Ja, der musste noch sein. Den musste ich noch draufsetzen – meinen Kriváń – den Krummen. Mein Berg! Ich behaupte ja gerne jederzeit und ungefragt, dass jeder seinen Berg habe. Muss ja nicht unbedingt so ein Klotz wie meiner sein oder die Verehrung spiegelt sich nicht in schnöder Besteigung wieder sondern in diskreter Verehrung und milden Opfergaben aus Talesnähe. Dennoch, jeder hat seinen Berg und meiner ist der Kriváń!
Als sich annodazumal mein verboddeter Horizont weitete, entdeckte ich voller kindlicher Begeisterung zahllose Höhenschönheiten, doch als ich erstmals die Tatra sah, wusste ich sofort, das hier ist etwas ganz anderes. Und dann sah ich ihn, lässig angelehnt an das westliche Ende der Hohen Tatra wirkte er so losgelöst von den Realitäten wie es einem Haufen Fels nur möglich ist. Sicher, er war gemeinsam mit den anderen gewachsen, war Teil dieses beeindruckenden, und doch irgendwie unabsichtlich zu solcher Größe gewachsenen Massivs. Teil des Ganzen, aber gleichsam nach etwas anderem da draußen suchend? Mein Interesse war geweckt, meine Leidenschaft begann zu lodern.
Und dann nun heute. Diverse Berg-,Wald- und Wolkengeister hatten beschlossen, dass nun auch mal gut sei mit all dem Regen. Der Vorhang öffnete sich und eine, durch jede Menge Wasser gereinigte Atmosphäre legte den Blick frei auf all die Berggrazien. Im Vordergrund, und das machte dieses Mal das Besondere aus, mein Kammweg! Da sah ich nocheinmal meine gesamte Woche von der anderen Seite. Doch dann kam er, der lang ersehnte Aufstieg. Was den Kriváń insbesondere von all den anderen Liebschaften, die ich in den Jahren angesammelt habe, unterscheidet, ist sein sanftes Wesen angesichts des rauen Charakters, den er oberflächlich ausstrahlt. Mählich geht es hinauf, anfangs durch Wald, dann Latschenkiefern. Immer wieder schenkt er Atempausen in Form leichterer Steigung. Dann wird es kantig, voller Freude geht man in die Knie vor dieser liebevoll fordernden Naturgewalt. Mit Händen krabbelnd schubbert man immer höher und höher, bis man schließlich fast unerwartet ganz oben ist. Man erhebt sich, schaut leicht ungläubig um sich und hat jedes Mal diesen ganz besonderen Gipfelmoment.
Der Kriváń ist, wie schon erwähnt, einer der wenigen Tatragipfel, der relativ alleinstehend ist. Dementsprechend phänomenal ist der Blick. Westliche Tatra, Niedere Tatra und die gesamte Hohe Tatra sowieso breiten sich vor einem aus. Das alles, selbst diese Riesen wirken gleichermaßen klein und dennoch als unverwüstliche Einheit, die sich einem weder im Tal noch bei Google Earth derart erschließen. Danke dir hierfür Kriváń, danke für dergleichen Gefühle in allen Etappen meines Lebens. Bis demnächst mal wieder!
Ach was, lass uns fest verabreden. Die westliche Tatra fehlt mir noch. War mit Hund immer schwer. Und jetzt wo ich hörte, dass DDR-Bergsteiger sich immer auf diesem Pass für den Mount Everest vorbereiteten, sollte das doch genau das Richtige für mich sein. Nebenbei führt dieser Kamm sowas von unweigerlich auf dich zu. Also abgemacht, wir sehen uns!
Oh, klingt sehr toll. Und Respekt!!! Melde vorausschauend mein Interesse für die westliche Tatra an!