Es ist an der Zeit den Begriff der Peripherie neu zu bestimmen. Schon nach der S-Bahn-Epoche gewann der Gedanke Raum, dass man größer denken müsse. Brandenburg, so unsere blutarme Perspektive, müsse es sein. Ein knappes Jahr später sind wir schlauer. Die wahre Peripherie liegt im Osten. Dort wo Autobahnen noch für Panzer gedacht sind, wo das Bier hochprozentig und der Wodka mitfühlend ist, die Sprache sanft zischelnd ins Ohr gleitet und Wangenknochen zum Träumen einladen.
Dieser Teil der Peripherie wird oftmals Polen genannt. Doch das spielt keine allzu bedeutende Rolle. Mehrfach entdeckten wir in diesem Jahr jenes Land, welches sich durch ein elegant verschachteltes System von verschlungenen Landstraßen um ein Vielfaches vergrößert. Themen dieser Ausflüge waren Häuserabriss und Wildschweinverzehr. Nähern wir uns also erst der Arbeit und dann dem Vergnügen.
Dieses wunderschöne Haus sollte dem Erdboden gleichgemacht werden. Auch wenn erste Vermutungen vor sich hin munkelnten, dass eine angereiste Gruppe von Deutschen, die in Polen Häuser kaputt macht, eventuell zu Irritationen führen könnte, gingen wir furchtlos ans Werk. Beziehungsweise ließen ans Werk gehen.
Schnell waren eine handvoll Eingeborene samt Traktor zur Stelle und gönnten uns angereisten Gastarbeitern huldvoll die Rolle als begutachtende Experten. In diese Funktion arbeiteten wir uns umgehend ein und sparten nicht mit wohldurchdachten Ideen und Vorschlägen für noch effektivere und sinnvollere Arbeit.
In obenstehenden Foto ist die natürliche Arbeitsteilung gut zu erkennen: Fachmännisches und tatkräftiges Engagement versierter, einheimischer Hausabreißer und taktvolle Beratung aus dem Hintergrund durch angereiste Theoretiker der Hausvernichtung.
Dank modernster Traktortechnologie und aufgrund optimaler Beratung waren wenig später schon erste Resultate zu sehen.
Sodann ging die Arbeit schnell voran und bald wurden auch den Gastarbeitern verantwortungsvolle Hilfsarbeiten übertragen.
Nach knappen zwei Tagen war das Gröbste vorüber und wir gaben uns gelöst und entspannt Weib, Wodka und Gesang hin.
Doch so richtig konzentrieren auf dieses beliebte Freizeitvergnügen konnten wir uns erst einige Wochen später. Aufgrund eines eher unbedeutenden Jahrestages fanden wir uns auf dem Anwesen der hochverehrten Malgosia in Grzymalin (Für all unsere Polnisch-Anfänger: mühselige Recherchen ergaben, dass dieses wunderschöne Dörfchen in der Vergangenheit auf den Namen „Langenwaldau“ hörte. Sicherlich für die deutschen Zungen ein Stück weit angenehmer, aber hinsichtlich praktischen Nutzens völlig wertlos!) ein um Wildschwein „Eberhard“ kennenzulernen. Aus diesem Anlass gaben wir uns mehrere Tagen wilden Ausschweifungen hin. Zentrale Figur der Feierlichkeiten war besagter „Eberhard“.
Schwitzend, aber voller Leidenschaft durfte ich dann erstmals einem Tier das Fell über die Ohren ziehen.
Darauf gönnten wir dem Guten erstmal ein Vollbad. Skeptisch beäugten wir die Ausmaße unseres fleischlichen Freundes. Zweifel wurden laut, ob er uns alle nur annähernd satt machen würde. Schmähungen wie „großes Kanickel“ wurden laut, mit latenten Futterneid wurden eintreffende Gäste ob ihrer möglichen Fleischvertilgungskapazitäten geprüft. Schließlich wurde gar vorgeschlagen „Eberhard“ in „Ebi“ umzubenennen.
Einem Vorschlag wissender Profis nachgehend, steckten wir „Eberhard“ nicht sofort auf den Spieß, sondern stellten die Badewanne auf die Glut und kochten ihn vor. (Leider habe ich von dem beeindruckenden Bild der kochenden Badewanne kein Foto – Larsen, bitte melden Sie sich!)
Nach kurzer Justierung und passgerechter Harmonisierung von „Eberhard“ und Spieß…
…wurde er dann endlich übers Feuer gehangen. Mal wieder mittels einer genial einfachen, aber perfekten Konstruktion.
Ein erhabener Moment. Jedes Mal bin ich aufs Neue ergriffen von der Einheit aus Fleisch, Feuer und freiem Himmel.
Und dann war es endlich soweit. Noch vor der Dunkelheit konnte „Eberhard“ freigegeben werden und das Volk stürzte sich auf das edle Tier. Die Freude war nicht in Worte zu fassen.
Ein Hochgenuss sondernormen! Und nach den ersten vier Bissen war auch klar, dass all unsere Sorgen, von wegen, jemand könne nicht satt werden, völlig unbegründet waren. Sei es, dass ein Tag im Fleischdunst allein schon sättigt oder das Wildschweinfleich nun mal schnell sättigt, es war jedenfalls genug für alle da.
Die Wildchweingourmese in der Mitte der obenstehenden Gruppenaufnahme hat nebenbei auch noch andere Vorlieben, wie nachfolgendes Anschauungsmaterial nachdrücklich unterstreicht. Die vielumjubelten Soloauftritte der begnadeten Künstlerin sind an jedem Ort stets ein Schmaus für alle, aber auch wirklich alle Sinne.
Danach hatte die Party Zeit und Raum um gepflegt auszuschweifen. Feuer, Wodka und Gitarren. Ein rauschendes Fest an dem sich keiner auch nur ansatzweise zurückhielt, was unter anderem dazu führte, dass Fotos entstanden, auf dem sich die abgebildete Person Tags darauf nicht mehr erkannte.
Also alles in allem ein gelungener Abend. Doch auch die turbulenteste Feier endet irgendwann und so legte sich bald Stille über die Wiesen und Wälder. Verdauung und zähe Regeneration begannen mühsam ihr verdienstvolles Werk. Gedankenverloren sinnieren einige, was wohl das nächste Tier auf dem Spieß sein wird…