Selbstverständlich kann man während des Radfahrens nicht lesen. Doch bot der vergangene Ausflug reichlich Musestunden für das allsommerliche Lesevergnügen. Drei Bücher fraß ich auf dem Weg nach Kopenhagen, welche hier in aller Ausführlichkeit vorgestellt werden sollen.
Der Roman des „albanischen Homer“ beeindruckte mich zutiefst. Lang lag dieses Büchlein schon auf meinem Nachtschränklein und wartete auf seine Stunde. Empfohlen und lorbeerüberhäuft durch einen erwiesenen Connaisseur des geschriebenen Wortes im Freundeskreis, musste ich diesem Buch einfach eine Chance geben. Dank des luftigen Formats von etwas über 200 eng beschriebenen Seiten rutschte es schnell ins Reisegepäck.
Die Handlung dreht sich, wie der Titel sacht andeutet, um eine Festung. Genauer die Festung Kruje, welche zwischen Mai und September 1450 durch ein gewaltiges osmanisches Heer belagert wird mit dem Ziel den Widerstandsgeist der Albaner endlich zu brechen. Die Geschichte wird dabei hauptsächlich aus der Perspektive der Eroberer erzählt. Die Albaner bleiben größtenteils gesichtslos und unnahbar. Dennoch erlebte ich deses Buch als ungemein packendes Epos, welches den blutigen und verzweifelten Kampf im Mittelalter ungemein dicht beschreibt und dabei auf jeden Chauvinismus verzichtet. Diese, im Bereich historischer Romane so selten vorkommende Eigenart, verdient es hervorgehoben zu werden und macht Lust auf mehr vom Autor.
Plan D war ein Buch auf das ich, sobald ich davon hörte, sehr neugierig war. Alternativgeschichte gehört innerhalb der literarischen Genre von jeher zu meinen Lieblingen, aber eine alternativhistorische Schilderung einer überlebenden DDR ist dabei eines meiner Lieblingssteckenpferde. Wie unsere Welt aussehen würde, wenn es den anderen deutschen Staat heute noch geben würde, das hat mich schon seit längeren zu reizvollsten Gedankenspielereien hingerissen. Meines Erachtens gab es diesbezüglich noch nichts, außer Ditfurths „Die Mauer steht am Rhein“ und dieses Szenario trifft ja auch nicht ganz den erwünschten Sachverhalt. In Simon Urbans Werk hat es die Wiedervereinigung nie gegeben. Eine Wende dagegen schon eher. Die DDR vermochte es mittels einer „Wiederbelebungsphase“ dank Reformierung der Stasi und lukrativer Transitabkommen für russisches Gas existiert die DDR auch im neuen Jahrtausend. Wie zahlreiche andere alternativhistorische Werke nutzt auch „Plan D“ das Mittel des Kriminalromans um seine Story zu vermitteln, die dabei allzu oft zur bloßen Kulisse verkommt. Die eigentliche Geschichte erschien mir dann auch meist als etwas dünn und durchsichtig, wogegen ich gern mehr an Informationen über das Gerüst des Romans gehabt hätte. Hier tauchen durchaus einige amüsante und originelle Ideen auf, bleiben aber insgesamt gesehen ein wenig fleischlos im luftleeren Raum hängen. Nichtsdestotrotz würde ich das Buch empfehlen, so man es als kurzweiligen Versuch ansieht, Gedankenspielereien voranzutreiben. Ich hege die starke Hoffnung, dass diesbezüglich noch entschieden Besseres zu erwarten ist.
Als letzten Urlaubsbegleiter hatte ich mich dann für den letzten einer Reihe entschieden. Den Abschluss einer Serie, die mich über die Jahre hinweg sehr beglückt hat. Wer meine Ausführungen zu den vorangegangenen Büchern kennt, weiß dass ich bezüglich Jasper Ffordes in fast jeder Hinsicht angetan bin. Dies änderte sich auch angesichts des 6. Bandes nicht. Erneut kann man ein Feuerwerk literarischer Andeutungen und verdrehter Perspektivwechsel erleben. Dies alles mit jenem charmanten Understatement garniert, welches das Lesen zum puren Genuss macht. Hierbei die Zehen sanft im Ostseesand kräuseln – es war schon schön!