Nicht einmal 140 Jahre später wollten 5 wissensdurstige Ausflügler bei gräulichstem Novemberwetter auf den Geleisen jener ersten preussischen Staatsbahn nach Strausberg gelangen und müssen sogleich erfahren, dass das was als das Grundsätzlichste dieser Exkursionen verstanden wird, nämlich ausdauerndes S-Bahnfahren, keinesfalls so selbstverständlich ist. Zwischen Fredersdorf und Strausberg ist die gute alte Staatsbahn unterbrochen. So bleibt nur die Regionalbahn ab Lichtenberg oder der Ersatzverkehr ab Fredersdorf. Wir entscheiden uns zunächst für die Regionalbahn Richtung Kostrzyn nad Odrą und stehen kurze Zeit später auf einem grauen Bahnhof, welocher sich unzweifelhaft in Strausberg befindet. Nur wo genau?! Einige Minuten ist die Reiseleitung offensichtlich verwirrt. Strausberg Nord, Strausberg Stadt oder Strausberg Vorstadt? Zumindest dies nahm wohl jeder von diesem Wandertag mit: Für seine Größe hatte dieses Städtchen hat eine irrwitzig hohe Anzahl an Bahnhöfen. Schließlich machte sich jedoch die schreckliche Gewissheit breit – wir waren in Strausberg Vorstadt. Tapfer bestiegen wir umstandslos den Bus des Erstazverkehrs und fuhren gen „Stadt“. Zweimal umsteigen und zu guter letzt auch noch abseits der Schienen reisen – so hatte ich mir die S-Bahn-Themenabende nicht vorgestellt, aber egal!
Voller Hoffnung und Vorfreude sprangen wir vor den Toren der Altstadt aus dem Bus und fielen umstandslos in unsere vorgesehene Stelllung als übereifrige Brandenburgtouristen. Enten wurden bestaunt, verrottete Stadtmauern inspiziert und Fotos gemacht. Unser Weg führte uns durch ausgestorbene Straßen zum Straussee und von da zu einem der wenigen geöffneten Etabilssements – dem Café Kunze! Hier blieben dann auch keine Wünsche offen. Nach Leckereien wie einer soliden Erbsensuppe oder harmonisch abgestimmten Genusskompositionen wie „Kaffee Mexikanisch“ (Hälfte Kaffee, Hälfte Schokolade, Sahne) ging es zum erklärten Höhepunkt des Tages: der einzigartigen Seilfähre über den Straussee! Die verschiedenen touristisch ausgerichteten Propagandaorgane (besagte Speisekarte und der öffentliche Schauplan Strausbergs) überschlugen sich förmlich ob dieses Verkehrsmittels. Das Besondere an ihr ist, dass sie per elektrischer Oberleitung angetrieben wird. Ob dies tatsächlich einmalig in Europa ist, wie in Starausberg vielfach behauptet, solllen andere herausfinden, wir hatten in jedem Fall viel Spaß bei der feuchtkalten Überfahrt. Es stellte sich sofort diese Tatort-Atmosphäre a la „mürrischer-Kommissar-auf-dem-sonntäglichen-Weg-in-abgelegenes-Altenheim-um-Tod-von-exaltiertem-Büromittelmagnaten-aufzuklären“. Sehr schön. Nach erfolgreichem Überholen spazierten wir am Ufer des Straussees bis es dunkel wurde und wir ähnlich müselig wie bei der Anreise den Weg zurück ins geliebte Berlin fanden.
Dort angekommen versammelten wir uns um einen Topf mit brodelnden Käse und beschlossen den Wanderausflug mir viel Gekicher und Gegacker.
Was sonst noch geschah:
Trotz übereifriger Suche grelang es uns nicht, die vielbesungene Energiearena zu finden. Doch auch ohne uns gelang den unsrigen eine überzeugender Sieg gegen die Randbrandenburger (3:1). Somit ist der Abstiegskampf wohl vorerst aufgehalten – ein souveräner 10. Platz spricht dann doch eine deutliche Sprache.
Und nächste Woche lockt Ahrensfelde. Wie oft habe ich dieses Wort auf S-Bahnen prangen sehen. Und schon in wenigen Tagen ist es soweit, Illussion und Wirklichkeit werden sich in einem entzückenden Sonntag
(Achtung: abweichender Termin. Diesmal nicht am Sonnabend, sondern am Sonntag!) zusammenfinden. Freudig erregt verweise ich hier nur auf die Worte des ausgewiesenen Peripherievetranen André, welche an unserem Provinzstammtisch im Cafe
Kunze mit folgender exzellenten Darstellung poussierte:
„Warst du schon mal in Ahrensfelde?! Da ist nichts! Rein gar nichts…“