Zum Jahresabschluss der Kreisstadtexkursionen sollte es nun endlich in die Hanse- und Baumkuchenstadt Salzwedel gehen. Neugierig und mit hohen Erwartungen setzten wir uns in den Zug um gen Altmark zu tuckern. Auch wenn der maroden Deutsche Bahn kurz vor Magdeburg die Luft ausging und wir voller Dankbarkeit für die Unterbrechung ein unscheinbares Örtchen namens Güsen genauer kennenlernen durften, erreichten wir schließlich bei feinsten Sonnenschein die Metropole an der Mündung der Dumme in die Jeetze.
Mit Salzwedel besuchten wir im übrigen den zweiten von drei Publikumsjokern, welche in den Anfangszeiten der Kreisstadtexkursionen gekürt wurden. Ein begeisterter Mitreisender wies uns damals völlig zurecht darauf hin, dass unser Auswahlverfahren sich bei den Kreisstädten ja nur die Rosinen herausgepickt hätte und wir auf diese Weise niemals durchschnittliche, ehrliche Kreisstädte kennenlernen würden. Daher schrieben wir flugs alle 132 Kreisstädte auf Loszettel und zogen mit theatralischer Geste jeweils einen davon. Die Ergebnisse lauteten Hagenow, Salzwedel und Zeitz. Mit der erstgenannten Kreisstadt lernten wir in der Tat eine respektabel durchschnittliche Kreisstadt kennen, welche seitdem auch stolz den letzten Platz im Gesamtklassement verteidigt. Salzwedel, soviel sei hier schon einmal verraten, sollte dieses Schicksal keineswegs ereilen.
Das kleine Städtchen ist wenige Baumkuchenwürfe vom Bahnhof entfernt und schmeichelt dem Auge gleich von Beginn an mit einer unaufgeregten Mischung aus Fachwerk und Backstein. Die kontinuierlich die Altstadt durchziehenden Kanäle fallen sofort auf und lassen es nicht nachvollziehbar erscheinen, dass man auf den gängigen Stadtbeschreibungsportalen nichts von einem Venedigvergleich lesen durfte. Aber wer weiß, vielleicht war einfach kein Platz mehr zwischen Hanse und Baumkuchen für etwas derart Belangloses.
Daneben gibt es noch erstaunlich viele Kirchen, ein paar Burgreste und reichlich Stille bis wir erstmals mit dem unique selling point der Altmarktperle in Berührung geraten – Baumkuchen. Natürlich kamen wir hier an dem Konditorpaten Kruse nicht vorbei, dessen diverse großflächigen Reklametafeln uns schon ab dem Bahnhof zuverlässig den Weg ins Café Kruse wiesen.
Nach Baumkuchenheidelbeertorte und einem Kännchen Kaffee (drinnen) ziehen wir weiter um auf dem überschaubaren Weihnachtsmarkt noch ein Heißgetränk zu erwerben. Zwischendurch kaufen wir in allen verfügbaren Bäckereien verschiedenste Baumkuchen und hätten somit auch die leidige Geschenkefrage für dieses Jahr auch erledigt. Unsere rastlose Jagd nach Sehenswürdigkeiten erfährt dann doch noch ein fatales Missgeschick: tatsächlich unterlassen wir es dem Geburtshaus der wohl bedeutendsten Tochter Salzwedels unsere Aufwartung zu machen – Jenny Marx.
Stattdessen lassen wir uns erfolgreich ablenken von einem treuherzigen Beispiel altmärkischen Humors und kichern verhalten über die Anmerkungen am Puparschbierbrunnen. Leider müssen wir wenig später erfahren, dass schon seit längerem in Salzwedel kein Bier mehr gebraut wird, womit die der Aushang auf relativ beschissene Art gegenstandslos wäre. Nichtsdestotrotz ziehen wir noch ein paar fröhliche Runden durch die ausgestorben wirkende Stadt und verlassen Salzwedel mit der Abenddämmerung und dem sicheren Gefühl ein ganz besonderes Kreisstadtschätzchen entdeckt zu haben.