Lange war es ruhig um das abenteuerliche Unterfangen, die entzückendsten aller Kreisstädte zu entdecken. Natürlich gab es seit Rathenow verschiedene Ausflüge ins Brandenburgische, doch irgendwie reichte es nie für einen eigenen Eintrag in die Kreisstadt-Chronik. Das mag im Falle von Bernau verständlich sein, denn hier setzte uns einerseits überaus ekelhaftes Wetter zu, andererseits hatten wir dieses Städtchen schon in einem anderen Zusammenhang abgearbeitet. Merkwürdiger könnte ein unbefangener Beobachter das Verschweigen von Bad Freienwalde empfinden. Und in der Tat, ich habe für dieses Vergehen keinerlei Verteidigung. Möglicherweise war es der pure Unglaube es geschafft zu haben, denn wir benötigten sage und schreibe vier Versuche um endlich in der betörenden Oderbruchmetropole anzukommen, der mich davon abhielt hier meinen Chronistenpflichten nachzugehen. Doch jetzt ist der Zauber verflogen und es bleibt nur festzuhalten, dass die Nummer 7 der Kreisstadtausflüge nach Bad Freienwalde ging und wir uns hier ganz wohl fühlten. Prägendere Eindrücke blieben jedoch aus und ich denke diese Kreisstadt wird sich schlussendlich auf einem verdienten Platz im unteren Drittel der Rangliste wiederfinden.
Kommen wir aber nun zum eigentlichen Thema: Perleberg – die Perle der Prignitz. Die Erwartungen lagen hoch. Das Zentrum der Westprignitz, dem bevölkerungsärmsten Landkreis Deutschlands war uns von verschiedenen Seiten angepriesen wurden. Angesichts des Brandenburger Standards ideenloser Backsteinbauten und gelangweilter Einkaufstrassen, umrahmt von gezähmter Naturimitation sollte das Städtchen an der Stepenitz ein wenig herausragen. Dementsprechend aufgeregt stiegen wir frohgemut in einen uns mittlerweile wohlbekannten Zug – den RE2 nach Wismar. In Wittenberge gab es beim Umstieg ein kurzes Wiedersehen mit der angeblichen Kreisstadt und nach flinken 10 Minuten mit dem Prignitz-Express waren wir auf einmal in Perleberg.
Sofort umgab uns jene fröhliche Augestorbenheit, welche Brandenburgs Metropolen so unverwechselbar macht. Forsch schritten wir auf dem naheliegendsten Weg in die Altstadt, bogen jedoch kurz vorher ab und umkreisten sorgsam äugend das Perlenherz in dem wir die natürliche Stepenitzinsel einmal fast komplett umkreisten bis wir uns endlich hinein wagten und uns der Backsteinsinfonie hingaben sowie dem berühmten Roland unsere Aufwartung machten. Und genau diese schleichende Annäherung war perfekt. Mit unserem Einritt im Zentrum brach die Sonne heraus und wir eröffneten das Büfett.
Mit jeder Menge „Ohs“ und „Ahs“ honorierten wir dabei den wirklich stattlichen Roland, welcher es wirklich rechtfertigte, dass man ihm die gesamte Stadt widmete. Auch das restliche Altstadtensemble behagte uns ungemein, ja ich erwischte mich sogar in einem unbedachten Moment, wie mich der rote Backstein der Rathausfassade anfunkelte und ich meine lebenslange Abneigung gegenüber diesem Baumaterial kurz vergaß. Sollte es möglich sein? Sollte in Perleberg auch roter Backstein einer Perle gleich glitzern und funkeln können? Doch dieser Moment schwand schnell dahin und bald lustwandelten wir wieder mit normalen Sinnen durch die Stadt, genossen die Sonne, die frische Luft bis uns die Bahn wieder mit Wucht in den Moloch zurückwarf.
Schön war’s, wirklich schön. Natürlich liegt es nicht im Bereich des Möglichen, dass sich Perleberg in der Gesamttabelle unserer Huld auf das Siegertreppchen robbt, keine brandenburgische Stadt spielt in der selben Liga wie Görlitz, Meissen oder Altenburg, aber innerhalb des wüsten Kontinents der terra brandenburgensis könnte es definitiv für einen Spitzenplatz reichen. Perleberg sei hiermit allen Ausflüglern und Provinzconnaisseuren wärmstens empfohlen.