Ein furioses, alle Grenzen sprengendes Rekordjahr ist vorüber. Niemals, seit ich Podcasts höre, rieselte mehr Gelaber, Palaver und Schwadronierei in mein Ohr. Ganze 42 Tage und 18 Stunden präsentiert die humorlose Registrierkasse zum Jahresabschluss. Moment mal, 42 Tage?!! Also über 11% des Jahres, Tag wie Nacht? Selbst der Verweis auf die abzuziehende Zeit wie lautlos gestellte Kapitel, übersprungene Outros und andere Podcastanteile machen es nicht wirklich unvorstellbarer. Knapp sechs Tage kann man so abziehen, was immer noch gewaltige 36 Tage bedeutet, welche ich mit Podcasts verbracht habe. Beachtlich, fürwahr.

In der Ewigen Tabelle meiner Hörgunst deutet sich ein spannendes Elefantenrennen an der Spitze an. Die „Lage der Nation“, lange für mich eine Art unverzichtbares Wochen-Update für all die Nachrichten und Neuigkeiten, die man nur mit halber Aufmerksamkeit und bloßer Schlagzeilentiefe verinnerlicht hat, wurde hier mit viel Ruhe und Liebe zum relevanten Detail ausgebreitet. In diesem Jahr verspürte ich aber immer weniger Interesse an den Feinheiten des deutschen Politbetriebs sowie die, zumindest auf mich so wirkende, anbiedernde und um Dazugehörigkeit buhlende Hofberichterstattung à la Scholzschnarch-Interview. Die „Geschichten aus der Geschichte“ gehören dagegen weiterhin zu der beständigsten Konstante in meinem Podcast-Universum, und wenn auch mal eine langweiligere Folge dabei sein sollte, gewinnen sie auf jeden Fall durch die alles übertrumpfende B-Note. Einige der hier aufgelisteten Podcasts höre ich nur zum Teil der Inhalte wegen, vielmehr weil mir ihre Gesprächskultur gefällt und sie ganz allgemein eine positive Stimmung durch ihren Umgang miteinander verbreiten. (Ein herausragendes Beispiel hierfür ist unter anderem der „Niemand-wird-verurteilt“-Podcast: Die dort behandelten Themen sind mir meist komplett wuppe und gehen meilenweit an meiner Lebensrealität vorbei, aber ich mag einfach wie die beiden miteinander reden. Ansonsten gibt es nicht allzu viele Neuigkeiten in dieser Rangliste. Klar, denn um hier sichtbar zu werden, muss man ja quasi locker drei Tage gehört werden. Das ist selbst für einen großen Wurf kein Pappenstiel.

Zoomen wir daher ein wenig rein in das vergangene Jahr. Wie kamen denn nun diese 36 Tage genau zustande. Da wären allein 14 Podcasts die mich jeweils über einen Tag bei der Stange gehalten haben. Große Überraschung hier zweifellos: „Fest & Flauschig“ und im übrigen auch ein imposantes Denkmal meines prinzipienfesten Hörkonsums. „Sanft & Sorgfältig“ gehörte zweifellos zu jenem legendären Muttermilchmix meiner Podcastkindheit. Nachdem sie radioeins verließen, gab es noch lange einen halblegalen feed, der sie von spotify in meinen Podcatcher spülte. Als dieser schließlich verebbte, machte ich für die beiden die riesige Ausnahme und hörte sie bei spotify weiter (Dogma meinerseits: Alles was keinen rss-feed hat, ist kein Podcast!). Doch als auch dies irgendwann unmöglich gemacht wurde und sie sich endgültig hinter der paywall versteckten, zog ich die Konsequenzen und hörte sie halt nicht mehr. Wie man sieht, habe ich genug andere Podcasts und irgendwie hatte ich sowieso das Gefühl, dass uns eine kleine Pause guttun könnte. Ollis ununterbrochene, aggressive Lamentiererei und Jans distanzierte Besserwisserei ermüdeten mich, speziell in der Covid-Ära, auch dank erhöhter Ausstoßrate des Formats ein wenig. Und dann ploppten nach über fünf Jahren auf einmal und komplett unerwartet in dem halblegalen Abonnement wieder Folgen auf. Das Warten hatte sich gelohnt, die beiden sind gut gereift und machen mir wieder richtig Spaß wie man an der Hördauer von fast zwei Tagen in einem knappen halben Jahr unschwer erkennen kann.

Unter den anderen Podcasts mit über einem Tag Hördauer gibt es eigentlich nur zwei neue Gesichter: Die Lange Nacht und die „Supernasen“. Bei letzteren handelt es sich um einen recht belanglose, nur bisweilen sacht und oftmals ungewollt komische Dampfplauderei (außerdem ein kurzer Moment um sich in meiner Anerkennung zu sonnen, da die beiden sich mit Ende des Jahres 2024 beleidigt zurückziehen), aber bei der „Langen Nacht des Deutschlandfunks habe ich eine unschätzbar kostbare Perle gehoben. Einer dieser Schätze bei denen man sich nur fragt: Warum erst jetzt? Über Mastodon erhielt ich die Empfehlung für das, mich selbstverständlich reizenden Themas namens Algerien. Nachdem mir die ruhige, ab- und umherschweifende Art, mit dem Thema umzugehen sehr gefallen hatte, schaute ich mich weiter um und hörte mich entsprechend meiner Interessen durch das Menü dieses großartigen Podcasts.

Im unteren Mittelfeld sowie den unteren Plätzen finden sich außer den üblichen Verdächtigen, welche aufgrund einer kurzen Episodendauer nie eine realistische Chance haben, in dieser rein quantitativen Bestenliste auf den vorderen Rängen aufzutauchen: „Der geheime Garten des Jazz“, „Auf den Tag genau“ und „Alben für die Ewigkeit“ – alle sind Samt und sonders empfehlenswert.
Die Verlierer dieses Jahres sind klar zu benennen: Zum einen „Das kleine Fernsehbalett“: Wie groß war die Freude im letzten Jahr noch als ich erfuhr, dass dieses eingestellte Format wiederauferstehen sollte. Voller Genuss lauschte ich den beiden für ein knappes halbes Jahr bis sie sich wie soviele Übergeschnappte auch hinter die Bezahlmauer verkrochen. Wie ich hörte, erging es ihnen dort nicht sonderlich gut und ihr Podcast wurde mal wieder eingestellt. Zum anderen sackte der „Reflektor“ rapide in meiner Gunst ab. Einst zählte ich ihn zu den bestvorbereiteten und unterhaltsamsten Musik-Podcasts, doch dann änderte sich mit der Loslösung aus dem alten Label irgendwas in der Stoßrichtung des Formats. Es wurde mir zu speziell und selbstreferenziell. Mal sehen wohin die Reise noch geht, aktuell passe ich.
Neueinsteiger
- Fest & Flauschig
- Lange Nacht
- Das war morgen
- Zündfunk
- Die Supernasen
- Aus den Archiven
- Schreiben & Schreddern
Absteiger

Abgeschlossene Serien
So ein Podcastjahr ist schon ganz schön lang und manches gerät im Laufe dieser Zeit in Vergessenheit. Viel Gelaber, Palaver und ein großes Rauschen. Was in Erinnerung bleibt, sind oftmals Podcastreihen zu einem bestimmten Thema. Natürlich nicht alle, denn auch hier gibt es jede Menge Quatsch, doch die fünf unten aufgelisteten Serien sind von mir goutiert und als empfehlenswert geadelt.
- Balkangambit – eine Reihe der bpb, daher natürlich etwas steif und korrekt, nichtsdestotrotz eine, über weite Strecken gelungene Zusammenfassung der aktuellen Lage auf dem Balkan
- Krieg im Schatten – und noch eine Reihe mit Balkanhintergrund, aber eine, die mich umhaute
- Wild Wild Web – Geschichten aus dem Internet, produziert vom Bayrischen Rundfunk, auch die zweite Staffel ist größtenteils amüsant bis informativ – die dritte Staffel liegt schon in der Warteschleife
- Musik ist eine Waffe – die achtteilige Produktion über „Ton Steine Scherben“ nehme ich eher zögernd in diese Liste auf, so richtig gefallen hat sie mir nicht, aber irgendwie gehört sie eben doch empfohlen
- Seelenfänger „Toxic Tantra“ – die vierte Staffel über einen dreisten Tantra-Guru aus Rumänien packte mich dann mal wieder nach dem mich die letzten zwei Staffeln relativ kalt ließen. Die erste Staffel über den Anastasia-Kult bleibt weiterhin die Beste.
Abschließend kann ich mich nur jedes Jahr wiederholen: Es wird nicht origineller, witziger oder einfach nur lässiger mit dem deutschsprachigen Podcast. Die Kommerzialisierung gräbt dem besonderen Wesen des Podcasts weiterhin erfolgreich das Wasser ab und es geht definitiv in eine Richtung in der mehr Leute reden als zuhören. Aber das ist kein Grund zum Jammern. Schließlich sind wir alle frei zu entscheiden wem und wann wir zuhören und es gibt ja auch immer noch das üppige, schillernde Dickicht der Hörbücher.

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