Auch dieses Jahr möchte ich hier einen kurzen Rückblick auf mein vergangenes Podcastjahr werfen. Dabei bin ich zunächst erst einmal doch etwas überrascht, dass ich über dieses Jahr tatsächlich aktiver Podcastkonsument geblieben bin. Im Vorfeld der Planung unserer Radreise für die Saison 2019/20 war ich mir zumindest etwas unsicher, ob dies während des Radfahrens tatsächlich möglich wäre, sprich ob ich mich darauf konzentrieren könne oder ob die Themen aus der vertrauten Bubble mich eventuell nicht mehr so sehr berühren könnten. Tatsächlich begann ich erst recht spät, nach drei bis vier Wochen, während der Fahrt Podcasts zu hören. Also in etwa die Zeit, wo die übliche Frist eines Sommerurlaubs endete und etwas anderes begann. Außerdem führte die Reise dann doch zu einer lange geplanten Säuberung meiner abonnierten Podcasts. Wie ich schon in der Podcast-Revue 2018 erwähnte, haderte ich mit einigen Erscheinungen in der Podcastszene. Die kritisierten Probleme blieben weitestgehend bestehen: Die zunehmende Kommerzialisierung, ausgedehnte Bettellitaneien zu Beginn und am Ende etlicher Podcasts (ohne mittels Kapitelmarken dem Vielhörer Erleichterung zu verschaffen) aber vor allem der unangenehme Trend Selbstreflexion mit Selbstironie zu verwechseln. Schlicht und einfach, das zunehmende Gefühl, dass alle nur noch reden wollen und kaum einer zuhören als notwendig erachtet, sei es seinen Zuhörern oder auch anderen Podcasts.
Die radikale Säuberungskur, die ich daher meinem Podcatcher verordnete, führte zu einer soliden Trennung von fast allen Laberpodcasts. Nur „Gästeliste Geisterbahn“ und „Expertengespräche“ überlebten diesen Rundumschlag, Aber Vorsicht, auch diese stehen bis auf weiteres nur unter Vorbehalt auf meiner Liste. Desweiteren verzichtete ich auch auf den ganzen Medien-Serien-Film-Schnickschnack. Podcasts wie „Das kleine Fernsehballett“ oder „Die Schaulustigen“ ermüden und nerven mich wie gesagt schon seit längeren, warum sich das also weiter antun?
Kommen wir nun aber zu den positiven Nachrichten, den Höhepunkten und Neuentdeckungen. Um es vorwegzunehmen, viel Neues habe ich nicht im Angebot. „Culina – der historische Kochcast“ ist wohl die einzige große Ausnahme. Souverän und sachkundig bekommt man hier in wohl dosierten Portionen Wissenswertes aus der Historie des Geschmacks präsentiert. Hoffentlich ist dies nicht auch wieder nur ein Strohfeuer von 5-10 Folgen. Ein anderer, vorsichtig zu erwähnender Podcast wäre das neue Projekt von Tim Pritlove „UKW – Unsere kleine Welt“. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass Tim den Wortwitz von UKW erlegen ist und damit unbedingt etwas anfangen wollte. Und warum auch nicht?! Bislang konnte man auf diesem Kanal recht kurzweiligen Interviews mit deutlichem Erkenntniswert über den Brexit und die Situation in Hongkong zuhören. Warten wir’s ab wo es hinführen wird. Ein anderer Neuling gefällt mir wider Erwarten bisher ganz gut und zwar „Reflektor“ aus dem Hause „Viertausend Hertz“. Hier spricht Jan Müller von Tocotronic mit Musikern, die in irgendeiner Weise sein Leben beeinflusst haben oder die er sonstwie für relevant hält. Natürlich hängt hier viel vom jeweiligen Gast ab, doch im Durchschnitt geht man aus so einer Folge meist bestens unterhalten heraus.
Für die besten Folgen in diesem Jahr waren, wie auch im letzten Jahr die üblichen Verdächtigen verantwortlich. Es steht außer Frage, dass für eine Reise wie die unsrige, die Ausgaben von „Ballaballa-Balkan“ natürlich wertvoller denn je waren, aber die Folge über jugoslawische Partisanenfilme war zweifellos in jeder Hinsicht ein Hauptgewinn. Die Herren von „Zeitsprung“ hielten auch in diesem Jahr in bewundernswertem wöchentlichen Rhythmus ihr Niveau. Eine Folge soll dennoch gesondert hervorgehoben werden, und zwar die über den polnischen Soldatenbären Wojtek. Doch die größten Überraschungen kamen wie letztes Jahr über andere, unerwartete Kanäle. Wie auch schon früher häufiger waren es thematisch abgeschossene Produktionen, die mich fesselten. Ganz vorn dabei die Reihe „Pop kann alles“, produziert von lautgut und inszeniert von dem, mir immer stärker ans Herz wachsenden Nils Bokelberg. Selbiger brachte dann auch noch mit „Faking Hitler“ eine exzellent produzierte Serie heraus, die man eigentlich schon gar nicht mehr als Podcast einordnen möchte, da hierzu für mich auch immer ein wenig Dilettantismus gehört. Als ob dies nicht schon mehr als genug wäre, legt er dann zum Jahresende nochmal nach um bei „Wimaf“ den Star-Trek-Dezember einzuleiten und in munterer Unbedarftheit alle 13 Filme zu bequatschen.
Wenn wir einen Blick auf die Statistik werfen, wird ersichtlich, dass der Konsum doch geringfügig rückläufig ist. Dies mag hauptsächlich daran liegen, dass ich zwar regelmäßig Podcasts auf dem Rad hörte, aber da ich es zum Beispiel während Bergwanderungen oder bei der Olivenernte unterließ, kommt es hier zu einer gewissen Diskrepanz. Dennoch halte ich fast 16 Tage reine Hörzeit immer noch für beachtlich. Auf Platz 1 wie gewohnt die Freakshow, doch weiterhin kommt dieser hohe Wert nur aufgrund der langen Sendezeiten zustande, denn nur dank Kapitelmarken gehört dieser Podcast noch in mein Sortiment. Doch der Abstand zu Wimaf auf Platz 2 ist eine klare Ansage. Nur 12 Stunden liegen hier dazwischen. Wäre mir das früher aufgefallen, hätte ich den Star-Trek-Dezember in einem Stück gehört um nennenswertenden Überraschungssieger klar zu machen. Schade, aber vielleicht dann nächstes Jahr. Ansonsten gab es kaum Veränderungen im Ranking, außer jeder Menge Podcasts, die letztes Jahr noch einen gute Rang ergattern konnten und nun gar nicht mehr auftauchen. Schauen wir mal, was die goldenen 20er bringen. Ich bin gespannt.
Ich höre auch recht viel von BBC oder Deutschlandfunk. Vor allem auf längeren Reisen sind Podcasts für mich auch Ersatz für Fernsehnachrichten und Zeitungen.
Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht: Je interessanter die Reise, umso weniger höre ich. Wenn ich einen ganzen Tag spazieren gehen kann, ohne einmal den MP3-Spieler rauszuholen, dann weiß ich, dass es ein erfüllter Tag war.
Und BallaBallaBalkan auf dem Balkan zu hören ist natürlich perfekt! Ich kann mich noch immer an die Tito-Folge errinnern, die ich bei der Überquerung des Vrmac zwischen Kotor und Tivat gehört habe.
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