Reges Treiben am „Stillen Freitag“ in Nysa. Handeln, arbeiten, feiern – das Opfer des Messias‘ kann in Polen anscheinend nur durch exzessive Ablenkung ertragen werden.Wohin begibt sich der aufgeweckte Atheist am höchsten aller Christenfeste?! Selbstverständlich in eines der letzten ernstzunehmenden Kernländer des Katholizismus: Nach Polen! Genauer, tief hinein in den schlesischen Mutterschoß nach Nysa ging die Reise. Dieses kleine Städtchen, welches vor einer halben Ewigkeit auch auf den Namen Neisse hörte, liegt behaglich an die freundlich grüßenden tschechischen Berge geschmiegt, ungefähr eine knappe Stunde südlich vonWrocław. Aus dem gottlosen Berlin kommend, hatte ich nun die Hoffnung hier den Ritualen und Marotten jener entzückenden Religion beizuwohnen, die einmal im Jahr unter viel TammTamm Tod und Auferstehung ihres Erlösers begeht. Nichts geht über leicht einprägsame Straßennamen. Dieses Beispiel folgt unzweifelhaft der knallharten Anweisung: Wenn schon keine Zischlaute, dann aber wenigstens exorbitant lange Worte zu verwenden.Doch wie groß war mein Erstaunen als ich feststellen durfte, dass der Karfreitag in Polen ein ganz normaler Arbeitstag war. Und nicht nur das! Die Frauen lächelten, der Rummel brummte und das Bier floss in Strömen. Nun möchte ich keinesfalls falsch verstanden werden: Tendenziell begrüße ich natürlich jeglichen Rückgang von Kraft und Bedeutung der Religion im alltäglichen Leben, aber ein wenig enttäuscht war ich dann doch. Nachdem der Karfreitag auf dieses Weise erfolgreich bewältigt war, kam die Ritualmaschinerie dann doch noch in Schwung. Am sonnabend wanderte das Volk im feinsten Sonntagsstaat in die Kirche um sich ihr in Bälde zu verzehrendes Osteressen segnen zu lassen. Dieser, unter dem Begriff „Święconka“ bekannte Brauch mutete mir anfangs ein wenig sonderbar an, da ich schon vor meinem geistigen Auge ächzende Menschen mit quietschenden Schubkarren und schweren Rucksäcken in die Kirche wandern sah. Doch letztlich handelte es sich dann doch nur um handliche Kostbroben in zierlichen Körbchen, welche mit dem verspritzten Weihwasser in Berührung kommen sollten. Der definitive Höhepunkt war aber der Ostersonntag. Denn an diesem Tag wurde gehörig aufgetischt. Massive Fleischtöpfe, würzige Salate, ehrfurchtgebietende Kuchen und natürlich Eier in allen Variationen. Eine bedenkliche Mahlzeit für Mägen, die mehrere Wochen Fasten hinter sich haben, aber, ich muss es nicht gesondert erwähnen, Fasten ist selbstredend auch weit davon entfernt, ein Massenphänomen zu sein.Zum Abschluss kommt am Ostermontag dann noch ein ganz besonderes Leckerli im Feiertagsablauf: Śmigus-dyngus, bzw. der „Lany poniedzialek“ (Feuchter Montag) besteht im Wesentlichen, so wurde ich zuvor aufgeklärt, aus willkürlichem Bespritzen mit kaltem Wasser. Hauptsächlich fungieren hierbei Männer als Bespritzer und Frauen als Bespritzte. Woher dieser irrsinnig originelle Brauch kommt, ist nicht ganz geklärt. Ob nun Folge irgendwelcher längst vergangener Taufen oder heidnisches Erfrischungsritual – da ich mich rückreisetechnisch den gesamten Montag mit der darniederliegenden, polnischen Personenbeförderungskrake beschäftigen durfte, kam ich kaum in Gelegenheit diesen Brauch eingehend zu studieren.
eindrücklich hinzuweisen auf die wunderbare alliteration des sonnabendlichen sonntagstaates sei mir gestattet!
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