Die Vorstöße in das längst versunkene Breslau des Eberhard Mocks waren für mich bislang stets lohnenswerte Expeditionen. Ob in den Anfängen der Nazizeit oder in den wilden 20er Jahren – die Schilderungen Krajewskis von den Ermittlungen des ungewöhnlichen Kriminalisten Mocks in dieser Stadt, die in dieser Ausprägung heute nur noch schwer vorstellbar ist, übten auf mich eine kaum vergleichbare Faszination aus. Denn diese Stadt wie sie hier beschrieben wird, existiert nicht mehr. Daran ist soweit nichts weiter beklagenswert. Geschichte hat es bisweilen an sich, Dinge grundlegend umzugestalten, und so wird aus Breslau halt Wrocław, und fertig! Dennoch finde ich Krajewskis Bücher immer wieder anregend wenn ich durch die Straßen der brummenden Odermetropole streife. Nicht dass es sich heute um ein ausgestorbenes, ödes Nest handeln würde – ganz im Gegenteil – doch der Charme von Breslau muss letztlich ein ganz anderer gewesen sein. Möglicherweise überspitzen die schrillen, atmosphärisch dicht gezeichneten Bilder Krajewskis alles ein wenig, und dennoch… Dieser Roman nimmt sich dabei im übrigen eine ganz andere Zeitperiode vor. Wir springen zu den Anfängen der Karriere von Eberhard Mock und begutachten seine ersten Schritte als Kriminalassistent im Jahre 1919. In den vorigen Romanen wurde es schon angedeutet, dass er seine Laufbahn bei der Sitte begann, dementsprechend ist auch das Sujet in die Halbwelt der Huren und Luden ausgerichtet. Sprache und Handlung ist wie gewohnt derbe, düster und desillusionierend. Doch neben enthemmter Völlerei und Dekadenz, die die Schlüsselfreuden des Ermittlers sind, bietet der Blickwinkel Eberhard Mocks noch einiges mehr, was die Lektüre dieses Buchs angeraten sein lässt. Dabei ist es mir auch von jeher ein Rätsel warum der Hauptprotagonist in den meisten Kritiken in derart schlechtem Licht dargestellt wird. Natürlich ist er kein Vorzeige-Inspektor: Seine Zusammenarbeit mit der Halbwelt, seine Ausflüge ins Rotlichtmillieu und sein ausschweifender Lebensstil würden dem moralingetränkten Tatortrezipienten mit Sicherheit sauer aufstoßen. Trotzdem zeigen seine Handlungen immer den fast schon naiv ans Gute glaubenden Menschen erkennen, der ihn für mich schon fast wieder unrealistisch werden lässt. Fazit: Freunde des historischen Kriminalromans werden hier mit Sicherheit nicht enttäuscht. Auch im Vorfeld eines Ausflugs ins Schlesische könnte eines der Krajewski-Bücher ins Handgepäck sortiert werden. Vorzüglich recherchierte und packend erzählte Geschichten von Punkten im Raum-Zeit-Kontinuum, die man aus dem ein oder anderen Grund interessant findet, habe schon per se ihr Berechtigung.
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