Rumänien – ich will offen sein, auch wenn ich dir in den letzten Jahren öfter eine Chance gab und auf dem Papier quasi alles danach aussah, dass es zwischen uns funken könnte, so richtig warm bin ich nie mit dir geworden. Und das muss zweifellos an mir liegen, denn die wilden Berglandschaften der Karpaten, sowie die zahlreichen unentdeckten, anarchischen Regionen, wie beispielsweise das Donaudelta oder der Maramureș – sollten eigentlich dafür gesorgt haben, dass ich mich hier ganz gut aufgehoben fühlen sollte. Doch irgendwie kam ich nie richtig an und kann nicht behaupten zu wissen, woran es lag. Doch nun stand Rumänien bei unserer Rückfahrt auf dem Menü und dementsprechend mäkelig beäugte ich nach zwei herrlichen Wochen in Bulgarien und Serbien den Grenzübergang. Allein die eintönige Fahrt durch die Mais- und Sonnenblumenweiten der Vojwodina ließ mich schon argwöhnen, dass der muntere Balkan hier nun langsam an seine Grenzen gekommen ist. Wobei wir natürlich auch schon bei einer drängenden Frage wären: Rumänien und Balkan? Eine flugs bei Twitter durchgeführte Umfrage führte zu einem ziemlich eindeutigen Ergebnis.
Aus Gründen der Überprüfung der Hashtag-Gültigkeit und aufgrund hitziger Diskussionen in der Reisegruppe stelle ich die Frage hier mal an euch. #BalkanNichtsmuss
Gehört Rumänien noch zum Balkan?
— sasza (@muenzenberg_) June 18, 2020
Eindeutig Graubereich natürlich. Wie sollte es auch anders sein?! Ein derart diffuses wie ausstrahlungsintensives Gebilde wie der Balkan umgibt sich zwangsläufig mit einem statlichen Saum an Ambivalenz und in dieser Funktion leistet Rumänien von jeher hervorragende Dienste.
Dieses Mal wurden uns nur 48 Stunden Transit gegönnt. Als der rumänische Grenzer skeptisch unsere Räder beäugte und fragte ob wir denn dazu in der Lage wären, in so kurzer Zeit sein riesiges Land zu durchqueren, versicherten wir ihm eifrig, dass wir dies im Notfall auch in 24 Stunden schaffen würden. Doch letztlich waren wir ganz froh über die zwei Tage denn so konnten wir uns dank zugkräftiger Unterstützung von Perlen wie Timisoara oder Oradea überraschen lassen.

Auch hier trafen wir wie immer auf herzliche, offene Menschen, gutes Essen und entzückende Aussichten. Keine Frage, mein unerklärliches Unbehagen Rumänien gegenüber ist bedeutend geschmolzen. Letztlich kommt es noch dazu, dass man nur lange genug unterwegs sein muss um zu begreifen, dass es überall auf der Welt schön ist und jegliche Ressentiments lediglich irrelevante Konstrukte sind, welche durch zu kurzen Reisen entstanden sind.
Als negativer Aspekt muss in jedem Falle noch erwähnt werden, dass ab hier der Autoverkehr wieder langsam zunahm und die erschreckende Dichte aufwies, die er bis in das Epizentrum des europäischen Wohlstands, Deutschland, haben sollte. Und so stand Rumänien dann gewissermaßen für das mähliche Ende des Abenteuers und das unvermeidlichen Nahen von Standardeuropa.
Gut, das mit dem Autoverkehr ist nervig, und eine gesonderte Rad-Infrastruktur ist, glaube ich, nicht vorhanden.
Aber ansonsten ist Rumänien für mich das absolute Wohlfühlland in Europa. Nicht auf den ersten Blick vielleicht, aber als ich ein Jahr in Targu Mures in Siebenbürgen gewohnt habe, habe ich richtig gute Freunschaften gewonnen, viel gelernt und wirde immer wieder überrascht, insbesondere in kultureller Hinsicht. Selbst Kleinstädte haben eine Menge Theater und Initiativen, fast jeder schreibt nebenbei Gedichte oder Kurzegschichten, und natürlich spricht jeder mindestens drei Sprachen.
Ja, keine Sorge. Ich habe das schon von vielen gehört und kann mich nur schuldbewusst abwenden. Ich erwähnte ja, dass ich auch nicht so recht weiß, woran es liegen mag, aber manchmal stimmt die Chemie halt einfach nicht. Andererseits bin ich ja dieses Mal deutlich wärmer mit Rumänien geworden. Wer weiß, vielleicht geht da ja noch was.