Es sind bisweilen die absonderlichsten Reize, die dazu führen, dass man sich für ein Buch entscheidet. In diesem Falle interessierte mich zwar auch die Thematik, doch ausschlaggebend war der Titel. Schließlich fand ich diesen so prägnant wie treffend.
Polen leben von der Oder bis zur Irischen See, vom Eyjafjallajökull bis zum Aconcagua. Mit emsiger Reise- und Entdeckerlust findet man, so schien es zumindest mir auf meinen Reisen, mühelos in jedem Winkel immer ein paar Polen. Friedfertige Polonien säumen diesen Planeten in stiller Genügsamkeit und entspannter Migrationserwartung. Und dennoch erhält diesen Eindruck nur derjenige der den Blick auf sie fokusiert, sich auf sie konzentriert. Dann sind sie auf einmal überall: In der U-Bahn, in der Kneipe, auf der Arbeit sowieso. Doch verglichen mit anderen Einwanderen bleiben sie im Hintergrund, schaffen wenig Spezifisches. Ein Vergleich von Polen und Italienern in Berlin und ein Vergleich polnischer und italienischer Restaurants zeigt in etwa was was ich meine. Insofern fand ich den Titel so gelungen und vertiefte mich alsbald in die Abhandlung des Autors. Seines Zeichens stellvertretender Direktors des Deutschen Polen-Institus.
Die frühe Geschichte des Kennenlernes von Polen und Deutschen war mir zwar nicht gänzlich unbekannt, doch ich entdeckte hier noch die eine oder andere wissenswerte Sache. Ganz besonders interessant fand ich selbstredend die verquickte Gemengelage im Falle der Schlonsaken. So nannte (und nennt) man jene Menschen in Schlesien, die irgendwo zwischen Polen und Deutschen eingependelt waren. Auch die Problematik der polnischen Juden wie immer hochspannend. Speziell wenn die „deutschen“ Polen des Kaiserreichs mit ihren zuziehenden Cousins aus den fernen Bergregionen des unendlichen Krajna konfrontiert werden. Auch die Periode von Überfall, Okkupation und Besatzung ist, so bitter es auch sein mag, äußerst interessant dargestellt.
Kritik allein von meiner Seite für die tendenziöse und lieblose Abhandlung des Themas „Polen in der DDR“. Einerseits fand ich es schlichtweg zu kurz abgehandelt und auf wenige boulevardeske Spitzen „Polen kaufen alles weg“, „Ostdeutsche sind verkrampft und latent fremdenfeindlich“ eingedampft. Schön wenn die Klischees so locker sitzen und ein sonst ausgezeichnet recherchiertes Buch auf diese Weise den eigenen Wert ramponiert. Knappe fünf Seiten von 283 werden diesem Thema gewidmet und dann darf ich auch noch erfahren, dass die „Oder-Neiße-Friedensgrenze“ für den Autor die „Freundschaftsgrenze“ ist. Kleinigkeiten meinethalben, aber derlei Unenauigkeiten im Stakkatostil behagen mir nicht. Schließlich dann noch dieses Zitat:
Immer wieder gab es Berichte über auffällige polnische Vertragsarbeiter – es war von Betrunkenen, von Schlägereien usw. die Rede. Tatsächlich dürften die Polinnen und Polen in der oft von biederen Umgangsformen geprägten DDR aufgefallen sein, anders als viele Polen in Westdeutschland, die sich in einer bunteren Umgebung kaum bemerkbar machten.
Ja, nee schon klar. Ich vermeide es jetzt mal hierauf weiter einzugehen und zähle die bunten, ja nahezu quirligen Städte Westdeutschlands auf, in denen die Hauptauffanglager waren, sprich wo sich der Großteil der Polen in die offene, freie Gesellschaft demokratischer Freigeister fallen lassen konnte: Friedland, Unna-Massen, Nürnberg, Osnabrück oder Berlin-Marienfelde.
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