- Wie es begann oder was vor einer Weltreise alles getan werden muss
- Warum es begann oder wie wir vom Hamsterrad aufs Fahrrad sprangen
- Und es beginnt.
- Von Spreeathen nach Elbflorenz
- Mehr Wasser wagen
- Die „Elbe“ hinauf zur Moldau
- Bonustrack 01 – Die Elbe
- Tanze Lumbago mit mir
- Die unerträgliche Leichtigkeit der Moldau
- Tschechien: Was noch zu sagen bleibt
- Der erste 1000er
- Bonustrack 02 – Die Moldau
- Servus Donau
- Der erste Monat
- Österreich: Was noch zu sagen bleibt
- Die Vierstaatentournee
- Kilometer 2000
- Bonustrack 03 – Die Donau
- Von der Sava nach Sarajevo
- Zwei Monate unterwegs
- Bonustrack 04 – Von Wien nach Bosnien
- Von Sarajevo an die Adria
- Russen, die auf Ziegen starren
- Drei Monate
- Ratgeber: Peaks of the Balkans
- 3000 Kilometer
- Bosnien-Herzegowina: Was noch zu sagen bleibt
- Bonustrack 05: Bosnien – Klappe, die Erste
- Montenegro: Was noch zu sagen bleibt
- Vier Monate
- Durch das Land der Skipetaren
- 4000 Kilometer
- Bonustrack 06 – Giro di Salento
- Fünf Monate
- Bonustrack 07 – Von Sarajevo an die Adria
- Albanien: Was noch zu sagen bleibt
- Der Rest des Balkans – von Albanien nach Peloponnes
- 5000 Kilometer
- Die Outdoor-Küche: Ein kulinarischer Streifgang
- Sechs Monate
- Alle Räder stehen still: Winterpause
- Diskret auf Kreta
- Stayin‘ Olive – eine Liebeserklärung
- Sieben Monate
- Bonustrack 08 – Von zweien, die auszogen, das Melken zu lernen
- 6000 Kilometer
- Acht Monate
- Bonustrack 09 – Gefahren in Albanien
- Ohne Fleisch keine Reis‘
- Griechenland: Was noch zu sagen bleibt
- Neun Monate
- 7000 Kilometer
- Bonustrack 10 – Reif für die Inseln
- Zypern: Was noch zu sagen bleibt
- Zehn Monate
- 8000 Kilometer
- Radfahren in Zeiten der Seuchenapokalypse – Teil 1
- 9000 Kilometer
- Ein Jahr
- 10000 Kilometer
- 13 Monate
- Bonustrack 12 – Cyprus Hill
- 11111 Kilometer
- Bulgarien: Was noch zu sagen bleibt
- Dankeschön
- Türkei: Was noch zu sagen bleibt
- 14 Monate
- Serbien: Was noch zu sagen bleibt
- Ausrüstungskritik – ein Hui und Pfui des Zubehörs
- Rumänien: Was noch zu sagen bleibt
- Ungarn: Was noch zu sagen bleibt
- Polen: Was noch zu sagen bleibt
- Radfahren in Zeiten der Seuchenapokalypse – Teil 2
- Bonustrack 13 – Immer weiter, ganz nach Kars
- Bonustrack 14 – Türkei 2020, die Rückkehr
Knapp einen Monat sind wir durch Bosnien-Herzegowina gereist und sehr viel mehr Zeit habe ich mir genommen um dieses Erlebnis sacken zu lassen. Ich gönnte mir diese Zeit absichtlich um die gewonnenen Eindrücke mit gebührenden Abstand reifen zu lassen, um sie dann guten Gewissens niederzuschreiben und mit der interessierten Leserschaft zu teilen. Nun, ich muss gestehen, dass die verronnene Zeit nur in geringem Maße dabei geholfen hat, um zu einem halbwegs akzeptablen Gesamturteil zu gelangen. Aber wer braucht schon Gesamturteile?!
Nichtsdestotrotz muss es versucht werden denn es gibt da einiges was mitgeteilt gehört. Man mag jedoch das Folgende nachsichtig beurteilen, denn es wird nun sehr subjektiv und mit Sicherheit auch sehr naiv, denn es versteht sich von selbst, dass meine Einsichten nur situationsgebundene Teilmengen einer komplexen Gemengelage sein können. Zudem sei vorgemerkt, dass ich mich dem „Kernland“ Jugoslawiens mit äußerst ausgeprägten Wohlwollen näherte, denn ich bin und bleibe ein Freund der jugoslawischen Idee und leide täglich unter den Folgen der Kleingeistigkeit nationalistischer Konstrukte. Obzwar der erste und härteste der Kriege, die Jugoslawien zerriss, speziell Bosnien in seinen Grundfesten erschütterte und nachfolgend in ein politisches Gerüst zwang, welches wenig Grund zum Optimismus bot, hatte ich die illusorische Hoffnung hier etwas von dem zu finden was meine Sehnsucht nach mulitikultureller Normalität stillen könnte. Daher reiste ich voller Vorfreude an um zu entdecken und zu verstehen, um hier, einerseits Reste jenes idealisierten Vielvölkerstaats zu finden, oder andererseits Gründe für sein Scheitern auszumachen. Mächtige Worte fürwahr, schauen wir mal was daraus wurde.
Doch zunächst traf ich erst einmal auf unglaublich freundliche, herzliche und offene Menschen. Und dies muss hier nochmals in aller Eindringlichkeit hervorgehoben werden: Wir/ich haben in den letzten Jahren viele Gegenden durchreist und ich höre nicht auf die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft auf all diesen, unseren Reisen zu preisen, doch nachdem wir die Sava überquerten, erfuhren wir etwas, dass wir in der Form noch nicht erlebt hatten. Nicht allein aufgrund der Schwierigkeit, dies zu beschreiben, ohne es fahrlässig zu überhöhen oder es, noch schwerwiegender, nicht ausreichend zu beschreiben, haderte ich lange mit meiner vorläufigen „Charakterisierung“ dieses, mich so stark polarisierenden Landes. Belassen wir es daher für diesen Moment dabei: Fahrt nach Bosnien! Macht eure eigenen Erfahrungen – ihr werdet mich dann hoffentlich verstehen.
Wir durchqueren für knapp 20km die Entität Föderation. Was für den Trekkie sehr verheißungsvoll klingt, ist dann doch leider nur ein zahnloses Vehikel politischer Ratlosigkeit. #projektradria
— sasza (@muenzenberg_) June 30, 2019
Doch es wurde bei aller Herzlichkeit auch oft sehr irritierend für den offenen und selten reinredenden Zuhörer. Die melancholische Sorglosigkeit, welche so viele Bosnier auszeichnet wird bei besseren Kennenlernen und genauerer Beobachtung allzu oft von einer bizarren Schizophrenie untergraben. Der Krieg ist nachvollziehbarerweise noch sehr präsent und fast jedes Gespräch berührt ihn daher auch irgendwann. Natürlich bekunden die meisten dieser herzensguten Menschen ihr Unverständnis ob dieser sinnlosen Gräuel und schauen oftmals sehnsuchtsvoll in die historische Ferne als noch alle friedlich miteinander auskamen und in Wohlstand und Harmonie lebten. Doch auf den zweiten Blick wird offenbar, dass der Bürgerkrieg in den Köpfen noch nicht beendet ist. Die Waffen mögen seit einem knappen Vierteljahrhundert ruhen, doch das Gift des Nationalismus und die Erinnerung an das erlittene Leid führen im Verbund mit der auf fortwährender Spaltung aufbauenden politischen Konstitution Bosniens dazu, dass die Wunden nicht vernarben und die Irrationalität sich über die Zeit behauptet.
Beispiel gefällig?! Die Entitätengrenze verläuft verdammt nah an Sarajevo vorbei, so dass einige Vororte noch zur Republika Srpska gehören, während der Großteil der Stadt der Föderation angegliedert ist. Aus mir nicht näher bekannten Gründen ist Benzin in der serbischen Entität deutlich günstiger. Als ich daher unseren leidenschaftlichen Stadtführer, welcher sich der muslimischen Peergroup zugehörig fühlt, fragte, ob er denn nicht oft zum tanken die eine Straße rüberfahre, zischte dieser nur kalt, dass die Serben keinen Heller von ihm bekämen und er den Aufpreis liebend gern in Kauf nähme. Man stelle sich dies in einem anderen Kontext einer beliebig geteilten Stadt vor! Wenn die Abneigung dem Anderen gegenüber derart stark ist, dass selbst die Versuchungen des schnöden Mammons verpuffen, dann muss der Stachel noch sehr tief sitzen.
Auch eine andere Anekdote verdeutlicht dies und auch wenn wir, während diese bei ausreichend Fleisch und Bier in einer lauschigen Nacht in Sarajevo zum besten gegeben wurde, herzlich lachten, versackte mein Amüsement schon im Moment der Erzählung. Das Kroatische kennt als einzige slawische Sprache ein Wort für Brot, welches vom sonst universell anwendbaren chleb abweicht, und zwar kruh. Es war erneut unser liebenswürdiger Stadtführer in Sarajevo, der uns voller Inbrunst von einem Besuch in Neum erzählte, jenes Zipfelchen Küste, die Kroatien Bosnien überließ. Es begab sich das er es eines Morgens eben dort unternahm, in eine Bäckerei zu gehen um Brot zu erstehen. Seine Bitte um „hljeb“ wurde jedoch als nicht umsetzbar beschieden. Er hakte nach, da er doch jede Menge Brot in der Auslage sehen würde. Die Verkäuferin beharrte jedoch darauf, dass sie „hljeb“nicht im Angebot hätte. Der Streit eskalierte, man schrie sich an, ja, schlussendlich wurde gar die Polizei gerufen. Diese, so die Erzählung weiter, ging jedoch ob des „Vorfalls“ alsbald kopfschüttelnd von dannen. Leider habe ich nicht mehr in Erinnerung, oder vielleicht kam es bei dieser launigen Geschichte auch gar nicht vor, ob der Broterwerb denn schließlich von Erfolg gekrönt war, aber ich vermute eher nicht. Der Kern des Pudels liegt hier natürlich woanders. Die Unerbittlichkeit mit der sich hier beide Parteien bei einer dermaßen vergleichsweise harmlosen Angelegenheit gegenüberstanden und nicht bereit waren auf den anderen zuzugehen, spricht, im wahrsten Sinne des Wortes, mehr als eine deutliche Sprache.
Und so stößt man in diesem wunderschönen Land mit seinen gutmütigen Menschen immer wieder auf derlei Barrieren und Tabus. Und auch wenn es nachvollziehbar ist, wie ein derart bösartiger Konflikt tiefe Gräben aufriss, die nicht über Nacht verschwinden, sollte man es dann nicht wagen, den Ursachen dieses sinnlosen Leids das Vertrauen zu entziehen? Ich kann die Schwere nur erahnen, die es bedeuten muss, einen real erlittenen Verlust zu verarbeiten und dabei nicht die destruktiven Konstrukte des Nationalismus fortzustricken. Denn erst wenn dies geschieht, und diese Tendenz sehe ich leider nicht nur in Bosnien, dann haben sie wirklich gewonnen, all die armseligen und verbitterten Rattenfänger, welche mit Egoismus und Kleingeistigkeit unseren Planeten verwüsten wollen. Nicht allein deswegen wird es mich, da bin ich mir sicher, sehr bald wieder hierher ziehen. Hier gibt es noch jede Menge zu entdecken und zu verstehen. Mach es gut Bosnien und bis bald Herzegowina!
Wieder einmal ein sehr guter Bericht! Danke dafür! Ich kann mich an ein vor Jahren erlebtes Treffen erinnern, welches in Berlin-PB im Gagarin am Wasserturm stattfand. Dort war ich mit dem Dir ebenfalls bekannten Jasmin M. verabredet, der aus Bosnien stammte, eine Frohnatur ist und mir oft von der Herzlichkeit und Gastfreundschaft seiner Landsleute berichtete. Er erwartete noch eine Freundin, die ebenfalls von dort stammte. Es war wohl keine so gute Idee von mir, das Thema des damals ca. 10 Jahre zurückliegenden Krieges auf die Speisekarte zu setzen. Die Freundin hatte innerhalb des engsten Familienkreises zahlreiche Verluste zu beklagen und wollte niemals mehr Kontakte zu Serben oder Kroaten unterhalten, geschweige denn in deren Republiken zu reisen etc.
Pingback: Pro Land ein Buch: Die Brücke über die Drina und HERKUNFT – Viva Peripheria
Pingback: Albanien: Was noch zu sagen bleibt – Viva Peripheria
Pingback: Serbien: Was noch zu sagen bleibt – Viva Peripheria