Auf den ersten Blick mag der erste Band der Sookie-Stackhouse-Reihe an dieser Stelle, wo sonst nur auserlesener Lesestoff analysiert wird, völlig zurecht kritisch beäugt werden. Schließlich muss das vorliegende Buch, sowie höchstwahrscheinlich auch dessen zehn Fortsetzungen, unumwunden und ohne große Diskussionen in die reizenden Kategorie der Schund- und Schmutzliteratur eingeordnet werden. Dies wird schon auf den ersten Seiten deutlich, auf denen wir der leicht dümmlich-naiven Ich-Perspektive eines unschuldigen Mädchens vom Lande folgen dürfen, welches sich rasch in einen Vampir verliebt und kurz danach, holterdiepolter so einiges an irre gefährlichen Sachen erlebt. Dabei bleibt immer wieder Zeit, ganze Absätze damit verstreichen zu lassen, wie sie sich für den Abend kleidet und welches Makeup wohl am angemessensten wäre. So gesehen könnte man also nach Vollendung der Lektüre das Buch unaufgeregt beiseite legen und die ganze Angelegenheit nicht weiter der Rede wert finden. Doch dabei kann ich es eben leider nicht bewenden lassen. Aus zweierlei Gründen kann der Text an dieser Stelle noch nicht enden. Einerseits wegen der Weiterentwicklung des Vampirkonzepts, welche das kollektive Mythenkonstrukt der Gegenwart nicht unwesentlich ergänzt und andererseits aufgrund der feinen Selbstironie und den durchaus intelligenten Seitenblitzen, die das Büchlein dann doch entscheidend von wirklich dumpfer Schund- und Schmutzliteratur abgrenzt. Ich muss hierbei vorwegnehmen, dass mich Vampire als Gedankenspiel schon von jeher interessierten, und zwar nicht nur weil sie ähnlich wie ich, aufgrund ihrer Ernährungsgewohnheiten im Zentrum der Kritik stehen. Vielmehr war ich fasziniert von der unverminderten Faszination die sie speziell mit dem Anbruch der Moderne auf die Menschen auszuüben in der Lage waren. Unsere Ahnen hatten im Laufe der Jahrtausende eine unüberschaubar große Anzahl an Fabelwesen und Mythengestalten erschaffen, doch kaum ein Wesen außer den Vampiren vermochte es derart präsent zu bleiben. Noch erstaunlicher erscheint in diesem Licht seine Wandlungsfähigkeit. Begann der Vampir einst seine Medienkarriere als herzloser Blutsauger, wiewohl ihn schon zu dieser Zeit stets eine gewisser Sexappeal und eine tragische Entstehungsgeschichte begleitete, entwickelte er sich mit der Zeit zu einem sensiblen, missverstandenen Individuum, welches ziellos durch die Nächte streift und anscheinend nur jemanden zum Ausquatschen braucht. Auch seine Fähigkeiten und Begrenzungen waren wechselhaft und austauschbar. Als allgemeiner Grundkonsens galt allenfalls, dass sie Tageslicht nicht vertragen und sich von Blut ernähren. Spezifikationen wie Flugkünste, Knoblauchallergie und Kruzifixunverträglichkeit und vieles mehr wurden wild gemixt, ergänzt oder weggelassen. Im Zuge des gegenwärtigen Vampir-Hypes erblickt jedoch ein gänzlich neuer Vampir, im wahrsten Sinne des Worts, das Licht der Öffentlichkeit. Er ist kultiviert, tolerant und weltoffen. In den Ausprägungen der Bis(s)-Reihe kann er sogar bei Tage herumlaufen, kocht italienisch und beherrscht die Finessen der Political Correctness aus dem Effeff. Da bleibt kaum noch etwas vom alten Fürsten der Finsternis. Doch schließlich ist diese Veränderung des Vampirs nur konsequent. Der Unsterbliche steht mehr als jedes andere Lebewesen quasi in der Pflicht sich anzupassen. War es angebracht, im edlen Zwirn dandyhaft durch die Salons zu flattern, so entschied sich der Vampir für diese Rolle. Brachte es Vorteile, seine Leibeigenen ein wenig einzuschüchtern, so mimte man die gnadenlose Bestie, welche ganze Regionen in Atem hielt. Natürlich kann man die jüngsten Wandlungen des Vampirs bedauerlich finden, doch in diesem Falle steht man wohl auch anderen Entwicklungen unserer Zeit skeptisch gegenüber. Denn letztlich ist das Bild des Vampirs stets nur ein verzerrtes Abbild des aktuellen, kulturellen Kontexts. Die Sookie-Stackhouse-Romane stellen in meinen Augen hierbei einen eleganten Mittelweg dar. Findet sich in ihnen doch einen gelungene Kreuzung aus aufgeklärtem Vampirindividualismus und Herzschmerzverkitschung. Die wesentliche Unterscheidung vom üblichen Vampirgenre findet sich schon zu Beginn und bleibt auch fortan Schlüsselelement der gesamten Reihe: Die Vampire treten an die Öffentlichkeit und fordern folgerichtig die ihnen zustehenden Minderheitenrechte. So sehr das nun wirklich wildeste Science-Fiction ist, denn wenn dies tatsächlich einträfe, wäre die Hysterie und Panik, speziell in den USA kaum vorstellbar. In Charlaine Harris’ Welt ist dem jedoch nicht so. Selbstverständlich gibt es Probleme und Irritationen, schließlich stellt der Umgang mit Vorurteilen und Intoleranz, neben Begehren, Leidenschaft und Sex, Sex, nochmals Sex, das Hauptthema der Romane dar. Doch die Interaktionen von Menschen mit Vampiren bleiben größtenteils erstaunlich rational und so bleibt Zeit für zahlreiche Nebenschauplätze und interessante Überlegungen zum Thema Vampirismus. Ob hier nun ungeklärte Detailfragen thematisiert oder die großen Sinnfragen der Menschheit angerührt werden, immer wieder wird man beim Lesen von originellen und unterhaltsamen Gedanken erhellt. Schlussendlich will ich noch ein wenig über die deutsche Übersetzung meckern, da ich zum einen die Verwendung des Wörtchens bass im Zusammenhang mit Erstaunen ein wenig zu häufig vorfand und zum anderen zu oft über andere eher gewöhnungsbedürftige Konstruktionen torkelte. Natürlich kannte ich das Wort angelegentlich, doch eher als altmodisches Vehikel, welches in den meisten Sätzen reichlich unabgeholt rumstand. Und so irrttiert ein Satz wie “Andy musterte Sam angelegentlich” in einem solchen Roman ein wenig. Schwierig fällt allein eine Empfehlung ob Bücher oder Serie, bzw. welches von beiden zuerst. Festzuhalten ist, dass die Serie keineswegs der Chronologie der Bücher folgt und natürlich viel weggelassen und verkürzt wird. Andererseits ist die Serie in meinen Augen auf jeden Fall zu empfehlen. Auch wenn sie bisweilen gewisse Unerträglichkeiten aufbietet, so ist sie dennoch eine gelungener Wurf, was man unter Alan Ball (Six Feet Under, American Beauty etc.) ja auch kaum anders erwarten konnte. Fazit: Für Sympathisanten des gepflegten Blutrauschs und anderer fabelhafter Angelegenheiten in diesem Zusammenhang eine überaus empfehlenswerte Reihe. Schnelle Kost, die dennoch nicht selten aufmerken lässt und in jedem Fall unterhaltsam ist. Wer solcherlei Büchern jedoch beim besten Willen nichts abgewinnen kann, dem sei unverdrossen zur Serie geraten. Auch wenn es nicht jedem sein Geschmack sein dürfte und sich desweiteren zahlreiche Ansätze zur Kritik bieten, so stehen beste HBO-Qualität und der us-amerikanische Meister des differenzierten Sittengemäldes doch als Prädikate für sich.