Vor gut einem Jahr, als ich die Lektüreauswahl für die langgehegte Reise nach Rumänien zusammenstellte, wog ich dieses Buch unsicher in der Hand. Der blütenweiße Umschlag, mit den frauenzeitschriftigen goldenen Lettern und den adrett aufgetupften zwei Blutstropfen, schlussendlich das, unter dem Titel prangende Glamour-Zitat: „Das ist ein großartiger Schmöker, den man am besten bei Gewitter liest – dann wird er noch gruseliger.“ Nein, das wollte mir alles nicht so recht gefallen. Ich an und für sich kein allzu großer Ästhetikfetischist wenn es um das Aussehen von Büchern geht. Sicher, ich bevorzuge Taschenbücher und ich weiß wenn mir die Erscheinung eines Buches zusagt oder eher nicht, aber die Gestaltung historischer Romane in Deutschland muss seit geraumer Zeit in der Hand irgendeines mächtigen Kaffeeklatschkreises aus einer weit entfernten Provinz liegen. Überladen bunt, mit den absurdesten, das Thema des Buches vergewaltigenden Motiven und der obligatorischen Schnörkelschrift tropfen sie von jeher vom Bücherregal. Bei den meisten von ihnen ist das ein angemessenes Warnsignal. Doch viele werden hierdurch eindeutig unter dem Wert verkauft.Bei dem Historiker von Elizabeth Kostova ist dies definitiv der Fall. Der Debütroman, an dem die Autorin zehn Jahre arbeitete, ist mehr als ein sauber recherchierter und materialreicher Roman über die Draculalegende. Er ist gleichsam auch eine Hommage ans Reisen und die Begegnung mit dem Fremden. Aus den zahlreichen Beschreibungen von Städten, Landschaften und Kulturen spricht die Lust am Entdecken und ein leidenschaftliches Fernweh. Doch auch als historischer Roman, der sich im Laufe der 832 Seiten immer mehr in Richtung des „magischen Realismus“ verschiebt, ist er keineswegs eine Enttäuschung. Auch wenn dem Spannungsaufbau selbstverständlich jede Menge Vereinfachungen und Verkürzungen geschuldet sind, Kostova schafft es, die Vorgehensweise „echter“ Historiker durchaus nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist selten und muss hervorgehoben werden. Die meisten Bücher oder Filme, die Historiker in ihrer Staffage haben, stellen diese zumeist als überlesene, leicht zerstreute Gestalten dar, die durch eine spektakuläre Entdeckung in irgendeinem staubigen Archiv urplötzlich zu einer abenteuerlichen Achterbahnfahrt, sich überstürzender Ereignisse hineinkatapultiert werden. Bei Kostova ist dies anders. Hier werden im Falle eines neuen Dokuments, was alles auf den Kopf stellen würde, die entscheidenden, aber für einen Geschwindigkeit aufnehmenden Spannungsbogen irrsinnig langweiligen Historikerfragen gestellt: „Wer hat es verfasst? Warum hat er es verfasst? Für wen hat er es verfasst?“. So vermag es Kostova dem interessierten Leser anhand eines, zugegeben traditionell eher reißerischen und unseriösen Gegenstands zu vermitteln, dass nicht das Entdecken von Quellen für die Rekonstruktion der Vergangenheit entscheidend ist, sondern deren Einordnung und Zuordnung. Dieser Vorgang des kombinatorischen Entschlüsselns ist langwierig und mühsam. Dass er aber noch spannender als die bloße Aneinanderreihung von sich, wie von Zauberhand selbstständig ineinander fügenden Erkenntnissen ist, hat die Autorin meisterhaft bewiesen.
Fazit: Dieses Buch ist für alle die mit offenen Augen und Herzen reisen, die dem Thema Dracula nicht abgeneigt sind und keine Angst vor dicken Büchern haben. In jedem Falle wäre es wohl DAS Buch für Rumänien gewesen.