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Die fast brandneue Tito-Biographie ist (2011 erschienen), so dachte ich mir, sei wohl das beste Buch um munter hineinzuspringen, in dieses oftmals undurchschaubar anmutende Land, was einstmals Jugoslawien war. Und ich hatte recht. Doch auf eine andere Weise als ich vermutete. Dieses Buch rüttelte mich gehörig wach und aktivierte eben jene Skepsis, welche ich hinsichtlich jedweden Herrschaftsformen sonst an den Tag lege. In Bezug auf Tito und seine ganz spezielle Sozialismuskreation waren diese Instinkte etwas eingeschlafen und beurteilten vieles, was in Jugoslawien geschah, übermäßig wohlwollend. Dies lag zum einen an meinem steten Hang den Partisanenkampf als solchen zu verherrlichen und zum anderen an der nie versiegenden Sehnsucht, dass es doch etwas gegeben haben muss außer dem menschenverachtenden Kapitalismus und der nicht minder mörderischen Fehlgeburt des Gesellschaftssystems sowjetischen Typs. Aus dieser naiven und von Hoffnung geprägten Weltsicht schaute ich folgerichtig voller Sympathie auf den den Stalinismus trotzig abschüttelnden „Selbstverwaltungssozialismus“ in diesem von üppiger Natur und gutem Wetter gesegneten Adriastaat.
Diese Zuneigung ist nach Lektüre dieses Buchs nun nicht direkt verschwunden, mein Blick auf Jugoslawien und Tito im Speziellen ist vielmehr etwas entzaubert, relativiert wurden. Der erste Stoßseufzer, der mir nach der letzten Seite entfleuchte, war: „Was für ein Leben!“ Denn in dieser Hinsicht finden sich wohl im 20. Jahrhundert wenig vergleichbare Karrieren. Die Person Tito bleibt mir weiterhin trotz all seiner Macken und Fehler grundlegend sympathisch, doch ich sehe in ihm nun deutlicher den eiskalten Machtmenschen und genusssüchtigen Narziss. Ebenso begreife ich sein politisches Wirken deutlich kritischer. Seine Rolle bei der Befreiung wie der Einigung Jugoslawiens, sein Widerstand gegen Stalin, die Versuche einen „besseren“ demokratischeren Sozialismus aufzubauen und nicht zuletzt sein unermüdliches Kümmern um die Staaten der Dritten Welt sind für mich weiterhin gewichtige Punkte, die mich dazu bewegen, die politische Figur Tito positiv zu bewerten. Doch seine diktatorische und Kritik selten duldende Art seine Meinung durchzusetzen, der lavierende und inkonsequente Kurs in vielen innen- und außenpolitischen Fragen sowie nicht zuletzt seine exzessive Neigung für Pomp und Luxus ramponierten sein Ansehen in meinen Augen dann doch gewaltig. Ein Zitat einer seiner engsten Mitstreiter, Edvard Kardelj, ließ mich innehalten und hat mich längere Zeit zum Nachdenken angeregt. Es soll daher hier als eine Art Schlusswort stehen.
… in Jugoslawien sind wir nicht vereint wegen Jugoslawien, sondern wegen des Sozialismus. Und wenn uns nicht klar wird, dass es der Sozialismus ist, der Jugoslawien vereint, dann kann Jugoslawien kein anderer Faktor vereinen. Und wenn ich sage Sozialismus, denke ich an gesellschaftlichen Fortschritt auf der Grundlage des Sozialismus.
Q.e.d.
Noch eine Bemerkung zum Lektorat sei mir gestattet. Die deutsche Übersetzung weist in meinen Augen Druckfehler auf, die ein erträgliches Maß eindeutig übersteigen. Außerdem ist ein stilistisches Mittel, bei einer Aufzählung auf das näher zu beschreibende mit der Formulierung „letzteres“ derart inflationär verwendet wurden, dass es den Spaß an der Lektüre sehr trübte.
Das nächste Buch wird eines sein, auf das ich mich allein schon des Titels wegen seit Monaten freue: „Die Verschwörung der Fahrradfahrer“ von Svetislav Basara.