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- Die Vierstaatentournee
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- 10000 Kilometer
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- Bonustrack 12 – Cyprus Hill
- 11111 Kilometer
- Bulgarien: Was noch zu sagen bleibt
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- Türkei: Was noch zu sagen bleibt
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- Ausrüstungskritik – ein Hui und Pfui des Zubehörs
- Rumänien: Was noch zu sagen bleibt
- Ungarn: Was noch zu sagen bleibt
- Polen: Was noch zu sagen bleibt
- Radfahren in Zeiten der Seuchenapokalypse – Teil 2
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- Bonustrack 14 – Türkei 2020, die Rückkehr
Olivenbaum, Ölbaum, Silberbaum, Baum des Friedens und des ewigen Lebens. Die Ruhe und Gelassenheit dieser knorrigen Gesellen hatte mich schon früh am Haken. Natürlich hatte sie in meinen ersten Lebensjahren den exotischen Stellenwert von Kokospalmen oder Bananen, die mir allenfalls in Sandalenfilmen oder bei Asterix begegneten. Spätere Besuche des mediterranen Raums ergänzten jene diffuse Anziehung durch die Begegnung mit dem unübertrefflichen Geschmack für den die Früchte dieses Baums verantwortlich waren. Schließlich schaute ich etwas genauer hin und begriff wie lang die gemeinsame Beziehung von Olivenbaum und Mensch war. Dabei erstaunte mich vor allem der Werdegang dieser Beziehung: wie der Mensch vor Jahrtausenden auf die Idee kam jenen robusten Vorfahr des heutigen Olivenbaums, den Oleaster, welcher nur winzige Früchte trug, die noch dazu haarsträubend bitter schmeckten, sich näher anzuschauen und ihn zu einem Gewächs zu veredeln, dass schließlich erst sieben Jahre nach seiner Pflanzung erste Früchte trägt und wirklich ernstzunehmenden Ertrag erst nach zwanzig Jahren abwirft. Dieser, in die Zukunft vertrauende und für spätere Menschen sich auswirkende Charakter der Olivenkultivierung schenkte mir einen der wenigen Momente, in denen ich den Mensch als ein altruistisches und friedliebendes Wesen erkannte. Wesenszüge, die er durch sein Wirken in Vergangenheit wie Gegenwart sonst sehr kunstfertig zu verbergen weiß.
Mit dieser durch und durch dem Olivenbaum zugeneigten Grundstimmung machte ich mich auf diese Reise, auch auf um diese Liebelei etwas auszubauen, beziehungsweise sich einfach etwas besser kennenzulernen. Ich war neugierig und tatendurstig und sobald wir die Grenzen Griechenlands überquerten und ich die endlosen Olivenhaine erblicken durften, verlor ich mich gänzlich in der botanischen Symphonie dieser, gedankenverloren ihre Zweige in die Welt kräuselnden Geschöpfe. Dies führte bisweilen zu recht risikoreichen Manövern, da mich die verlockend anblinkenden Ölfrüchte mehr ablenkten als es verantwortungsvollem Radfahren zuträglich gewesen wäre. Im folgenden möchte ich meine Erfahrungen, Erkenntnisse und einiges mehr teilen – ein Erlebnisbericht für Einsteiger und Gleichgesinnte, eine Liebeserklärung an den Baum des Lebens. Natürlich ist mir bewusst, dass diese Thematik leicht ins Pathetische führen kann, daher sollten ein paar Verse des unsterblichen Robert Gernhardt hier ausreichen um eine erdende Richtung einzuschlagen.
Kommt, das gute Brot des Nordens
wolln wir stückeweise braten
in dem guten Öl des Südens,
wie es schon die Väter taten.
Von dem guten Wein des Westens
trinken wir, derweil wir essen,
um die liebe Not des Ostens
schlückchenweise zu vergessen.
Es hat einen ganz besonderen Reiz wenn man im Spätsommer in genüsslichen Etappen von Nordgriechenland immer weiter hinunter in den Süden fährt. Mit den nach Norden strömenden Touristen wird das Land leerer, aber bei weiten nicht ruhiger. Denn mit dem Ende der Touristensaison schaltet das gesamte Land nahtlos auf Olivenernte um. Auf den Feldern surren die Erntepropeller, in jedem Dorf mahlen die Mühlen und unablässig kurven schwer mit Olivensäcken beladene Autos über die Straßen. Neugierig beäugten wir dieses Treiben und betrachteten voller Wohlgefallen all die schwer behangenen Bäume am Wegesrand.
Tatsächlich sind etliche dieser, gelassen die Zeiten an sich vorbeispülenden Bäume wahre Blickfänge. Ihre buschigen Baumkronen in denen Abertausende von graugrünen Blättern mit silbriger Unterseite vor sich hin glitzern, die an Zweigen und Ästen flattern, welche an die unübersichtliche Logik des Synapsengeflechts eines Gehirns erinnern. Doch im Zentrum meiner Bewunderung stand fast immer der Stamm des Olivenbaums. Diese knorrige, gebundene Gebeugtheit, diese zerklüftete Rinde, welche viel besser als so manche antike Säule die Zumutungen der Zeit erzählen kann. All die Temperaturstürze, Gluthitzen und Verwundungen – allein der Stamm eines Olivenbaums erklärt warum er in vielen Kulturen als der Baum des Lebens gilt. Dass wir nicht genau wissen woher er genau kommt versteht sich. Woher sollten Jungspunde wie wir das auch wissen. Naher Osten, Nordafrika oder gar aus dem fernen Asien? Versteinerte Olivenbaumblätter, welche auf Santorini gefunden wurden, werden auf 50000 bis 60000 Jahre datiert, das sollte genügen. Mit der Weinrebe gehört er damit unbestritten zu den ältesten Kulturpflanzen des Mittelmeerraums und begleitete den Menschen auf all seinen Wegen und Irrwegen. Dabei ist der Olivenbaum ein langsames Geschöpf. Geduld und Zählebigkeit sind seine auffallendsten Eigenschaften. Und doch sind sie ungemein anspruchslos. Licht, Sonne und Wärme genügen ihnen um die Jahrhunderte zu überdauern. Natürlich kann man sie mit Bewässerung und Düngung verwöhnen, aber angewiesen sind sie nicht wirklich darauf. Denn wenn der Mensch sich um den Baum nur etwas kümmert, beschenkt er ihn mit jenen Früchten um die es eigentlich geht und die seit Jahrtausenden mit Verve die Geschichte schmieren. Eben dieses Fruchtfleisch, welches sich mit viel Sonne in den warmen Monaten langsam und bedächtig um den Kern formt, erst fest und hellgrün, dann leicht violett, später matt braun und schlussendlich schwarz wie die Nacht und fettglänzend, zum Absprung bereit, ist es letztendlich um das sich alles dreht. Und ja, jede Olive wird im Laufe ihres Reifeprozesses irgendwann schwarz. Dies sei erwähnt, da der Irrglaube, dass es sich hier um verschiedene Sorten handele, sich doch recht zäh im gut sortierten Halbwissen vieler Olivenneulinge hält.
Erstmals wirklich ran an den Baum durften wir dann auf einem streng ökologisch bewirtschaften Olivenhain im Süden Lakoniens. Auch wenn sich der Erntevorgang, wie wir später lernten, in gewissen Details unterscheiden kann, verläuft der Prozess im Allgemeinen folgendermaßen: Unter die abzuerntenden Bäume werden Nylonnetze gelegt. Ein diffiziler Vorgang bedenkt man den meist unebenen und dornigen Lebensraum des Ölbaums. Danach widmet sich der jeweilige Vorarbeiter jedem Baum persönlich und beschneidet ihn nach unterschiedlichen Intentionen. Eine Säuberung von abgestorbenen Ästen sollte obligatorisch sein und als reine Pflege verstanden werden, wiewohl auch die nachfolgende Ernte natürlich einfacher vonstatten geht, wenn der Baum von diesem Gestrüpp befreit ist. Desweiteren werden besonders üppig mit Früchten beladene Zweige abgeschnitten, da diese am Boden bequemer abgeerntet werden können. Der gewissenhafte Olivenbauer sägt nun aber auch noch Äste nach dem ihm eigenen Konzept ab. Im ausgewachsenem Bonsai-Sinne versucht jeder hier die Bäume in die ihm vorschwebende Richtung zu trimmen. Sollen sie breit und ausschweifend wachsen, sich in die Höhe entfalten oder sich so voluminös wie möglich entwickeln. Eine Bedingung sollten jedoch allen Schnittmustern innewohnen: eine Schwalbe sollte hindurch fliegen können ohne sich hierbei die Flügel zu verletzen. Nachdem der Baum nun ausreichend frisiert ist, kommt die eigentliche Erntearbeit. Zwei Techniken haben wir hierbei erlebt und auch selbst angewandt. Die behagliche, traditionellere Art ist es, ihn mit einer Handharke Zweig für Zweig zu kämmen.
Diese Methode ist angenehm, da sie ohne jegliche Motorengeräusche vonstatten geht und intensiver da man sich dem Oliven wirklich bis auf Armlänge nähern muss. Doch wie es viele Handarbeiten an sich haben, benötigt sie sehr viel Zeit. Die üblichere Methode bedient sich der Technik. Hierfür nutzt man Geräte, deren Verwendung, wenn ich sie zuvor ohne Kontext gesehen hätte, niemals hätte einordnen können. Sie erinnern ein wenig an mittelalterliche Handwaffen in einem Mittelalter, in dem die Herstellung von Kunststoff gelungen wäre – wir nannten sie „Schwurbeler“.
Mit diesen Olivenlanzen rührt und rubbelt man dann die Olivenzweigen durch und die Oliven purzeln im Idealfall munter herunter. Diese Art der Ernte geht eindeutig schneller, ist aber auch unangenehm laut, da der Generator durchgängig hierfür rattern muss und ist auch vergleichsweise oberflächlicher. Hier geht es eindeutig darum möglichst schnell so viele Oliven wie möglich ins Netz zu bekommen. Beide Methoden haben klar ihre Vor- und Nachteile und ich wüsste nicht wirklich für welche ich mich in einer möglichen Position als verantwortlicher Ölprinz entscheiden würde. Der nächste Schritt nachdem alle Bäume des abgesteckten Netzgebiets ihrer Früchte beraubt sind, ist es, eben diese Netze vorsichtig anzuheben und die Masse der Oliven an einem Punkt zu konzentrieren. Hier setzte man sich kurz zusammen und liest Äste, Blätter und anderes nicht ölrelevante Beiwerk heraus um die gesäuberte Pracht sodann in einen Sack zu schütten. Auf diese Weise füllt sich Sack um Sack. Man erntet für gewöhnlich drei bis vier Tage und bringt dann das Resultat zu Mühle. Die Oliven können im Sack problemlos einige Tage auf die Pressung warten, allzu lange jedoch nicht, da der dann einsetzende Oxydationsprozess die Qualität des Öls mindern würde.
Und das ist alles was die Olive an Arbeit von einem verlangt dafür, dass sie einen mit diesem köstlichen Nektar und ihren knackigen Leckerbissen beschenkt? Natürlich nicht. Die Bäume wollen im Frühjahr nochmals beschnitten werden, sie wollen gedüngt und bewässert sein. Reichlich Arbeit also wenn man von ihnen zum Jahresende beschenkt werden will. Doch im Vergleich zu anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen ist der Arbeitsaufwand doch recht genügsam auch wenn man das zu erwartende hohes Lebensalter von Olivenbäumen bedenkt.
Doch wie kommt man nun, nach erfolgreicher Ernte zu jenem flüssigen Gold? Auch hier, wen wundert’s, gibt es natürlich eine erklecklich große Anzahl an Spezialexpertenmeinungen und ihre jeweiligen Verfahren. Im wesentlichen kann man es hier vielleicht damit bewenden lassen, dass das Schlüsselwort für qualitativ hochwertiges Olivenöl Kaltpressung lautet. Wärme und Hitze meiden die Ölmeister bei der Pressung wie der Teufel das Weihwasser. Höchstens 27°C darf die Temperatur während der Ölgewinnung betragen, damit das Endprodukt dann den stolzen Titel „kaltgepresst“ oder „nativ“ tragen darf. Natürlich wird hierbei in der Regel übel geschummelt, denn eine höhere Temperatur verspricht auch einen höheren Ertrag, doch geht der zumeist auf Kosten des Geschmacks denn durch die Erhitzung verändert sich die chemische Struktur des Öls und erhält dadurch zumeist einen unerwünschten Beigeschmack. Das Prozedere der eigentlichen Pressung ist dabei seit Jahrtausenden vom Prinzip her unverändert: Die Früchte werden samt Kern zermahlen. Der auf diese Weise erzeugte Olivenbrei wird verteilt, sodann tropft das natürliche Gewicht des Öls, mit maschineller Hilfe beschleunigt, heraus und wird vom schwereren Fruchtwasser getrennt. Danach wird es noch sorgfältig gefiltert und schon gluckert es seidig ins Fässchen.
Der magische Moment in dem aus all den bitteren Perlen jener delikate Alleskönner gewonnen wird, ist natürlich umrahmt von einigen Eckdaten, die kurz nach der Pressung ermittelt werden um den Erfolg der Ernte einzuschätzen. Säurewert und Ertragsfaktor sind hier wohl die Shootingstars für die Endbeurteilung des Öls wenn man dem Geraune in den Ölmühlen in denen wir zu Gast waren, trauen darf. Der Säureanteil entscheidet über die Qualität des Öls. Nur wenn der Anteil an unerwünschten freien Fettsäuren unter 0,8% liegt, darf sich das Öl in die Königsklasse, „extra virgine“ einsortieren. Unser erstes Öl auf Kreta schoss weit über dieses Ziel hinaus. Die 2,2% galten dort aber als ein gutes Öl und es mundete uns definitiv. Auf Peloponnes erzielte das Öl dagegen einen Wert von 0,3%, was in dieser Gegend wohl auch als Normalwert betrachtet wird und auch dieses Öl fand unser Wohlgefallen. Aber so können wahrscheinlich nur blutige Anfänger urteilen.
Der andere vielfach diskutierte Wert, der Faktor, beschreibt das Verhältnis der Masse an Oliven und dem daraus gewonnen Öl. Als Faustregel gilt hier ein Fünftel. 100kg Oliven ergeben 20l Öl. Das differiert von Fall zu Fall erheblich und hat mit verschiedenen Faktoren zu tun. So ergaben unsere kretischen Oliven deutlich mehr Öl als ich für möglich gehalten hätte (282kg erbrachten 90l, was einem Faktor von sagenhaften 3,1 entspricht), die Pressungen in Peloponnes ergaben aber zumeist einen deutlich höheren Faktor, der sich eher an der „Fünftel-Faustregel“ orientierte. Diese aus anderen Bereichen ebenso bekannte Dualität aus Qualität und Quantität ist also auch im Olivenölmetier ein entscheidendes Kriterium. Natürlich gibt es hier noch ausreichend weitere Kennziffern, doch diese beiden Daten stehen zunächst im Vordergrund.
Doch auch wenn 90% der weltweit geernteten Oliven zu Öl gepresst werden, ist die Welt der Tafeloliven, mehr als einen flüchtigen Blick wert. Die hierfür verwendeten Oliven sind meist speziell gezüchtete Sorten deren Namen allein schon so wohlklingend sind, dass ihr edler Anblick, wenn die südliche Sonne sich an ihren glänzenden Rundungen spiegelt sowie der Wohlgefallen des Gaumens so man sie sich schließlich in den Mund schiebt, nur die Ouvertüre einer einzig dem Genuss gewidmeten Sinfonie erscheint. Ob die italienischen Ascolana, Cerignola, Gaetana, Taggiasca, die spanischen Cornicabra und Manzanilla – doch nichts, man mag mir hier meinen frisch erworbenen Lokalpatriotismus verzeihen, schlägt die Königin unter den Essoliven – die Kalamata. Schwarzglänzend, mandelförmig, oft mit einer leicht geschwungenen Spitze ähnelt sie in ihrer Form einem Komma, doch das ist angesichts dieser Ausnahmefrucht wahrhaftig ein eher prosaischer Vergleich. Doch all der Zauber hat seinen Preis, denn diese prächtig anzusehenden Leckerbissen können keinesfalls einfach gepflückt und gegessen werden. Wie auch der Baum von dem sie abstammt, erwartet auch sie jede Menge Geduld, Zeit und Ruhe bis sie ausreichend entbittert sind um dann ihren wahren Charakter offenzulegen.
Der Entbitterungsprozess kennt viele Wege. Die üblichste Methode ist es, sie einfach nur in schnödes Wasser einzulegen. Es gibt hier auch die Möglichkeit, sie gleich im Salzwasser, Natronlauge oder gar, wie es die traditionelle Art will, in gekochte Holzasche, doch Wasser ist auch die von mir am häufigsten angewandte Einlegeweise. Bevor man sie ins Wasser wirft, sollten jedoch in irgendeiner Weise das Wasser die Chnace haben besser an das bittere Fruchtfleisch zu kommen. Es gibt hierfür entweder den Weg sie brutal mit einem flachen Gegenstand anzuquetschen oder sie am Stielende mit einem scharfen Messer zwei oder dreimal anzuritzen. Die erstgenannte Holzhammermethode stößt den Ästheten natürlich ab, will er doch die perfekte Form seiner Oliven auch im Glas erhalten wissen. Auch scheint mir diese, nur auf Quantität setzenden Methode, den Langsamkeitskünstler Olivenbaum nachträglich zu verletzen. Genuss heißt hier einmal mehr Entschleunigung. Das Einlegen, Warten, die tägliche Prüfung und Wässerung gehört zum Ritual. Die Rationalisierung des Holzhammers erscheint unangebracht und deplatziert.
Es ist auch möglich sie gar nicht anzurühren und unbeschnitten und ungeschlagen ins Glas zu tun, doch dann verlängert sich die Dauer der Entbitterung enorm. Liegt sie sonst, abhängig von Größe, Farbe (die grünen sind noch deutlich bitterer) und Temperatur (18 Grad ist optimal) bei 10-14 Tagen, kann sie ohne Fruchtfleischöffnung ungefähr einen Monat in Anspruch nehmen. Nachdem man so der Olive den größten Teil der Bitterkeit genommen hat, kann nach dem Wasserbad der Sprung in die Salzlake folgen (ca. 100g Salz auf einen Liter, gern auch mit einem Schuss Zitronensäure). Dieser salzige Sud kann dann auch schon mit anderen Geschmackskomponenten verfeinert werden. Lorbeer, Knoblauch, Zitronenscheiben, Fenchel, Rosmarin, Thymian, Chillies, Pfeffer – die Liste ist endlos. Derart abgefüllt, dunkel und bei Zimmertemperatur gelagert, sind die Oliven nun nach wenigen Tagen bereit zum Genuss. Sie halten sich so aber auch locker ein paar Monate. Außerdem gibt es natürlich auch noch die Möglichkeit, Oliven in Olivenöl einzulegen. Der hiesige Favorit ist, dazu noch Feta etwas Chilli und Pfeffer hinzuzufügen – ein Gedicht!
Und so nähere ich mich nun langsam dem Ende dieser ausführlichen Beschreibungen meiner Erlebnisse mit der von mit stets angeschmachteten Olive. Ich denke, dass unsere Beziehung auf jeden Fall den Sprung von Anhimmelei hin zu einem ernstzunehmenden Liebesverhältnis geschafft hat. Denn neben all dem zuvor Gesagten, sei der Olivenbaum auch noch aufgrund seinem, die Autarkie begünstigenden Wesen verehrt: Essen, trinken, kochen, Speisen aufbewahren, Heilmittel, Licht, heizen oder im Schatten sitzen. Gut, die Sache mit dem Trinken übernimmt die Weinrebe oder der Hopfenstrang, aber ansonsten kümmert sie sich um alles. Ist es da ein Wunder, dass ich mich auch ein wenig um sie kümmern will.
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