dusseligkeit der deutschen wie italienischen Schienenverwalter, gehört der „München-Rom-Nachtzug“ zu den verrufenen Bummelkindern unter den europäischen Fernverbindungen, dennoch ist er immer eine Reise wert. Man sollte einfach für den Umstieg an den jeweiligen Endbahnhöfen ein wenig mehr Zeit im Puffer haben. Selbstverständlich gibt es auch noch einige Tagzüge (was ich bei erstmaliger Reise aufgrund der Alpenüberfahrt auf jeden Fall empfehlen würde), dann heißt der Umstiegsbahnhof aber Bologna oder Verona. Eine Direktverbindung nach Rom über Tage gibt es leider nicht.
Von Rom nach Kampanien ist es nur noch ein kleiner Sprung. Die Distanz nach Neapel kann auf dreierlei Art bewältigt werden: Mit dem frecciarossa (dem „roten Pfeil“) in einer Stunde und 10 Minuten, dem Intercity in knapp 2 Stunden oder den BummelRegionale in knapp 3 Stunden. Die Preise pendeln pro Ticket hierfür zwischen 23 und 10.
Herumreisen: Blicken wir ein Jahr zurück: „Die Eisenbahn ist für Fern- und Mittelstrecken über jeden Zweifel erhaben, doch im lokalen versagt sie komplett. Die wenigsten Städte verfügen über eine annehmbare Infrastruktur zur Fortbewegung, weshalb viele aufs Auto umsteigen, was wiederum dazu führt, die Straßen heillos zu verstopfen, was wiederum die paar Busse, die sich durch die Straßen verirren zu hilflosen Beförderungsschaukeln degradiert. Kurz – ein Teufelskreis! Im Dorf-zu-Dorf-Verkehr sieht es selbstredend nicht besser aus. Mangels geringer und undurchsichtiger Angebote eines versprengt und im Untergrund agierenden öffentlichen Nahverkehrs, steigt man aufs Auto um und lässt die wenigen Verbindungen leer durch die Gegend trudeln. Ein Trauerspiel fürwahr. Empfehlung hier wäre sich reiseplanerisch an den Schienen des Landes zu orientieren und Ausflüge abseits derer entweder verteufelt gut zu planen oder einfach dem Zufall überlasssen. Es kommt meist aufs Gleiche raus.“
Dieser Einschätzung hat meines Erachtens weiterhin Bestand. Einzig hinzuzufügen seien hier die kampanischen Spezifika. Denn für einige relevante Sehenswürdigkeiten der Region kann man sich sehr gut „reiseplanerisch an den Schienen“ orientieren. Die Circumvesuviana beispielsweise ist ein gemütlicher, den Golf streichelnder Nahverkehrszug mit dem man problemlos Pompeji, Herculaneum oder Sorrent erreichen kann. Auch die Standardzüge der Trenitalia stricken zumindest an der Küste ein dichtes Netz an Verbindungen mit denen man allerhand erreichen kann.
Die Kritik vom letzten Mal sei aber nochmals mit Verve erneuert. Der leidige, motorisierte Individualverkehr selbst in den schmalsten Gassen der bezaubernden Altstädte Süditaliens gehört für mich zu den nervigsten Angelegenheiten die jeden Aufenthalt hier vergiften. Wie schön könnte alles sein wenn man zumindest in den historischen Stadtkernen den Transportstandard des Römischen Reichs zurück erlangt werden könnte. Diese Viertel sind für Autoverkehr nicht im Entferntesten ausgelegt und jeder verträumte Bummel durch sie wird durch diese Gefährte enorm geschmälert. Es sollte doch im Bereich des Möglichen liegen, hier kleine Reservate des Fußgängers zu etablieren.
Sprache: „Was soll man schon viel zu Italienisch sagen? Welche Sprache versprüht mehr Charme und Eleganz? Die Sprache der Renaissance, der schönen Künste, bündelt Zärtlichkeit und rohe Kraft gleichermaßen. Schon wenige banale Sätze im Alltagskontext können mit ihrer ungebremsten Kraft wollüstiger Vokale, ihren tanzenden Silben und ihrer ganzen Körperlichkeit den unvorbereiteten Barbaren mühelos niederstrecken.
So man die Ansprüche nur ein wenig senkt, kann man dank der Einfachheit des Italienischen schon beachtliche Anfangserfolge verbuchen. So noch irgendeine andere romanische Sprache im passiven Gedächtniskeller verstaubt, kann diese problemlos angewandt werden. Meine Dialogpraxis – Spanisch sprechen zu probieren und Italienisch versuchen zu verstehen – war jedenfalls fast immer ein voller Erfolg. Auch Englisch ist selbstverständlich immer eine Möglichkeit, doch muss berichtet werden, dass die Kenntnisse in dieser allseits beliebten Weltsprache mit steigenden Breitengraden zusehends sanken.“
Übernachten: Wie eingangs schon erwähnt gehören große Teile Kampaniens zu einer Region, die auf eine mehr als dreihundertjährige, unterbrechungsfreie Tourismustradition zurückblicken kann. Dementsprechend routiniert und souverän fällt hier auch der Umgang mit Fremden und ihren Bedürfnissen aus. Gegenden wie die Amalfiküste sowie die Inseln Ischia und Capri gehören folgerichtig auch zu den auserleseneren Erholungsgebieten und sind dementsprechend teuer. Abgesehen von diesen hot spots finden sich aber beispielsweise im Cilento oder in der näheren Umgebung Neapels preiswerte und geschmackvoll eingerichtete Unterkünfte.
Hunde: „Wie schon bei früheren Besuchen bemerkt, ist die Hundefreundlichkeit in Italien außergewöhnlich. Zumindest aus der Perspektive eines Hundes kann an Italien wirklich wenig ausgesetzt werden. Ungelogen mindestens jeder zweite Passant nimmt von einem Hund in ausschließlich freundlicher Art Notiz. Es wird geschnalzt, gestreichelt und gelächelt, als ob der letzte Hund der Welt auf dem Bürgersteig flanieren würde. Wie selbstverständlich hat man mit dem Hund Einlass in Räumlichkeiten, die ihm sonst (prinzipiell zu Recht) verwehrt bleiben. Die elenden Scherereien die allzu oft bei der Fortbewegung mit Hund aufkommen, verpuffen in Italien wie ein absurder, böser Traum.“
Kulinarik: „… die italienische Küche ist die Beste der mir bekannten Welt. Im italienischen Universum gibt es dabei weit mehr als die beiden Galaxien Pasta und Pizza. Vielfalt, Improvisationstalent und Perfektionismus unterstützt von einer fruchtbaren Gesamtsituation und einer langen, von zahlreichen Kulturbesuchen durchsetzten Geschichte sind die Grundlagen für die Entstehung dieser reizenden Verführerin. Das Wunderbarste ist dabei aber, dass jede Region, ja schon das nächste Dorf hinten am Horizont ureigene Spezialitäten und unbekannte Genüsse im Angebot hat. Das macht jede Italienreise zu einer unkalkulierbaren Entdeckungstour für die Geschmackssinne.“
Ja, so schrub ich ahnungsloser Sklave der Genüsse noch vor einem Jahr. Doch wie mit dem bereits erwähnten Überangebot an Geschichte und Natur verhält es sich in Kampanien auch mit den leiblichen Genüssen, sprich: auch hier wird nochmal deutlich eine Schippe drauf gelegt. Sei es der zentrale Stellenwert, den diese Region seit mehreren Jahrtausenden beansprucht oder die dank Vesuv extrem fruchtbare Erde, welche sämtliche Zutaten mit einem gewissen Extra ausstattet – hier wird selbst jener positiv überrascht der mit den höchsten Erwartungen anreist.
Fangen wir bei dem Grundlegendsten an, der Pizza napoletana. Bevor diese zum Wahrzeichen Italiens wurde, war sie zunächst einmal ein regionales Sinnbild und zwar das von Neapel. 2011 wurde für die Pizza ein Antrag auf Aufnahme in das Immaterielle Weltkulturerbe der UNESCO gestellt. Und ich muss verzweifelt ächzen, selbstverständlich, aber warum erst jetzt? Über die Qualität der Pizza muss sich an dieser Stelle nicht groß ausgelassen werden. Ich halte es für reichlich blasiert zu behaupten, dass es nur in Neapel die einzig wahre Pizza gäbe. Die Qualität ist in dieser Hinsicht südlich der Alpen prinzipiell hoch und wenn man acht gibt kann man sogar nördlich der Alpen bisweilen auf ausgezeichnete Pizza treffen, sogar im Wedding. Doch es muss erwähnt sein, dass das Pizza in Neapel natürlich einen ganz anderen Stellenwert hat und daher kann man unbesorgt an jeder Ecke in in jedem beliebigen Etablissement zugreifen und wird sehr selten enttäuscht.
Ein weiterer mit Kampanien verketteter Geschmacksbaustein ist der Mozarella di Bufala, echter Büffel-Mozarella. Denn aufgrund seines DOP-Status darf eben jener nur hier hergestellt werden.In diesem Falle muss eindeutig gesagt sein, hier handelt es sich keinesfalls um wichtigtuerische Gourmetallüren. Büffel-Mozarella unterscheidet sich in der Tat von der hierzulande allgemein bekannteren Kuh-Mozarella. Er ist in seiner Konsistenz wie Geschmack eindeutig vielfältiger. Der cremige Kern und die leicht salzige Note sind Kriterien, die ihn auch bei diversen Gerichten unterscheidbar von Kuh-Mozarella machen.
Die Tomate gehört unzweifelhaft zu den elementarsten Säulen auf der die italienischen Küche ruht. Kaum vorstellbar wie ein präkolumbianisches Italien kulinarisch existieren konnte, doch das soll hier nicht das Thema sein. Kampanien weiß jedoch auch in Tomatenfragen entschieden aufzutrumpfen. Der fruchtbare Vulkanboten, die intensive Sonne und die frische Meeresluft boten zahlreichen Tomatensorten einen erquicklichen Lebensraum. Allen voran, das Flaggschiff der Tomaterei, die San-Marzano-Tomate. Der Legende nach schenkte sie im Jahre 1770 der König von Peru seinem Königskollegen in Neapel. Diese Flaschentomaten zeichnen sich durch ein intensives, fruchtiges Aroma aus und eignen sich hervorragend für den Salat, da ihr festes Fruchtfleisch nicht zum verwässern neigt und auch Salatsaucen hervorragend annimmt. Als ein weiterer Star der Tomatenszene muss die Piennolo-Tomate bezeichnet werden. Die, überall in Kampanien angebauten Pomodorino del Piennolo (auch pomodorini da serbo, spongilli oder corbarini) werden auf Schnüre gezogen und an den Decken neben Knoblauch- und Zwiebelkränzen das ganze Jahr über aufbewahrt. In diesen Bündeln reifen sie dann langsam, äußerlich trocknen sie, aber im Inneren bleiben sie saftig. So hat der gewiefte Kampanier eine Möglichkeit gefunden, das gesamte Jahr Zugriff auf die Farben, Düfte und Gewürze des Sommers zurückzugreifen. Neben diesen Highlights weiß noch der winzigste Gemüseladen ein zwei weitere Sorten Tomaten feilzubieten, doch ich möchte an dieser Stelle abbrechen, da man mir sonst vorwerfen könnte, dass ich Tomaten auf den Augen hätte.
Nicht Kolumbus sondern die geschätzten Araber brachten die Zitrone an die kampanische Küste. Neben etlichen anderen Sorten, welche in Italien aus diesem Präsent gezüchtet wurden, sticht die Sorrent- sowie Amalfizitrone heraus. Es sind riesige, sonnengelbe Früchte die einem bei jedem Marktbesuch verführerisch anblinzeln. Sie haben eine ungewöhnlich dicke Schale, welche reich an ätherischen Ölen ist, die wiederum gegen eine ganze Batterie an Krankheiten helfen soll, außerdem enthalten diese Zitronen mehr Vitamin C als alle anderen Zitronen. Ihren praktischen und auf den ersten Blick ersichtlichen Nutzen erhalten sie in der Küche: Nudelsaucen, Fischwürzung und Backwerk – überall trifft man auf die sauren Ergebnisse dieser Riesenzitrone. Doch die wohl entscheidendste Bedeutung kommt ihr bei der Gewinnung von Limoncello, dem über allem thronenden Likör Kampaniens, zu. Wenn ich es bislang noch nicht bemängelte, so sei es hiermit nachgetragen: die Perfektion der leiblichen Genüsse Italiens krankte in meinen Augen bislang an Bier und Schnaps. In diesen Kategorien meinte ich bislang nichts Herausragendes zu entdecken. Dabei bleibt es auch bis auf weiteres. Zweifellos ist dies zutiefst subjektiv, doch Limoncello hat meine Gaumen nicht erobert. Dennoch ziehe ich meinen Hut vor der leidenschaftlichen und engagierten Art wie hier mit besten Zutaten jongliert wird um einen Schnaps zu kreiiren, der offensichtlich einer großen Anzahl von Menschen über alle Maßen mundet.
Da wir dieses Mal wenig essen gingen, sondern lieber selber kochten, verweise ich auf diese Liste der Top 10 der Regionalgerichte Kampaniens, welche nach besten Können und mit ehrgeizigsten Absichten versuchte nachzukochen. Für den leichten Einstieg in die hiesige Küche kann ich Spaghetti con le vongole, Parmigiana di Melanzane sowie Pesce all’Aqua Pazza empfehlen. Selbst ein Risotto gelang mir hier und zwar das hier empfohlene Risotto alla Pescatora. Die hier ebenso aufgezählten Spezialitäten Pizza, Totani al Patate sowie Polpette empfehle ich in einem vertrauenswürdigen Lokal zu ordern, denn dies sind Gerichte für die eindeutig Erfahrung nötig sind, die bei einem Kurzurlaub selten zu gewinnen sind.
Zum Thema Wein fühlte ich schon während des Tippens Kapitulationsregungen. Wie bei jeder anderen Region Italiens wäre dies eigentlich nur mit einem eigenen Artikel zu bewältigen. Als Basisgepäck daher nur folgendes: Die grundlegenden Rebsorten vor Ort sind Falanghina (weiß) und Piedirosso (rot). Unter dieser Beflaggung erhält man in Kampanien überaus vorzügliche Weine. Im Weißweinsegment kann man dann auch Falanghinas entdecken, die mit Biancolella oder Greco verschnitten sind und nicht minder delikat sind. Einen Wein den man, wenn man in der Gegend ist, unbedingt kosten sollte, ist der Falerner. Dieser Wein gehörte im Römischen Reich zu den beliebtesten und ist mit gewissen Abstrichen auch heute noch zu genießen. Heute wird dieser Wein ausschließlich in Falerno del Massico angebaut und gilt als modernes Pendant des antiken Falerners.
Schöne Orte (selbst besehen)
Neapel! Ach Neapel. Neapel sehen und sterben. Neapel gilt seit jeher als magischer Ort, ein auf die Erde gefallenes Stück Himmel. Und dennoch scheidet diese Stadt die Geister. Die Meinungen gehen hier von offener Abscheu bis hin zu fanatischer Vergötterung. Die unumstrittene Hauptstadt des Mezzogiorno ist daher offensichtlich ein komplexer Fall. Lasst mich die Beschreibung dieser Stadt mal etwas unorthodox versuchen. Stellen wir uns einfach vor, du betrittst eine Küche, die in irgendeiner Weise deinem Verantwortungsbereich unterstellt ist. Die betreffende Räumlichkeit befindet sich auf den ersten Blick in einem miserablen Zustand, der Abwasch türmt sich bedenklich, der Mülleimer ist voll, alle Arbeitsflächen sind fleckig und schreien nach Zuwendung. Doch auf dem Tisch zwischen all dem Schmutz blinzelt dich ein Buch an, dass du schon immer lesen wolltest, aber aus Gründen nie von dir genossen werden konnte. Wenn du dir jetzt notdürftig Platz schaffst und dich völlig selbstverständlich setzt und anfängst zu lesen, dann wird dir Neapel nicht nur gefallen, du wirst es lieben!
Es ist der allgegenwärtige Schmutz und Lärm, die eng aneineinander gerückte Architektur und die dunkle Patina des Verlebten, die viel zur Unbeliebtheit Neapels selbst bei unvoreingenommenen Besuchern der Stadt beiträgt. Und damit haben sie völlig Recht. Neapel ist eine laute, chaotische, schmutzige Stadt. Wer lichte Renaissancemetropolen wie Florenz, filigrane Lagunenstädte wie Venedig oder mondäne Weltnabel wie Mailand mag, wird hier zumindest irritiert zurückschrecken. Dass ich über all das nicht nur hinweg blicken kann, sondern es sogar direkt anschauen kann ohne in diese Reflexe zu verfallen, habe ich zwei lang geschätzten Freunden zu verdanken: Der Geschichte und dem Fußball. Das Interesse und die Leidenschaft für Geschichte ermöglicht mir die Sicht auf eine zusammenhängende Altstadt in einer Größe (vertikal wie horizontal) die in dieser Form ihresgleichen auf dem Planeten sucht, zu erkennen. Abseits des Wissens darum, dass in den letzten zwei Jahrtausenden hier fast alles um-, ab- und überbaut wurde, kann man sich mit etwas Augen-zusammen-kneifen des Eindrucks nicht erwehren, durch eine echte Großstadt des Römischen Imperiums zu promenieren. Und in dieser Hinsicht hilft sogar all der Müll, die diversen Geruchsschwaden und der Lärm (abgesehen wie gesagt von den Motorgeräuschen), denn die Plebejerviertel der Antike waren nicht saniert und für Touristen aufgehübscht. Die unmittelbar erlebbare Authentizität (dieser abgenutzte Begriff darf hier ausnahmsweise ohne Scham verwendet werden), dieses Gefühl, winzigstes Teilchen einer Stadt zu sein, die seit über 2500 Jahren einfach nur da war, ließ mich überlaufen vor Glück. Zum Thema Fußball sei nur kurz angefügt: SSC Napoli und Maradona. Wenn man Ende der 80er den Fußball entdeckte, kam man hieran nicht vorbei und eine Stadt die so etwas der Menschheit schenkte kann einfach nicht von grundauf schlecht sein.
Als wir durch zähe Wolkenschwaden an einem Dezembermorgen an den Hängen des Vesuvs emporwanderten, konnten wir uns nicht einigen: Ist der Vesuv wohl der berühmteste Vulkan? Ist er im Allgemeinwissen am nachhaltigsten verankert? Ich meine schon. Zwar ist der Ätna deutlich aktiver und dementsprechend häufiger in den Nachrichten und dieser isländische Vulkan sowieso, aber dessen Namen wird niemals präsenter sein, auch wenn er den Flugbetrieb noch dreimal lahmlegen sollte. Vulkane außerhalb Europas wie der Krakatau oder Mount St. Helens können maximal einen schwachen Nachhall im kollektiven Gedächtnis verbuchen. Nein, der Vesuv ist DER Vulkan. Majestätisch thront er über Neapel (in welcher Stadt der Welt kann man inner halb einer Stunde mit den öffentlichen Verkehrsmitteln vom Hauptbahnhof bis zum Krater eines aktiven Vulkan gelangen?) Doch der Vesuv ist nicht allein seiner berühmten Ausbrüche wegen bekannt und einen Ausflug wert. Eine Wanderung auf diesen Vulkan ermöglicht nicht nur einen intensiven Blick in die geologische Intimsphäre unseres Planeten, sie gestattet auch einen Ausnahmeausblick auf all das Schöne um einen herum.
Und wer Vesuv sagt muss auch Pompeji sagen. Auch wenn ich hier ausdrücklich davor warnen möchte, die augenscheinliche Nähe von beiden zum Anlass zu nehmen, beide Ziele an einem Tag absolvieren zu wollen. Pompeji war eine antike Stadt, die bei dem wohl bekanntesten Ausbruch des Vesuvs 79 n.u.Z. komplett verschüttet wurde. Hiernach machte man sich nicht die Mühe, die Stadt wieder aufzubauen und nach dem Zusammenbruch des Römischen Reichs geriet das Wissen um Pompeji mählich in Vergessenheit. erst im 18. Jahrhundert erinnerte man sich wieder an die untergegangene Stadt und begann sie stückweise auszugraben. Heraus kam dabei Stück für Stück eine der am besten erhaltenen Ruinen-Städte der Antike. Die schier unüberschaubare Größe der Stadt und der erstaunliche Reichtum an erhaltenen Details sollten jeden Besucher in seinen Bann ziehen. Die Ausmaße des Besichtigungswürdigen ist derart gewaltig, dass ich das anfangs belächelte 3-Tagesticket (€15) für ein durchaus sinnvolles Angebot erachte (Tagesticket €10), so man die Zeit hat.
Eine weitere außergewöhnliche Anhäufung unbedingt zu besichtigender Geschichte ist Paestum. Diese ehemalige blühende griechische Kolonie wurde von den Römern übernommen und geriet nach deren Abgang recht schnell in Vergessenheit. Die mächtigen Tempelanlagen überlebten die Jahrhunderte und stehen heute in ihrer ganzen Pracht zum Bewundern zur Verfügung. Ein ideales Tagestourziel, welches mitsamt Museum und Touristen-Feierabendwein in dem kleinen Städtchen leichterhand zu absolvieren ist.
Schöne Orte (noch unbesehen)
Die Amalfi-Küste gehört zweifellos zu den Filetstücken Kampaniens. Wie eingangs schon erwähnt spiegelt sich dies naturgemäß auch in der Preislage vor Ort wieder. Auch die infrastrukturelle Anbindung, die eigentlich nur eine Erschließung per Auto sinnvoll erscheinen lässt, macht eine Entdeckung dieses entzückenden Küstenstreifens recht aufwändig. Das sollte jedoch nicht davon abhalten sich bei bietender Gelegenheit dieses Stück Bilderbuchitalien zu gönnen. Entlang des Golfs von Salerno ziehen sich, an den Fels geklebt, einer Perlenkette gleich, kleine Städtchen die in Sachen Liebreiz und Idylle auf nahezu absurdeste Art miteinander konkurrieren. Positano, Ravello, Vietrisul Mare und natürlich Amalfi sind hier nur die namhaftesten Adressen.
Die Prominenz der bereits beschriebenen Glamourruine Pompeji ist die Ursache, dass Herculaneum ein ungerechtfertigtes Schattendasein fristet. Herulaneum wurde genauso wie Pompeji durch den gleichen Vulkanausbruch verschüttet und ist dementsprecht genauso gut erhalten und zu besichtigen. Sie ist zwar etwas kleiner und zu römischen Zeiten auch nicht ganz so bedeutend wie das legendäre Pompeji, dennoch: wenn anderswo eine Ruinenstadt wie Herculaneum entdeckt würde, wäre sie definitiv eine Sensation. So aber steht sie wohl für alle Zeiten in der zweiten Reihe der antiken Sehenswürdigkeiten Kampaniens. Dabei könnte die Kompaktheit und die geringere Bedeutung für eine Besichtigung durchaus Vorteile bieten. Ein geringerer Touristenansturm und eine überschaubarere Fläche könnten einen Tagesausflug nach Herculaneum auf jeden Fall schmackhaft machen.
Und natürlich die Inseln: Capri, Ischia und Procida. Zumindest die ersten beiden sollten den meisten ein Begriff sein. Ischia hat in meinen Augen das meiste zu bieten. Die größte Insel im Golf von Neapel ist vulkanischen Ursprungs und hat mit dem Monte Epomeo (779m) auch einen nennenswerten Berg auf der Habenseite. So hat Ischia neben einer spannenden geologischen Visitenkarte auch Thermalbäder, lecker Kaninchen, feinste Strände und natürlich jede Menge antiker Steinhaufen im Angebot.
Capri dagegen gilt wohl unumstritten als monänste Insel des Mittelmeers. Der Klang ihres Namens löst nicht nur Schlagermelodien aus, sondern ruft Nostalgie und Schwärmerei hervor. Schon seit frühesten Zeiten war die immergrüne Insel vor Neapel ein populärer Ort für Entspannungssuchende und Sommerfrischler. In jüngerer Vergangenheit wählten die unterschiedlichsten Figuren Der A-und B-Prominenz die Insel als Domizil aus. Rilke, Gorki, Bacon und Debussy fühlten sich hier wohl und mehrten den Ruf der Insel als auserlesene Insel der Seeligen. Zweifellos ein lohnenswerter Ausflug mit Garantie auf jede Menge Wohlklang für die geplagten Seelen des Nordens.
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