Zugegeben, das drohende Ende von Lost setzt uns allen gewaltig zu. Zwar haben wir alle immer gewusst, worauf wir uns mit dieser Serie einlassen, ja wir waren sogar begeistert als wir erfuhren, dass die Macher, unabhängig vom Erfolg, nach sechs Staffeln definitiv Schluss machen wollten. Das sprach für jene Art von abgesicherten Niveau, welches möglichst wenig durch kommerzielle Ausschlachter beeinflusst werden konnte. Kandidaten mit Schlamasselauslöser in gemütlicher AuflösungsrundeDoch mittlerweile spüren wir alle die Angst vor der Stille nach dem letzten Schuss. Daher kann man sich bei der vorvorletzten Folge halt dann doch irgendwie nicht mehr so entspannen wie bei all den Folgen zuvor. Es macht sich unweigerlich eine Stimmung breit die zwischen nervöser Ungeduld und ängstlicher Wie-wollen-sie-das-bitte-alles-noch-klären-Panik pendelt. Natürlich schafft man es bei all den Stimmungsschwankungen, sich trotzdem genussvoll am Kunstwerk Lost zu weiden, aber die Unbefangenheit der ersten Liebe ist ebenso verschwunden wie die rasende Leidenschaft der unersättlichen Gier auf mehr. Und um die Ausmaße des zurückgelegten Weges nochmals gebührend zu würdigen, hier einmal alle Toten von sechs Staffeln im Schnelldurchlauf.
Dennoch wollen wir einen vorsichtigen Blick auf die Ereignisse von „What They Died For“ wagen. Auf der Insel geschieht einiges. Die Selektion geht munter weiter: Richard und Widmore gehen sang- und klanglos dahin. Das lang erwartete, klärende Gespräch zwischen Jacob und dem kläglichen Haufen der Kandidaten findet statt. Jack stürmt vor sobald er Verantwortung wittert und Flocke will nun nicht mehr nur weg von der Insel sondern gibt vor, sie zerstören zu wollen. Nebenher ergattert Ben erneut eine vielversprechende Anstellung bei der dunklen Seite der Macht. All dies erweckt, so spannend und interessant jede einzelne der Entwicklungen auch ist, den Eindruck von Erwartbarkeit oder zumindest von einer berechenbaren Zuspitzung des letzten Kampfes. Doch dies alles sind Dinge, die ausgesprochen werden und geschehen müssen auch wenn man sich das meiste davon schon gedacht hatte. Letztlich schafft sich hier ja nur die Sorge Raum, dass noch so viele Fragen offen sind, bzw. die möglichen Lösungen zu billig oder zu wischiwaschi sein könnten. Vom Chefdiaboliker zum hoffnungslos verwirrten Verarschungsopfer für jedermann. Der Wandlungsmeister schlechthin ist wieder im Geschäft!Was mich jedoch in dieser Hinsicht immer mehr beruhigt, ist der Alternativzeitstrahl. Lange hatte ich ihn leicht gelangweilt und irritiert beäugt. Doch nach den Handlungen Desmonds in der vergangenen Folge sehe ich diese ganz anders. Anscheinend hat die „Konstante“ einen weitergehenden Plan mit all den 815ern als sie ausschließlich mit dem Kontakt zu jener Parallelwelt zu versorgen. Irgendeinen tieferen Sinn für all das ist hier am entstehen. Vage Verdachtsmomente wabern desterwegen in mir herum. Möglicherweise verlieren all die Ereignisse auf der Insel an Macht durch das was Desmond in der Alternativwelt anstellt?! Zu dieser herumtastenden Vermutung gesellte sich am heutigen Vormittag in munterer Administratorenrunde eine handfeste Theorie.Wenn wir für Lost die Viele-Welten-Theorie zu Grunde legen, so existieren zeitgleich unendlich viele Universen die friedlich nebeneinander koexistieren. Durch die Atomexplosion wurde nun der „normale“ Zeitstrahl unterbrochen und ein alternativer Zeitstrahl mit Wirkmacht ausgestattet. Natürlich existieren jetzt einige Menschen in beiden Welten, aber das tun sie ja, wenn wir die Viel-Welten-Theorie annehmen sowieso. Das Besondere ist jetzt nur, dass einige Menschen in der Alternativwelt durch eine Anomalie namens Desmond Kontakt zu der Inseldimension herstellen können. Was dies auslöst? Keine Ahnung. Aber es hat eine Bedeutung. Viel entscheidender ist ein anderer, im morgenlichen Donnerstagsfieber geschaffener Geistesblitz: Wenn also Flocke tatsächlich siegen sollte, so wird er, wie vorgesehen in die Welt hinaus entfleuchen, um Tod und Verderben über sie zu bringen. Doch durch den Bruch im Raum-Zeit-Kontinuum wird er hierbei scheitern, denn er wird quasi die falsche Abfahrt wählen und in einem Universum landen, welches nun nicht mehr existiert. Tusch! Trara! Das ist doch mal ’ne Idee, wa?In diesem Sinne – ein großartiges Finale euch allen und seid stark! Schließlich ist es dann doch nur eine Fernsehserie. PS: Als große Empfehlung zur Überbrückung bis zum großen Tag sei übrigens die folgenauswertende Konkurrenz empfohlen. Was habe ich über seine Bilanzen gelacht in den letzten Wochen. Neidlos zieh ich meinen Hut und werde wohl auch ohne Lost mal wieder vorbeischauen. Aber nach Essen werd‘ ich wohl eher nicht kommen!