Es gibt in der Tat problematischere Zwangsstörungen als, in gewissen Abständen zu den Büchern von Sergej Lukianenko greifen zu müssen. Seit der um die Jahrtausendwende mit den Wächter-Romanen mein Herz im Sturm eroberte, erliege ich immer mal wieder der Hoffnung derlei Spektakuläres erneut unter den neueren Werken des Meisters zu finden. Meine regelmäßigen Kritiken legen von ein beredtes Zeugnis ab. Enttäuschung wird hier zwar nie serviert, immer sind es schwungvoll entworfene Themen aus einem Bereich den ich weder Science-Fiction noch Fantasy sondern eben, ganz russisch, Phantastik nennen würde. So gesehen sind Lukianenkos Bücher dann zumindest auch immer willkommene Abwechslungen. Der Unterschied ist nicht groß, aber spürbar, angesichts des kulturellen Gleichtakts der einem aus den meisten Büchern des angelsächsischen, zentraleuropäischen Kulturraums entgegen schlägt.
„Labyrinth der Spiegel“ stellt dabei noch in anderer Hinsicht eine Abwechslung dar. Das Buch demonstriert auf unfreiwillig komische Art die rasante Entwicklung der digitalen Revolution. Lukianenko skizziert in seinem, aus dem Jahr 2009 stammenden Roman, eine virtuelle Realität, wie wir sie zwar leider immer noch nicht erreicht haben, doch die Instrumente und Begleitumstände, wirken enorm wirklichkeitsfremd. Auch wenn die virtuelle Welt hier dank eines Tricks erreicht wird, der Autor also geschickt die technischen Fallstricke, die ein solches Szenario in sich birgt, umgeht, sträubt sich in mir alles wenn ich ertragen muss, dass der Protagonist sich mit Windows Home über sein Modem einwählt. Auch wenn im Kielwasser solcher Erwägungen folgende aufreizende Stilblüten entstehen:
Wer benutzt denn heute noch einen Mac? Es hat Menschen und Neandertaler gegeben, dann kamen IBM und Apple. Morsche Zweige sind nicht lebensfähig.
Zweifelsohne handelt es sich hier nicht um seinen besten Wurf, doch abseits der perspektivischen Fehlkalkulationen und des gerüttelt Maß an dumpfen russischen Nationalismus à la „Dafür dass er durch und durch Amerikaner war, war er ganz in Ordnung“ gibt es auch in diesem Buch gelegentlich hellere Momente mit denen ich bislang noch in jedem Lukanienko-Buch belohnt wurden bin. So stolperte ich richtiggehend über erfrischende Inspirationen zu den Konsequenzen die eine Künstliche Intelligenz für die menschliche Evolution mit sich bringen könnte oder die Frage warum die Stoßrichtung jeglicher Virtualität immer eskapistische Tendenzen tragen muss.
Alles in allem also ein durchschnittlich guter Lukianenko. Für Kenner der Materie durchaus auslassbare Lektüre und für Einsteiger gibt es weitaus Besseres (s. oben).