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Und es begab sich, 124km vor dem ersehnten Basiscamp in Bosnien, dem mythisch aufgeladenen Ziel, welchem wir nun schon seit den wüsten Tagen Marokkos entgegensteuerten, dass das dünnste Glied der Kette riss, bzw. nicht der Kette, oh nein, es handelte sich um einen Riemen! Natürlich waren wir uns immer des Risikos eines Riemenantriebs bewusst. Klar, kein Schmutz, flüsterleise und pflegearm, aber wenn er denn reißt dann steht man mutterriemenallein auf weiter Flur mit dieser brandneuen Technologie. Deshalb fährt man selbstverständlich nicht ohne Ersatzriemen los. Doch leider leider wurde eben jener bereits in Marokko verwendet.
Was also tun? Die kümmerliche Hoffnung, vielleicht doch einen Ersatzriemen erwerben zu können, zerstob nach unzähligen Telefonaten mit Fahrradläden in Karlovac, Zagreb, Ljubljana, ja sogar Trieste. Nach Abwägung aller übriggebliebenen Optionen entschieden wir uns schließlich für die einzig logische und gleichermaßen irrste Variante: Wir beschlossen, die natürlichen Gegebenheiten des Balkans auszunutzen und antriebslos, mit ein wenig Schiebung nach Bosnien hinunterzurollen.
Und es begann… ein unsterblicher Triathlon aus Schieben, Rollen und Fluchen.
Stunde 0
Vor einer knappen Woche waren wir vom Hinterhof Venedigs aufgebrochen um in 10 Tagen die Vorgärten Bosniens zu erreichen. Ausnahmsweise hatten wir dieses Mal Terminstress: Unser Nachtzug, welcher uns für wenige Tage nach Mitteleuropa bringen sollte, war fest terminiert und duldete keinen Aufschub.
Wir waren weit gekommen und lagen deutlich über dem Plan. Die übelsten Berge hatten wir hinter uns, nur noch etwas über 100km bis zum Ziel, gut anderthalb Tage Fahrt für uns. Wir freuten uns auf eine lässige Einreise ins heiß und innig vermisste Bosnien, doch dann geschah es – die schlimmste aller anzunehmenden Pannen. Riemenriss. Es war weder zu reparieren noch zu ersetzen – Ende Gelände!
Zumindest war der Ort des Geschehens, Bosiljevo, nicht allzu übel: Eine Kneipe, ein Konsum, eine Feuerwehr (wo wir all unser Zeug hätten lassen können, wie uns angeboten wurde) und ein EM-Gruppenspiel bei dem unser Gastgeber mit wenig Eleganz und reichlich Pech ausschied. Nach langem Hin und Her entschieden wir uns für die Wahnsinnsaktion mittels Schieben und Rollen unser Ziel zu erreichen. Die Rechnung war so banal wie trostlos: Wir hatten maximal fünf Tage, also müssten wir täglich nur etwas über 25km schaffen. Das wäre schon zu Fuß machbar, doch wir hatten ja noch den Vorteil des rasanten Herunterrollens auf unserer Seite.
Tag 1
Die 1.Etappe der „Reiß-dich-am-Riemen-Tour“: 34km (19km geschoben, 15 gerollt) Nur noch 88km!
Wenigstens spielte das Wetter mit. Es schüttete in unregelmäßigen Abständen und blieb größtenteils regenverhangen und grau. Dafür war die Region hier genauso wie erträumt. Jede Menge berührte Natur, so menschenleer und autofrei wie lange nicht mehr.
Dementsprechend selten trafen wir auf Kommentare oder Blicke ob unseres merkwürdigen Treibens. Natürlich aber auch, weil der fehlende Riemen, auch wenn er noch so wichtig war, auf den ersten Blick leicht zu übersehen ist. Zudem waren schiebende, schwer bepackte Radfahrer aus einheimischer Sicht sowieso als irre klassifiziert, da hätte, so man es bemerkt hätte, das fehlende Antriebselement wahrscheinlich auch nicht viel mehr Aufregung verursacht. Mitten in dieser aufgegeben wirkenden Kulturlandschaft fanden wir zum Abend ein leerstehendes Haus auf dessen Veranda wir unser Nachtlager aufschlugen. Der riemenlose Teil der Radsportgruppe fiel umgehend in tiefen, erlösenden Schlaf.
Tag 2
Die 2. Etappe der „Reiß-dich-am-Riemen-Tour“: Von der Korana bis Bogovolja (bosnische Grenze) – 42km (24km geschoben, 18 gerollt)
Die heutige Etappe war nicht zu vergleichen mit dem gestrigen Tag. Nachdem die Korana überquert war, mussten wir uns über 15km auf einer heftigst befahrene Straße bis nach Slunj quälen. Zudem war die Steigung sehr schwach, so dass sich selten längere Abfahrten ergaben. In Slunj hatten wir kaum Augen für diese pittoreske Stadt, die scheinbar nur aus Mühlen und Wasserfällen bestand. Wir schuben, beseelt von letzter Hoffnung unsere Räder zu der hochgelobten Autowerkstatt „Auto Nina“ und erhielten hier jede Menge Mitleid, technische Unterstützung und Bier. Eine Lösung für ein derart exotisches Problem überstieg aber die Improvisationsmagie des Meisters, was ihm sichtlich zu schaffen machte. Aga Lopp ließ nicht locker und versuchte den gerissenen Riemen mit Gaffer zu reparieren. Es brachte 5km vorsichtige Normalität, dann waren wir wieder die gleichen abgerissenen Gestalten.
Dennoch schafften wir an diesem Tag spektakuläre 42km. Die Chance, heute noch die Grenze zu erreichen mobilisierte ungeahnte Kräfte. Doch die Begeisterung über diese spektakuläre Leistungssteigerung wurde vor Ort von der ernüchternden Erkenntnis geschmälert, dass wir bei einen Grenzübergang angekommen war, der ausschließlich für die lokale Bevölkerung reserviert war. Damit schnellte das Restpensum plötzlich von heiteren 50km auf deprimierende 82km. Es fühlte sich nicht nur so an als wären wir nur 6km gefahren… Im Endeffekt war es auch so. Und in diesem Augenblick setzte wie zum Hohn ein infernalisches Gewitter ein. Glücklicherweise hatten wir auch an diesem Abend ein festes Dach über dem Kopf. Mal wieder ein leerstehendes Haus, dieses Mal sogar ein opulentes Restaurant mit allem was man für einen frustrierten Abend braucht.
Tag 3
Die 3. Etappe der „Reiß-dich-am-Riemen-Tour“: Von der „Grenzstation“ bis zur Una – 84km (18km geschoben, 16 gerollt und 50 getrampt)
Die Motivation, diesen Riesenschlenker für den „richtigen“ Grenzübergang anzugehen, hielt sich in Grenzen. Dementsprechend zäh ließ sich der Tag an. Heftiger Anstieg zu Beginn, dann größtenteils Abrollen zur Grenzstation. Der nervtötende Teil begann dann erst in Bosnien. Stark befahrene Straßen ohne große Steigungen, da es sich elegant in einem Flusstal herumschlängelte. An und für sich sind solcherlei Strecken in einem so bergigen Land wie Bosnien ja ein unerhörter Leckerbissen, aber mit unserer aktuellen Behinderung war es natürlich ein Graus. Wir ließen es sogar auf noch einen Versuch ankommen und setzten die bosnischen Automechaniker auf unser Problem an. Wir kamen einer Lösung so nah wie nie zuvor, denn es wurden etliche Autoriemen probiert und geprüft, doch letztlich kapitulierten auch diese, bis zum Bersten hilfsbereiten Schrauber von „Auto B.H.S.“ Und auch ihnen sah man an wie sehr sie darunter litten, dass all ihre Improvisationsmagie in diesem Falle wirkungslos verpuffte.
Und so krochen wir bei brennender Sonne weiter auf unser Ziel zu. Dank des Grenzübergangmalheurs hatte sich unsere Gesamtstrecke von den anfangs anvisierten 124km auf 147km erhöht, von denen wir nach erfolgreichem Grenzübertritt immer noch 58km zu bewältigen hatten. Es war einfach nur noch frustrierend. Wir waren mental wie physisch ausgelaugt und schleppten uns lustlos dahin. Und so schweiften unsere Blicke immer häufiger auf mögliche Mitfahrgelegenheiten. In Mala Kladuša, 5km hinter der Grenze, sahen wir dann einen Pritschenwagen, sprachen den Fahrer an und dieser sagte ohne mit der Wimper zu zucken, ja. Und zwar ja, bis zum Ziel. (Wir hatten uns maximal 10-20km erhofft!) Was sagt man dazu?! Kaum in Bosnien schon findet sich ein Menschenfreund, der uns ohne Bedingungen bis zum Camp mitnimmt. Schön wenn Klischees auch mal stimmen. Bosnien, wir lieben dich! Hier bleiben wir jetzt erstmal etwas länger. Während sich ein paar Kilometer westwärts die Erholungswerktätigen eng an eng an die heillos überfüllte Adriaküste schmiegen, werden wir hier ein paar schöne Wochen in schattigenb Wälder und munter sprudelnden Bergflüssen verbringen. Das Hauptsaisonüberbrückungsdomizil ist eröffnet.
Und weil es so schön war, fasse ich nochmals alles mit trockenen Zahlen zusammen: Ohne Riemen aber mit vollem Gepäck waren es letzten Endes stolze 110km, davon 59km geschoben und 51km gerollt. Danke Bosnien, dinarisches Gebirge und allen restlichen Beteiligten für die 51km!
Das ist ja mal ein cooles Reisekonzept!
Und interessant, wie anders man plötzlich auf flache Straßen blickt.
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