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Ein sehr turbulentes Bücherjahr liegt hinter mir. 23.449 Seiten in 73 Büchern! Ja, offensichtlich scheinen sich Baumkontrolle und Radnomadentum durchaus positiv auf die Lektürezeit auszuwirken. Aber Quantität ist natürlich weniger von Belang. Schauen wir daher in aller Ruhe zurück und verlieren ein paar Worte über jene, die die besten oder auch nicht so gute Worte fanden.
Das Jahr begann mit ein paar wahren Knallern: „Gott wohnt im Wedding“ hatte ich schon lange auf dem Kieker. Schon nach wenigen Seiten war ich gefesselt von der Geschichte, die noch dazu nicht nur einfach im Wedding spielte, nein, exakt in dem Kiez, in dem ich lange Zeit meines Lebens verbracht habe. Ein Buch solcher Größe ist natürlich selten ein Einzelfall, daher griff ich beherzt zum nächsten Buch von Regina Scheer und erlebte mit Machandel ein literarisches Erweckungserlebnis vom feinsten. Wie hatte ich diese Autorin nur so lange übersehen können?
Euegn Ruge war die nächste große Entdeckung, der ich weiter nachging. „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ hatte mich umgehauen – endlich mal wieder ein Roman, der sich der jüngeren deutsch-deutsche Geschichte derart zartfühlend und differenziert näherte wie es sich meines Erachtens gehört. Dementsprechend hoch waren meine Erwartungen als ich „Metropol“ zur Hand nahm. Und auch wenn es nicht ganz an die pralle Erzählgewalt des ersten Romans anschließen konnte, handelt es sich bei „Metropol“ dennoch um eine beeindruckende Geschichte aus einer fernen Welt des Moskaus zur Zeit der großen Schauprozesse. Eine, mich tief berührende Geschichte um Idealismus und Verrat sowie wieder ein winziges Puzzleteil mehr für das Verständnis der absurden Vorgänge des Stalinismus.
Und wie es bei Büchern manchmal so ist, stolpert man durch ein Buch über zahlreiche andere, die man zwanghaft lesen muss. Und so fraß ich mich, auf perverse Weise passend zum aktuellen Zeitgeschehen durch ein paar Bücher zum Thema Stalinismus. Die Autobiographie von Eugen Ruges Vater „Gelobtes Land“ ist dabei ein ganz besonderes Fundstück. Es ist die trockene Schilderung einer jahrzehntelangen Katorga, die er tatsächlich überlebte. Nirgends fand ich bislang eine dichtere Beschreibung des Archipel Gulag.
Und dann kam der glitzernde und fulminante Höhepunkt. Glasklar und ohne viel Herumgerede präsentiere ich das beste Buch welches ich seit längerem gelesen habe: „D.O.D.O“ von Neal Stephenson. Ich hatte, ehrlich gesagt immer meine Probleme mit diesem Autor. Viele Menschen, auf deren Urteil ich vertraue, halten enorm viel von „Snow Crash“. Auch „Cryptomonicon“ sowie die „Barock-Trilogie“ werden oftmals hochgelobt. Doch ich hatte von jeher Schwierigkeiten. Zu verkopft, zu umständlich – ich gab die Lektüre nach den ersten obligatorischen hundert Seiten auf. Nicht so im Falle von „D.O.D.O.“. Vielleicht lag es an Co-Autorin, die er ins Buch geholt hatte, aber der Stil erschien mir eindeutig eingängiger und lockerer, und ja, vor allem unfassbar witzig. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass das Thema einfach meins war, ich weiß es nicht. Was ich jedoch weiß, ist, dass ich noch jetzt, wenn ich an die vergangene Lektüre denke, voller Sehnsucht bin. Wegen Büchern wie diesen lese ich, nichts, kein Song, kein Film, keine Serie, nichts kann ein derart aus der Wirklichkeit schleudern wie solch ein Buch.
Und dann wurde es ein wenig mau. Sprich, ich kaute mich durch ein paar, eher mittelmäßige Bücher durch. Nichts besonderes, aber auch nicht so schlimm, dass ein Abbruch gerechtfertigt gewesen wäre. Das mit Abstand empfehlenswerteste Buch ist hier ohne Zweifel Ingo Schulzes „Peter Holtz“. Ein überaus liebenswertes und amüsantes Buch über einen bemerkenswerten Zeitgenossen. Überhaupt begreife ich so langsam die luxuriöse Situation in der ich mich seit Neuestem befinde: Es gibt tatsächlich wieder eine nicht unbedeutende Anzahl von zeitgenössischen, deutschen Autoren, deren Werke mich interessieren und berühren. Ingo Schulze sei hiermit offiziell in diesen, meinen Olymp aufgenommen. (Bei dem ausgegrauten Buch, rechts neben „Peter Holtz“ handelt es sich im übrigen um „Z wie Zacharias“. Irritierenderweise gab es dieses Buch bei goodreads nicht)
Und weiter ging es ohne größere Höhepunkte. Mehrere Bücher, die mich halbwegs kitzelten, die mit einem reizenden Titel und/oder einer netten Idee hausieren gingen, aber sonst nicht viel zu bieten hatten.
Zeitllich nähert sich der Lektüreverlauf nun langsam dem Beginn unserer großen Reise. Wie man unschwer erkennen kann, hatte ich hier eine kleine Klassikerphase, die aber keine allzu große Begeisterung auslöste. Die Bücher, die mich begeisterten, gehörten eher nicht zum Bildungskanon. „Saugut“ war höchstwahrscheinlich das beste Sachbuch des Jahres, welches ein gleichermaßen differenziertes und ausgewogenes Schlaglicht auf das Schwein wirft, dass es nur so kracht. „Freie Geister“ von Ursula LeGuin stand seit Ewigkeiten auf meiner Liste. Dieses Buch, welches lange Zeit unter dem Titel „Planet der Habenichtse“ im Umlauf war, ist in der Tat ein SF-Roman, den ich nicht nur SF-Fans empfehlen würde. Eine witzige, wenn auch bisweilen etwas dröge Schilderung eines Szenarios, in dem sich die Idealisten von den Materialisten im realsten aller Sinne verabschiedet haben. Und dann begann unserer große Reise. Wir stiegen auf die Räder und waren nach weniger als fünf Tagen im Gelobten Land. Gemäß meines Dogmas, pro Land ein Buch zu lesen, griff ich nun endlich zu „Winterbergs letzte Reise“ von Jaroslav Rudiš und ich war von der ersten Zeile an hingerissen.
Und danach las ich mich in einen wahrhaften Rudiš-Rausch und ich kann nur jedem denkenden Menschen empfehlen es mir nachzutun.
Dann kam Italien für den Rest des Jahres. Und ich las und las und las. Das Beste kam hierbei aber gleich zu Beginn. „Auf der Suche nach Italien“ von David Gilmour gelang tatsächlich das Unmögliche – eine amüsante, aber gehaltvolle Darstellung des Unvorstellbaren.
Danach wälzte ich mich durch einen bizarr kleinen Teil der italienischen Literatur. Ich wagte mich sogar an ein paar italienische Krimis ran, aber leider war das erste Buch von Gilmour das Beste was ich über Italien las. Ob über Italien oder Sizilien, so richtig überzeugte nichts, eher im Gegenteil. Zum Jahresausklang machte ich dann einen klaren Schnitt und griff zu einem knallharten SF-Klassiker, der einen langen Rattenschwanz hinter sich herzieht, denn schließlich besteht die Expanseserie aus neun (!) dicken Wälzern. So hat die Reise begonnen und fühlt sich schon nach dem ersten Band sehr gut an. Auf ein prächtiges Lesejahr 2023!