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- Von tschechoslowakischen Höhen und Tiefen
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- Über idyllische Plattitüden und endloses Grün
- Über das januszipfelige Istrien
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- Reisen nach Zahlen – 100 Tage
- Von einer die auszog das Fürchten zu verlernen
- Der italienischen Reise erster Teil
- Die besten Gerichte von draussen
- Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (3) von Basilikata bis Wildschwein
- Der italienischen Reise zweiter Teil
- Der italienische Reise dritter Teil
- Einblicke ins Reisetagebuch
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- Reisen nach Zahlen – Tag 200
- Währenddessen in Afrika
- Così fan i tunisini
- Eisenbahnfahren in Tunesien
- Von Menschenhaufen und anderen Platzhengsten
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- Tunesien – auf der Suche nach der Pointe
- Reisen nach Zahlen – Tag 300
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- Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (6) von Asinara bis Tafone
- Kleine, feine Unterschiede
- Im Autokorsika über die Insel
- Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (7) von Elba bis Tarasque
- Fahrradfahren (u.v.m.) wie Gott in Frankreich – erste Eindrücke
- Jahrein, jahraus, jahrum
- Ausrüstung für Langzeitreisende – ein paar grundlegende Gedanken
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- Querfeldein und mittendurch – Frankreich vom Rhein bis zum Atlantik
- Wissensstrandkörner aus dem Reisewatt – Gezeiten-Sonderausgabe
- Ratgeber: Radfahren auf dem EuroVelo 6 (Frankreich)
- Projekt-Radria-Gleiche (Tag 426)
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- Reisen nach Zahlen – 500 Tage
- Kopfüber durch Portugal und zurück
- Aus dem Reiseplanungslabor: Arbeitskreis Westafrika
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Als wir vor hundert Tagen im trubeligen Fès saßen und recht mittelbegeistert auf die kommende Phase religiös verordneter Teilzeitaskese blickten, ahnten wir noch nicht wie absurd und außergewöhnlich die nachfolgenden hundert Tage sein würden. Eine familiäre Ausnahmesituation machte unsere Anwesenheit in Dresden dringend erforderlich und so wurden wir innerhalb von wenigen Stunden in eine Welt geschleudert, die wir, wie der Titel vermuten lassen könnte, weit über 600 Tage nicht mehr erlebt hatten. Nach knapp zwei Jahren kehrten wir für drei Wochen zurück in unsere ehemalige Lebenswirklichkeit und standen der Absurdität der Situation erst einmal recht hilflos gegenüber. Doch schließlich gewöhnte man sich überraschend schnell wieder an fast alles und so war diese unerwartete Rückkehr mitten in der großen Reise vielleicht ein ganz nützlicheer Realitätsabgleich, der uns für die echte Rückkehr irgendwann etwas wappnen könnte.
Aber weg mit derlei wackeligen Vermutungen, hin zu der knallharten Welt trockener Reisestatistiken. Wie an Tag 600 ja schon zähneknirschend akzeptiert, sprangen wir kurz vor dem nächsten Tausender rüber nach Afrika. Dementsprechend schnell klingelte es erstmals bei 15.000km (der Standort irgendwo im Antiatlas ist natürlich nur mit gehöriger Buskutscherei zu erklären). Auch die 16.000 ließen wir noch in Marokko. Interessanterweise traf diese mit mehreren, anderen Zäsuren zusammen: Einerseits unseres neuen Allzeit-Südlichkeitsrekords (28°59N) sowie andererseits unserem Abschied von einem unserer tiefgründigsten Freunde, dem Atlantik. Die 17.000 erreichten wir dann schon in Norditalien und zwar, wie es der Zufall wollte, kurz vor meiner Namenspatenstadt, dem entzückenden Alessandria.
Ein wenig überraschend, doch der lange Aufenthalt in Dresden führte keineswegs zu einem Sieger in der Kategorie „eingeladen, wohnen“ bei diesem Hunderter. Dafür waren die Campingplätze in Marokko zu preiswert und zu obligatorisch. Wildzelten kam erst wieder in Europa so richtig in Schwung und wurde hier dann auch exzessiv betrieben. Transportnächte gab es aufgrund des gewaltigen Sprungs aus der Wüste nach Südfrankreich natürlich auch mehr als üblich. Ach, und falls mal wieder Fragen aufkommen sollten, was wir unter „schwarzzelten“ verstehen: Die Nutzung eines kommerziellen Campingplatzes ohne gültigen Fahrschein, sprich: ohne zu bezahlen. Ja, so sind wir. Moralisch komplett verkommene Subjekte.
Trotz der mehrwöchigen Unterbrechung – währenddessen unsere getreuen Räder fern von uns, südlich von Agadir auf uns warteten – Radtage stehen ganz vorne in den Tagesbeschäftigungsstatistiken für diesen Hunderter. Allerdings sehr verräterisch gefolgt von Entspannungstagen. Tatsächlich war der gesamten Aufenthalt in Dresden nominell Entspannung, was im Rückblick wirklich mehr als absurd wirkt, aber leider fehlt in meinem Sortiment eine Kategorie um derlei Tage abzuheften. Der bedeutsame Anstieg von Transporttagen erklärt sich dementsprechend von allein. Doch nicht nur unsere kurze Reiseunterbrechung sorgte für diesen Anstieg, auch auf der eigentlichen Reise wurde mächtig transportiert. Allein unser Trip von dem nahen Grenzgebiet zur Westsahara bis nach Okzitanien erforderte einige Tage und Nächte mit Schiff und Bus.
Die Zahl des Taghunderts
5
Erstmals auf dieser Reise trennten wir uns. Ganze fünf Nächte schliefen wir allein, hunderte Kilometer voneinander entfernt. Ein sonderbares, aber im Endergebnis wohltuendes Erlebnis. Jeglicher Streit, jedwede Genervtheit verliert sich im Verlust und in der Distanz. So einen Urlaub von der Verpaartheit sollten wir uns definitiv häufiger mal gönnen.
Insgesamt: 17.700km – Stunden 1.237
Das wären demnach respektable 2741km für die letzten hundert Tage. Das ergibt bei 41 Radtagen den stolzen Schnitt von 66,8km pro Tag. Eine deutliche Leistungssteigerung zum vergangenen Winterhunderter (57,8km) und ein Allzeithoch dieser Reise. Nie fuhren wir mehr. Das kommt dann doch ein wenig überraschend. Andererseits: mein erster Hundert-Kilometer-Tag und zwei, drei Fast-Hunderter geschahen in diesem Zeitraum. So gesehen…
Liegengeblieben
- Kopfkissen – es muss in Marokko geschehen sein, irgendwo kurz vor Agadir. Keine Ahnung wie, aber so ist es ja allzu oft mit den verlorenen Dingen – sie sagen selten Adieu. Doch der Verlustschmerz war gering. Es handelte sich um ein gutgemeintes Geschenk für die vielen Nächte im Freien. Doch letztlich bleibe ich seit meinen ersten Tagen im Zelt dahingehend erschreckend anspruchslos. Ein beliebiges Kleidungsstück genügt mir.
- Zahnpasta – ein Dorf, ein Brunnen, ein Morgen irgendwo im dunstigen Zwielicht der Po-Ebene. Kurze Wäsche, Zähne putzen – automatisierte Prozesse zu Tagesbeginn. Irgendwie muss die Zahnpasta daneben gerutscht sein, unbemerkt daneben gefallen sein – keine Ahnung. Auf jeden Fall bemerken wir mit vorsichtiger Genugtuung und eher unerfrischten Atem, dass die Verluste immer unbedeutender ausfallen. Toitoitoi!
- Fahrradhelm (inklusive Unterhose und Handtuch) – das musste dann unbedingt noch passieren. Exakt am Morgen von Tag 700 ließ ich meinen Helm irgendwo bei unserem Übernachtungsplätzchen liegen. Kein großer Verlust (wollte es schon fast unter den Tisch fallen lassen) Den Helm kaufte ich für €1,95 in Spanien, weil es das einzige mir bekannte Land mit Helmpflicht für Radfahrer ist. Das Handtuch fand ich vor Ewigkeiten selbst irgendwo, es scheint sich also eher um ein Wandertuch zu handeln. Am stärksten war der Verlustschmerz tatsächlich bei der Unterhose ausgeprägt. Sie war erst wenige Tage alt und saß perfekt.
Sonstige Wegmarken
- Die kurze Stippvisite in der Ersten Welt beseitigte selbstverständlich einige Bedürfnisse materieller Natur, die auf den Basaren zwischen Agadir und Tanger nicht nicht ohne weiteres aufzutreiben waren. Zum Beispiel ein neuer Sattel. Das soll natürlich nicht heißen, dass sämtliche marokkanischen Radfahrer sich stehend durchs Land mühen müssen. Natürlich gibt es Sättel in Marokko, aber nicht denjenigen, den ich begehrte. Ich bin seit jeher, ein leidenschaftlicher Fan von Ledersätteln, doch ich hatte erneut irgendetwas bei der Pflege falsch gemacht und so war auch dieser Sattel bereits nach gut zwei Jahren durchgesessen und ließ sich nicht mehr anspannen. Daher entschied ich mich für das Kunststoffmodell (C19) aus dem Hause Brooks und bin nach einiger Tüftelei bei der Feinjustierung ganz angetan von diesem Modell.
- Auf einer staubigen Wüstenstraße wie der unten abgebildteten geschah es dann endlich: Nach knapp zwei Jahren Fahrradfahren fiel ich das erste Mal um. Ich schätzte die Tiefe einer dieser Sandverwehungen falsch ein, verkeilte das Vorderrad und fiel abrupt über meinen Lenker. Glücklicherweise war ich recht langsam gefahren und so hielt sich der Schaden in Grenzen. Ein Kratzer am Knie, einen am Fuß, ein Riss im Hemd. Wir verarzten mich notdürftig und hatten dabei alle Hände voll zu tun die zahlreichen Hilfsangebote, der vorbeifahrenden Marokkaner abzuwehren. Damit steht die interne Unfallstatistik nun 1:1. Hoffen wir mal, dass es dabei bleibt.
Ausgetauscht – Die Ewige Tabelle
Eigentlich hatte ich vor, in diesem Abschnitt mal eine komplette Liste aller Dinge zu präsentieren, die auf unserer Reise bereits ausgetauscht wurden, allein mir fehlte der nötige Fleiß hierfür. Vielleicht nächstes Mal.