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Marokko – ein Land mit einem, auf den zweiten Blick reichhaltigen Literaturangebot. Neben einer großen Anzahl von, nicht aus Marokko stammenden Autoren, die sich hier inspirieren ließen – Paul Bowles, Truman Capote, Jack Kerouac und William S. Burroughs bildeten beispielsweise für lange Zeit in Tanger ein hochkarätiges literarisches Quartett – gibt es auch einige bedeutende Eigengewächse. Nein, Marokko beschenkte mich tatsächlich mit einigen unerwarteten Lektüreschätzen.
Das Land der Anderen (2021) Leïla Slimani
An und für sich fremdle ich ja oft mit den hochgejubelten Literaturstars der Gegenwart. Entweder ist mir ihr Stil ist zu affektiert und bemüht avantgardistisch, die Themen zu zeitgeistig und mich nicht wirklich interessierend oder berührend. Doch natürlich gibt es auch hier zahlreiche Ausnahmen. Der Roman, welcher im Original „La guerre, la guerre, la guerre“ heißt und den Auftakt einer marokkanisch-französischen Familientrilogie darstellt, ist zweifelsohne eine dieser Ausnahmen. Die Erzählung ist fesselnd ohne allzu eingängig daherzukommen, die Charaktere sind überzeugend weil von Licht und Schatten gleichermaßen berührt, die Sprache ist inspirierend ohne zu gekünstelt zu sein und nicht zuletzt erfährt man einiges über das gerade bereiste Land. Und dies genau in der richtigen Dosierung: ohne ständig nachzuschlagen oder beim Urschleim anfangen zu müssen. Ich war bis zur letzten Seite angetan von der Handlung und freute mich nun auf den Nachfolgeband.
Die Stimmen von Marrakesch (1967) Elias Canetti
Wir waren gerade das Drâatal hinaufgefahren und standen in Agdz (was passenderweise soviel wie Rastplatz heißt) vor der Entscheidung den Bus nach Marrakesch zu nehmen oder über den Atlas nach Agadir ans Meer zu fahren. Tatsächlich waren wir so traumatisiert von großen Städten, dass wir einen Ruhetag am „Rastplatz“ einlegten und ich stattdessen zu diesem kleinen Büchlein griff. Beziehungsweise zum Hörbuch, welches meine Lieblingsbibliothek (VÖBB) zufälligerweise vorrätig hatte. Was war ich überrascht als ich bemerkte, dass der Text tatsächlich vom Autor eingelesen war. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich mich anfangs als ich die knarzige Stimme mit dem leichten Wiener Dialekt vernahm. Doch sehr schnell begeisterte ich mich für die authentische Aufnahme. Das Blättern des Papiers, das keuchende Lispeln und die gesamte energische Performance – da hätte inhaltlich eigentlich gar nicht mehr so viel geboten werden müssen. Wurde es aber. Allein die Beobachtungen über Kamele und Esel hätten schon gereicht, doch es kamen noch so viele hervorragend herausgeschälte Eigenheiten des marokkanischen Stadtlebens zur Vorstellung, so dass die knappen zweieinhalb Stunden viel zu schnell rum waren und ich diesen vorzüglichsten Hörleckerbissen seit Langen nur wärmstens empfehlen kann.
Das nackte Brot (1972) Mohamed Choukri
Ein brutales Buch. Fast ununterbrochen wird hier gesoffen, geprügelt, gehungert, gefickt und geflucht – es ist ein düsterer Einblick in die späten 40er und frühen 50er des 20. Jahrhunderts zwischen Tanger und Oran. Roh, direkt und irgendwie abgestumpft hangelt sich die autobiographische Erzählung durch das Leiden und Überleben der Ärmsten Marokkos und Algeriens. Ein Buch was demzufolge lange nach seinem Erscheinen in den arabischsprachigen Ländern verboten war, packte mich tief bei der Wurzel und hinterließ trotz des Themas nicht die Abscheu, welches vergleichbare Romane erzielt haben. Vielleicht weil ich bei aller Abneigung irgendwie auch fasziniert war, was für ein Sündenpfuhl zumindest Tanger einmal gewesen sein muss. Das Ausmaß an Sauferei und Hurerei, welches hier beschrieben wird, ist angesichts des heutigen Zustands schier unvorstellbar.
Schaut, wie wir tanzten (2022) Leïla Slimani
Und zum Abschluss, wie angekündigt, nahm ich mir dann noch den zweiten Teil der Trilogie von Slimani vor (der letzte Teil ist bislang noch nicht erschienen), welcher ein gutes Jahrzehnt später in den 60ern/70ern spielt. Auch dieser Band ist eine atmosphärisch dicht geschriebene Geschichte, welche die bereits bekannten Figuren überzeugend weiterentwickelt und neue Personen gekonnt hinzugefügt. In meinen Augen gelingt es der Autorin dieses Mal sogar noch besser die verschiedenen gesellschaftlichen Wirklichkeiten sowie deren Wandel in jener Zeit mittels der handelnden Protagonisten wiederzuspiegeln. Ich habe hier viel verstanden und erfahren über mein gegenwärtiges Gastgeberland und fiebere dem abschließenden Band entgegen. Allein die Choucroute-Szene, als die in Marokko aufgewachsene Tochter der Elsässerin, die hochrangige Beamtenkollegschaft ihres Mannes mit dieser deftigen Schweinespezialität zu verwöhnen sucht, und überrascht ob deren Missfallen reagiert, erschien mir irgendwie nicht recht glaubwürdig.