Erneut ein Buch von Akunin und damit, so könnte man meinen, schließt sich der Kreis meiner Lesegelüste. Vor etwa einem halben Jahr wies ich hier erstmals auf ein Buch von ihm hin und nur wenige Bücher später bin ich wieder bei ihm gelandet. Es ist wohl vergleichbar mit einer vertrauten Angewohnheit, sobald ein neues Buch von ihm erscheint ohne Zögern zuzugreifen. Schließlich wird man ja auch selten als zu herbe enttäuscht.Obwohl just das gelesene Buch, „Der Favorit der Zarin“ mich erstmals an meiner Leidenschaft für den Moskauer Krimiautor zweifeln ließ. An und für sich hatte mich die neue Nicholas-Fandorin-Serie anfangs sehr angesprochen. Spielte sie doch einerseits ersmals in der russischen Gegenwart (verkörpert durch den reichlich naiven und verwestlichten englischen Spross der Fandorin-Familie, welcher nach einem ereignisarmen Geschichtsstudium im wilden Osten seinem Leben Sinn einhaucht) und anderseits in der tiefsten russischen Vergangenheit (bei einem der zahlreichen Ahnen des Fandorin-Clans). Irgendwie hingen beide Geschichten schließlich auch zusammen und verquickten sich auf charmante Weise. Ich weiß nicht genau woran es diesmal lag, aber bei diesem Buch funkte es einfach nicht richtig. Ich fand die Story recht vorhersehbar. Die Gegenwartszeitlinie sogar recht unglaubwürdig und zusammengeschustert. Allein wenn Akunin vergangenen Zeiten beschreibt, blitzt sein Talent immer wieder unübersehbar auf. Diesmal darf er sich in den letzten Zuckungen der Regierungszeit Katharina der Großen austoben, und dies gelingt ihm größtenteils ganz ausgezeichnet. Geschmälert wird dies jedoch, dass auch hier Dramturgie und Aufbau nicht an frühere Leistungen heranreicht und zudem noch durch ein erbarmungswürdiges Happy End gekrönt wird.Ein paar Worte noch zum äußeren Erscheinungsbild des Buchs: Ein kleiner Exkurs aus meiner Phantasie, wie es dazu kam.Verantwortlicher Lektorin (langjährige, abgebrochene Slawistikstudentin mit festen Glauben an die russische Seele und unterwürfiger Demutspose jedweder Autorität gegenüber; Dutt; kahkifarbener Hosenanzug): „Angelehnt an die erste Ausgabe dieser Reihe würde ich erneut einen historischen Stich von einer russischen Stadt empfehlen. Diesmal vielleicht St. Petersburg. Da der Roman ja zu wesentlichen Teilen dort spielt, meinte ich.“gerade angesagter PR-Spezi des Verlags (hauptberuflich stolzer Sohn der Großbourgeoise mit edlem Lebensmotto ‚Erst red‘ ich und dann hörst du zu!‘): „Ach, was. So erschließen wir nie neue Käuferschichten. Freaks wie du (abschätziger Blick Richtung Lektorin) kaufen den Kram doch eh. Nein, hier müssen wir ganz anders operieren. Ein schmalziger Blick, kitschige Zwiebeltürmchen, oder wie immer die heißen,im Hintergrund. Die Balalaikas müssen klingen und die unerfüllbare Kosakenliebe muss dir das zurückgebliebene Hausfrauenherz zerreißen. Und dies alles muss allein ein Blick auf das Cover auslösen. Ich mein, he bei dem Titel wäremn wir doch blöd die Chance nicht zu nutzen! Wir brauchen den zufälligen Griff zu diesem Buch der klassischen Arztromanleserin. Erst dann haben wir es geschafft. Noch Fragen?!“Nein, ich hab keine Fragen mehr und werde auch das nächste Buch erwerben. Auch wenn mir der Umschlag desselben in der U-Bahn die Schamesröte ins Gesicht treiben sollte.