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Wenn man sich im heimischen Mitteleuropa eine Schale Datteln gönnt, dann weiß man unzweifelhaft, dass diese Früchte aus fernen südlichen Gefilden stammen. Man sieht Palmen, Sanddünen, Kamele und spürt einen milden Wüstenwind über die Haut streifen.. und der Assoziationen mehr, ihr kennt das sicherlich. Doch, dass diese Datteln mit Sicherheit der Sorte Deglet Ennour zuzurechnen ist und höchstwahrscheinlich aus Tunesien stammt, wusste ich zuvor nicht. Diese Sorte (übersetzt ‚Finger des Lichts ‚) ist die Frucht der Echten Dattelpalme (Phoenix dactylifera) und gehört zu den besten Datteln, die auf diesem Planeten wachsen. Wir haben zwei Monate fast täglich an diesen köstlichen Lichtfingern genagt und können das bestätigen. Auch wenn wir jetzt erstmal eine kleine Dattelpause einlegen. Neben Olivenöl sind Datteln eine der wichtigsten Säulen auf denen die tunesische Wirtschaft begründet ist, denn das kleine Land gehört tatsächlich zu den Hauptexporteuren von Datteln, hinsichtlich Deglet Ennour hat man nur noch Algerien als Konkurrenz (diese durften wir allerdings einmal kosten und das waren tatsächlich die besten Datteln, die ich je gegessen habe). Nun ist es so, dass Dattelpalmen ideal an das Klima im Süden Tunesiens angepasst sind. Sie überstehen Nachtfrost im Winter, die monatelangen Hitzeperioden im Sommer und den teilweise starken Wind. Ihre Wurzeln, die tief in den sandigen Wüstenboden reichen, erlauben den hohen, schlanken Bäumen, ausreichend Wasser zu bekommen und verankern sie gleichzeitig fest. Doch, ihr ahnt es, auch hier ziehen dunkle Wolken auf, bzw. eben gerade nicht. Immer längere Hitzeperioden führen dazu, dass die Datteln zu schnell reifen und dies mindert die Qualität spürbar. Neben Hitze und Dürre kommen die beiden apokalyptischen Reiter Bodenversalzung und Grundwassersenkung hinzu, welche nicht nur Tunesien und den Datteln Sorgen machen.
Kommen wir mal wieder zu der allseits beliebteen Kategorie „Spaß mit Flaggen“, denn die sardische Flagge bietet wirklich jede Menge Spaß. Vier Theorien sind im Angebot, jede von ihnen ist hanebüchen und haltlos, aber nicht albern genug um sogleich thematisiert zu werden. Einig ist man sich allein mit dem Georgskreuz, welches die Fahne ziert. Die Herkunft der vier Köpfe dagegen, welche zudem abwechselnd mit Stirn- oder Augenbinden auftauchen, ist gänzlich ungeklärt.
- 1. Theorie: Die “Mohren” symbolisieren die Gegner der Kreuzritter, wobei das Kopftuch sie als Gefangene kennzeichnet. Allerdings kämpften die Kreuzritter nicht in oder gar um Sardinien. Außerdem lebten die meisten“Mohren“ in Nordafrika, daher hatten sie mit den Kreuzzügen sowieso wenig zu tun.
- 2. Theorie: Hier geht es um eine Legende, wonach König Peter I. von Aragon im Jahr 1096 eine Schlacht gegen die Mauren nur deshalb gewann, weil in einer entscheidenden Phase St. Georg in den Kampf eingriff und vier Mauren köpfte. Diese Legende hat einen handfesten historischen Hintergrund, denn zu jener Zeit machten die muslimischen Sarazenen als Piraten das Mittelmeer und auch Sardinien unsicher. Infolgedessen habe man zur Abschreckung die Flagge mit den geköpften Mohren erfunden und auf vielen Wachtürmen der Insel gehisst. Angesichts des Umstands, dass eben jene Auseinandersetzung in Spanien und nicht in Sardinien stattfand, ist auch diese Theorie etwas wacklig. Einziger Punkt wäre hier, dass der spanische Regent zu dieser Zeit gleichzeitig auch König von Sardinien war.
- 3. Theorie: Die vier “Mohren” symbolisieren die vier Siege der katalanisch-aragonesischen Armee über die Araber. Damals gewann man Saragossa, Murcia, Valencia und Mallorca für die spanische Krone und die Christenheit zurück. Aber was hatten wiederum die Sarden damit zu tun? Und überhaupt: Warum sollte man in der sardischen Flagge die vier neuen Territorien ausgerechnet durch deren Todfeinde symbolisieren?
- 4. Theorie: Die Flagge sei noch viel älter, denn sie stammt sie aus dem 9. Jahrhundert. Damals gehörte Sardinien noch zum oströmischen Reich. Da der Einfluss des fernen Konstantinopel langsam schwand, entstanden in diesem Machtvakuum politische Strukturen, die zu Selbstverwaltung und Autonomie führten. Vier Distrikte bildeten sich heraus, denen jeweils ein Richter als oberste Autorität vorstand. Sie sind darum als „Judikate“ in die Geschichte eingegangen. Aber nichts außer der vier in dieser Geschichte scheint für diese Version zu sprechen.
Aus meiner Sicht stimmt keine der Theorien, wie auch alles was vor den 1970ern in Sardinien geschah oftmals sehr nebulös bis unglaubhaft wirkt. Ich denke vielmehr, dass die Sarden es geschickt organisiert haben, ihre idyllische Insel hervorragend zu vermarkten und haben den leichtgläubigen Festländern im Laufe der Zeit einige Bären aufgebunden. Bären deren Herkunft sie selber nicht kennen.
Allein schon der Name Sardinien, ist ein weiterer Beweis für das Ausmaß an Schildbürgerei und Nebelkerzengeleucht, welche diese Insel fabriziert. Man sollte doch nun annehmen, dass es hier irgendeinen Zusammenhang zu den allseits bekannten und beliebten Dosenfischen gibt. Aber, ach woher denn?!
Die Griechen nannten sie Hyknusa oder Ichnussa (Ιχνουσσα), abstammend vom griechischen ichnos (menschlicher Fussabdruck), aufgrund seiner Ähnlichkeit mit einem riesigen Fussabdruck. Der Name Sardinien hingegen, kommt vom lateinischen Sardinia, wie die Römer die Insel zu nennen pflegten.
https://www.charmingsardinia.com/
Entzückend! Aber wie kamen denn diese Römer auf Sardinien? Denn an anderer Stelle wird mir erklärt, dass diese Bezeichnung auf ein ominöses phönizisches Volk namens Schardana zurückgeht, welches ab dem 11. Jahrhundert (!) die Insel überfallen hätte. Warum kann man in so einem Falle nicht einfach gleich die Karten offenlegen und erklären, dass man nicht weiß woher der Name kommt. Oder noch besser, gleich umbenennen. Ich empfinde den Namen Sardinien sowieso nicht als so gelungen. Ichnusa klingt doch ganz hübsch. Oder El DaRadlo, PaaRadiso oder Famoso a la Playa. Ich hätte da noch ein paar…
Sardisch? Ist das jetzt wirklich auch noch von Belang? Nach all den fragwürdigen und löchrigen Legenden erwartet man diesbezüglich so etwas wie einen elegant aufgebohrten Dialekt, dessen Herkunft sich natürlich im Ungeklärten verliert. Warum, so mag sich der aufmerksame Leser fragen, sollte man darüber nun viele Worte verlieren. Wurde nicht zudem in den vorangegangenen, italienischen Beobachtungen mehr als einmal erwähnt, dass das Italienische ein, dem Deutschen ähnlicher Flickenteppich ist, deren Spielarten, speziell im Süden, der fleißige Italienischlerner kaum noch verstehen kann. Doch mit dem Sardischen verhält es sich überraschenderweise ganz anders. Sardisch ist kein italienischer Dialekt. Weit gefehlt! Es ist eine eigene Sprache, die nicht nur deutlich älter als Italienisch ist, sondern auch die dem Lateinischen, die vielleicht nähste (noch) lebende Sprache ist. Sardisch begann sich bereits im 3. Jahrhundert n. Chr. vom Lateinischen abzugrenzen, bereits im 11. Jahrhundert n. Chr. hatte es sich zu einer eigenständigen Sprache herausgebildet. Die ersten schriftlichen Nachweise auf das Sardische werden auf das 7. Jahrhundert n. Chr. zurückdatiert. Schon der alte Dante Alighieri hatte da so eine Ahnung und meinte, dass die Sarden keine Italiener (Latii) seien und demzufolge keine eigene lingua vulgaris besaßen, stattdessen würden sie nichts anders machen als Latein nachzuahmen (als ob die Italiener etwas anderes täten!). Doch Dantes Ansicht wurde abgetan und wie so vieles auf der Insel für lange Zeit nicht beachtet. Das Sardische muss schon damals für Nicht-Insulaner schlichtweg unverständlich gewesen sein.
No t’entend plui d’un Todesco / Sardesco o Barbarì
(„Ich verstehe dich nicht mehr als einen Deutschen / Sarde oder Berber“);
Raimbaut de Vaqueiras: „Domna, tant vos ai preiada“ (12. Jahrhundert)
Diese Sprachbarriere und die dazugehörige Herablassung, die zum Beispiel in dem Gedicht des toskanischen Dichters Fazio degli Uberti zum Ausdruck kommt, wenn er die Sarden folgendermaßen abklassifiziert: „una gente che niuno non la intende / né essi sanno quel ch’altri pispiglia“ („ein Volk, das niemand zu verstehen vermag / und das auch nicht zur Kenntnis nimmt, was andere Völker sagen“), dieses auf Desinteresse basierende Unverständnis kann unter anderem dafür gesorgt haben, dass die Insel bis weit ins 20. Jahrhundert unentdeckt blieb und man uns heute jede Menge Bären über seine Vergangenheit aufzubinden versucht (s. Flagge).
Kleine Kostprobe gefällig?!
Ah! prinzipeddu, abellu abellu che l’apo cumpresa sa trista vida tua. Tue po meda tempus no as apiu ateru divagu si no sa durcura de su sole cando si corcat. L’apo cumpresu sa de battor dies, a manzanu, cando m’as narau: M’aggradat meda cando si corcat su sole.
Su Prinzipeddu („Der kleine Prinz“, Ausschnitt als Beispiel für die sardische Sprache)
Kommen wir zu etwas ganz anderen: Sprechen wir über Kork. Bei Kork hatte ich bis jetzt immer zuerst an Portugal gedacht. Und das laut einem aktuellen Weltmarktanteil von 63,7% völlig zurecht. Doch als ich auf Sardinien an endlos scheinenden Korkeichenhainen vorbeifuhr, zweifelte ich kurz, doch die Italiener steuern nur magere 2,7% bei. Was müssen das nur für mächtige Korkeichen-Plantagen im fernen Portugal sein?! Wir werden sehen. Aber zuvor gibt es noch weit mehr über diesen außergewöhnlichen Baum zu lernen, als die Rohdaten seiner globalen Ausbeutung. Die Korkeiche (Quercus suber) ist ein neben ihrer imposanten Erscheinung auch außergewöhnlicher Überlebenskünstler: Die Evolution entwickelte diese feuerfeste Rinde tatsächlich nicht nur um ein Material zu liefern mit dem die Weinbestände eines späteren Emporkömmlings perfekt zu verschließen seien, nein, diese dicke Schicht war wohl im wesentlichen dafür gedacht, die Bäume vor Hitze und Buschbränden, ein in ihrer Lebenswirklichkeit oft anzutreffendes Phänomen, nahezu perfekt zu schützen. Doch die Korkeiche kann noch mehr: Die Baumkrone spendet Schatten und schützt die im Wald lebenden Pflanzen und Tiere vor der brennenden Sonne. Die ätherischen Öle im Blattwerk sind für schmarotzende Pflanzen und Tiere ein wahres Gourmetfrühstück. Und noch ein fantastisches killer feature ist diesen Bäumen zu eigen: Über die Baumkrone nehmen die Bäume CO² auf und verringern die Umweltverschmutzung. Besonders nach der Entrindung, die viele als „schmerzhaft“ für den Baum wähnen, lassen sie Sauerstoff in größeren Mengen frei. Je öfter sie entrindet werden, desto mehr. Auch die Qualität des Korks steigt mit der Zeit.
Und überhaupt, wie läuft das eigentlich mit der Ernte? Obwohl es wie immer bei derlei Sachen ist, habe ich beim rumfragen natürlich die unterschiedlichsten Kennziffern erfahren. Folgende Zahlen sind daher eher als guter Durchschnitt der erhaltenen Angaben zu verstehen: Wenn die Stämme einen Umfang zwischen 30 und 40 cm erreicht haben, wird zum ersten Mal geerntet. Dann ist der Baum zwischen 20 und 25 Jahren alt. Etwa zehn bis zwölf Jahre braucht die Baumrinde, um nachzuwachsen, bis sie erneut geerntet werden kann. Zudem darf ein Baum nur bis zu einem Drittel geschält werden, da er andernfalls vertrocknen würde. Abseits dessen, reduziert man mit diesem Treiben natürlich trotzdem die Lebenserwartung des Baums. Nach etwa neun bis zwölf Ernten ist der Baum verbraucht. 150-200 Jahre schafft der Baum aufgrund dieser Schälungen maximal, ohne kann er locker das Doppelte an Jahren erleben.
Neben Korkeichen gibt es natürlich noch ein anderes Lebewesen, welches meine Aufmerksamkeit erregt hat. Und zwar Esel. Diese liebenswerten Geschöpfe gehören per se zu den von mir favorisierten Lebewesen und nun erfuhr ich, dass es auf einer Insel neben der Insel eine einzigartige Population von weißen Eseln geben sollte. Ich denke, es gibt kaum einen überzeugenderen Anreiz für einen Abstecher als eine ehemalige Gefängnisinsel, welche man seit einem Vierteljahrhundert der Natur überantwortet hat. Zudem, wenn ein nicht unwesentlicher Teil besagter Natur aus Eseln besteht. Tatsächlich gehörten die Tage, die wir auf Asinara, so der Name der bewussten Insel, verbrachten, zu den außergewöhnlichsten dieser Reise, doch hier will ich nun mehr auf das Phänomen der weißen Esel eingehen. Dabei verwundert es nur geringfügig, dass sich die Erklärungen auch hier natürlich erneut in widersprüchlicher Ahnungslosigkeit überboten.
Keiner weiß, wo sie herkommen, die weißen Esel von Asinara. Der Marchese di Mores Duca dell‘ Asinara soll sie sich im 18. Jahrhundert aus Ägypten geholt haben, erzählen die einen. Die anderen glauben lieber an die Geschichte von ein paar weißen Eseln, die sich nach einem Schiffbruch auf die Insel retten konnten. Vielleicht haben sie ihr schönes weißes Fell ja auch einer Pigmentvariante der grauen sardischen Esel zu verdanken.
https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/welt-der-tiere
Caprera ist die Nachbarinsel von La Maddalena und damit die zweitgrößte Insel des Archipels. Giuseppe Garibaldi zog sich 1854 hierhin zurück als seine politischen Ambitionen zunehmend nicht mehr nachgefragt wurden. Er lebte hier wohl in einer eher unbefriedigenden Melange aus Standby-Revolutionär und Abstellgleis, was einmal mehr verdeutlicht, welch ein dilettantisches Unternehmen das vielgerühmte Risorgimento größtenteils gewesen ist. Wenn jetzt so relativ jede italienische Stadt mindestens einen Piazza Garibaldi besitzt, so war man zu Zeiten der „nationalen Wiedererstehung“ in weiten Teilen des heutigen Italiens eher froh, den kompromisslosen Trotzkopf auf einem kargen Eiland, welches wohl angeblich auch zu Italien gehörte, zu wissen.
Und als ich dann so über die Insel lustwandelte und nebenher erfuhr, dass der, mir auch dank einer vorzüglichen Lektüre, immer sympathischer werdende Freiheitskämpfer hier den Grundstock für den Kiefernwald legte in dem er selbst die ersten Bäume pflanzte. Ich blinzelte hinüber auf die nahezu baumlose Nachbarinsel La Maddalena und grüßte den Bruder im Geiste und in der Vergangenheit.
Als wir die Nordküste Sardiniens erreichten, fielen uns immer häufiger die bizarren, durchlöcherten Gesteinsformationen auf. Teilweise konnte kaum an eine natürliche Entstehungsweise glauben, speziell weil es sich bei dem hier vorherrschenden Gestein um soliden Granit handelte. Das machte die grazilen Zuspitzungen und schimmernden, porösen Flächen umso unglaubwürdiger. Doch tatsächlich ist die Entstehung dieser sogenannten „Bröckelhöhlen-Strukturen“ ein natürlicher Vorgang mit dem der Mensch nichts zu tun hat. Es handelt sich um eine Verwitterungsform, die auch als Tafone (Plural Tafoni; aus dem Korsischen, vgl. pietra tafunata „durchlöcherter Stein“) bekannt ist. Diese sind hauptsächlich im Mittelmeerraum zu finden und obzwar es sich im weitesten Sinne um eine chemische Verwitterung handelt, ist ihre genaue Entstehung umstritten, wie so vieles im Zusammenhang mit Sardinien. Im Grunde läuft der Prozess dann aber wohl folgendermaßen ab: Sickerwasser im Gestein verdunstet und setzt seine Lösungsfracht an der Oberfläche ab; nach und nach zersetzt sich der Stein von innen und es bilden sich die kleinen rundlichen Hohlräume. Ich weiß ja nun nicht genau um was man sich hierbei noch streitet, ich bin mit dieser Erklärung vollauf zufrieden.