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Der Nationalpark Sjuteska ist einer von drei Nationalparks Bosnien-Herzegowinas und der einzige, den wir auf unserer Radreise streiften. Auch wenn diese urwüchsige Gebirgslandschaft unverständlicherweise noch recht unbekannt ist, kann man die Vorzüge dieses zauberhaften Fleckchen nicht genug belobhudeln. Wir unternahmen hier eine wunderschöne dreitägige Wanderung, die ich im folgenden beschreiben werde. Nebenbei sollen hier aber auch Varianten und Möglichkeiten der Erweiterung oder Kombination offeriert werden.
Tourenvorschlag: Von Tjentište zum Trnovačko jezero (Montenegro; Naturpark Piva) über den Maglić (2386m) zurück
Tjentište ist das ideal gelegene Basislager für jegliche Expeditionen in die umliegenden Berge. Auf knapp 600 Höhenmetern gelegen, umrankt und eingekuschelt in jede Menge mächtiger, ehrfurchtgebietender Berge. Das kleine Dörfchen (nach dem letzten Durchzählen gab es hier noch 88 Einwohner) verfügt über einen kleinen Laden, ein Hotel mit angeschlossenem Campingplatz, welcher zudem über einen künstlichen See verfügt sowie unter- und oberhalb über diverse Restaurants. Wir machten sehr gute Erfahrungen mit dem Jugend-Camp (Omladinski Kamp). Wir durften hier netterweise unentgeltlich unsere Räder abstellen und fühlten uns auch nach absolvierter Wanderung bestens aufgehoben.
Eines sei zum Wandern und sonstigen touristischen Bestrebungen in Bosnien noch angemerkt: es ist überall unfassbar leer. Abseits der ausgewiesenen places to be (Mostar und Sarajevo) fühlt sich dieses Land, welches mit praller Natur und beeindruckender Landschaft ausgestattet ist, an wie kurz vor Ladenschluss. Wir hatten an einem Freitag Mitte Juli hier den gesamten Zeltplatz für uns. Noch extremer fühlt es sich logischerweise an wenn man die Pfade der Zivilisation verlässt und in die Berge steigt.
In Tjentište angekommen, empfiehlt es sich nach ausreichenden Einkäufen, die 7 Kilometer bis zum Beginn des Wanderwegs auf der Straße Richtung Gacko zu laufen (die Trampquote ist auf diesem Abschnitt aber auch recht hoch). Kurz vor dem Ortsausgang ist das Partisanendenkmal, welches an die „Schlacht an der Sutjeska“ erinnert, unschwer zu übersehen und ich würde wirklich empfehlen, den Rucksack kurz abzuschultern und die paar Höhenmeter zu investieren um den einzigartigen Blick aus der Denkmalperspektive zu erleben. Exakt am Nationalparkeingang befindet sich dann rechterhand das Camp Suha. Dieses ist jedoch nicht auf den ersten Blick auszumachen. Entweder man nimmt die zugewachsene Straße, die durch eine Schranke Autos die Zufahrt verwehrt oder man findet den noch mehr zugewucherten Partisanenweg, der direkt von der Straße zum Camp führt. Es lohnt sich in jedem Fall. Die majestätisch von Bergen umstellte Lichtung verfügt zwar weder über Sanitäranlagen oder fließend Wasser (für Trinkwasser muss der Wanderweg etwas 800m emporgelaufen werden bis der Bergbach den Wanderweg kreuzt) doch dafür ist es einfach ein wunderschöner Platz auf dem man schlicht und einfach machen kann wonach einem ist.
- Man kann Camp Suha auch als Ausgangspunkt für eine ganz andere Wanderung nutzen. Hier verläuft eine der drei Magistralen der Via Dinarica (auch der im weiteren beschriebene Abschnitt ist Teil dieses Fernwanderwegs). Ein bis zwei Kilometer die Straße zurück nach Tjentište geht ein Wanderweg Richtung Westen ab. Dieser führt durch das Gebirgsvorland (die Berge sind hier auf einem Level eher unter 2000 Metern) Richtung Donje Bare (hier gäbe es auch eine bewirtschaftete Berghütte plus See).
Nachdem hier mit Hochgenuss und Vorfreude die Nacht verbracht wurde, geht es dann am Morgen hinauf (Obacht: der Eintritt in den Nationalpark kostet 5 BAM/ €2,50. Meiner Vermutung nach sollte der Posten aber von 18-9 Uhr unbesetzt sein). Der Weg, welcher akkurat mit rot umrandeten weißen Punkt markiert ist, führt auf einer geschotterten Waldstraße, dem Bergbach folgend sanft hinauf bis zur montenegrinischen Grenze. Der Weg ist ein leicht zu laufender Weg, der dank des prächtigen Waldes anfangs zwar nur selten Blicke auf die spektakuläre Landschaft freigibt. Doch schließlich durchwandern wir hier einen der letzten Urwälder der warmgemäßigten Zone in Europa, den Perućica-Urwald. Doch kurz nach der, nur dank aufmerksamer Konsultation des Offline-Kartenmaterials bemerkten bosnisch-montenegrinischen Grenze öffnet sich die Bühne und der Blick weidet sich an einer Kulisse, die alle Sinne springen lässt.
Dann geht es noch einmal kurz ein paar Höhenmeter hinauf und wir erreichen das Etappenziel des Tages – den Trnovačko Jezero. Dieser herzförmige See wirkt wie eine Theaterbühne, während die mächtigen Berge die ringsum ihn aufgereiht sind wie aufmerksame Zuhörer erscheinen. Es ist einfach ein zauberhafter Ort, der wie so viele Orte in den Bergen so vollständig aus Zeit und Raum gefallen scheint, so dass ich regelmäßig Mühe habe die Contenance zu wahren.
Der See ist ausgestattet mit einem kleinen Wildhüterhüttchen nebst bestückter Terrasse, einem Plumpsklo und kristallklarer Quelle. Am Ufer des Sees darf man zelten nachdem man die Parkgebühr von €1 berappt hat. Auch sonst überrascht der freundlich-knurrige Parkhüter mit einigen Extras, die diesen Ort zu einem Basislager de luxe auszeichnen. Neben Kaffee, Bier und Rakij kann man hier auch gegen einen geringen Aufpreis kerniges Gebirglerbrot, deftigen Schinken und fetten Kajmak erwerben. Bezahlt werden kann mit Mark oder Euro.
- Kleiner Tipp: wenn man die Zeit hat, empfiehlt es sich zum Abend den Weg hinter der Hütte Richtung Volujak hinaufzulaufen. Von hier aus hat man einen spektakulären Panoramablick auf das Gesamtkunstwerk. Der Weg zum Volujak führt außerdem an ein paar Schäferhütten vorbei wo man sich auch mit Lebensmitteln eindecken kann.
Das Basislager am See ist natürlich auch Kreuzungspunkt für verschiedene Varianten des Weiterwanderns. Wir entschieden uns für den Weg, der um den See herumführte und dann nach einem gewaltigen Aufstieg (ca. 600 Höhenmeter) sich zum Maglić (2386m), dem höchsten Berg Bosnien-Herzegowinas emporschlängelte. Es wäre aber auch möglich von hier Richtung Süden über den Volujak (2336m) hinab zum Piva-Stausee nach Plužine zu wandern. Außerdem könnte man auch, nachdem man den ersten Aufstieg Richtung Maglić absolviert hat, den von hier abgehenden Weg über den langsam abfallenden Kamm gen Osten hin zum nördlichen Ende des Piva-Stausees nach Mratinje wandern.
Doch wir wanderten nach dem Aufstieg genüsslich auf dem sanft aufsteigenden Wiesenkamm mit fortwährenden Ausblicken, die einem einfach den Atmen verschlugen. Doch als wir schließlich um die letzte Biegung gingen und den Gipfel des Maglić erblickten, verschlug es uns auch die Sprache. Die letzten 50 Höhenmeter waren nur noch durch eine halsbrecherische Kraxelei zu erreichen. Das war es uns dann doch nicht wert und so konnten wir den Wanderweg nicht wie geplant fortsetzen, denn dieser ging über den Gipfel und fiel dann mit einem rasanten Abstieg wieder hinunter ins Tal.
Wir wählten den Alternativweg und bereuten dies sehr bald zutiefst. Denn die paar Höhenmeter Kraxelei auf die wir mit dem ausgelassenen Gipfelsturm verzichtet hatten, waren gar nichts gegen die todesmutigen Hangeleien, die uns bei diesem Abstieg bevorstanden. Ohne zu wissen wie der Abstieg über den Maglić genau aussieht, möchte ich ausdrücklich vor dem von uns gewählten Abstieg warnen. Es stehen einem hier ca. 300 Höhenmeter an Stahlseilen bevor, die teils einfach nur dem Wahnwitz eines irren Bergsteigers entsprungen sein müssen. Im Zweifel sollte man das Ganze vielleicht besser als wunderschönen Tagesausflug begreifen und wieder zurück zum See absteigen.
Wie schafften den Abstieg dann doch und ab Höhenmeter 1850 entwickelt sich der Weg auch wieder zurück zu einem normalen Gebirgspfad. Nachdem man die Grenze überschritten hat, beginnt auch wieder der Wald und man kann gelassen die 14 Kilometer Forststraße zurück nach Tjentište schlendern. Im Gegensatz zu den Aussagen von OSM findet man auf diesem Weg auch reichlich Trinkwasser und die Schutzhütte 10 km vor Tjentište kann als Übernachtungsgelegenheit wärmstens empfohlen werden. Von hier kann man auch einen Abstecher (ca. 3km) zum berühmten Wasserfall Skakavac unternehmen.
Alles in allem ein über alle Maßen zu empfehlende Wanderung. Unterlässt man den Wahnsinnsabstieg ist dies als eine Wanderung für mittelmäßig erfahrene Wanderer zu etikettieren. Absoluten Grünschnäbeln sei es empfohlen, den Aufstieg zum See in jedem Fall zu machen und dann dort einen Tag zu entspannen und kleinere Spaziergänge zu unternehmen. Auch das lohnt sich unbedingt.
This entry was posted in 2019, Projekt RADria, Reiseratgeber, Texte
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