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Bei der Überlegung mit welchem Buch ich diesen Reigen beginnen möchte, stieß ich während der ersten Vorrecherche auf die an sich recht beruhigende Tatsache, dass ich, zumindest die vom Internet behaupteten Klassiker der tschechischen Literatur relativ erschöpfend abgegrast hatte. Kundera, Hašek, Čapek sind meinerseits auch abseits ihrer Hauptwerke erkundet, so dass sich nun die Frage stellte, welchem Autor man hier ins Schlaglicht rücken wolle. Schon das letzte Mal musste ich auf den eher unbekannteren Max Brod zurückgreifen. In der Tat gab es da noch drei Bücher die schon Ewigkeiten auf meiner Warteliste standen, als da wären: „Allzu laute Einsamkeit“ von Bohumil Hrabal, „Die Großmutter“ von Božena Němcová und „Die Rache der Baumeister“ von Miloš Urban. Doch leider konnten all diese Bücher nicht meine Mindestanforderung bestehen – sie existieren nicht als ebooks bei der VÖBB. Aber dann hatte ich urplötzlich die rettende Eingebung. Es gab da einen tschechischen Autor, dem ich sogar schon seit Jahren auf Twitter folgte, dessen Artikel und sein ganzes öffentliches Wesen mir gefiel, aber, Schande über mich, ich hatte tatsächlich noch nicht ein einziges Buch von ihm gelesen. Die Rede ist von Jaroslav Rudiš.
Und so begann ich zu lesen. Ganze drei Romane las ich in einem Rutsch, was vielleicht schon einen sachten Hinweis darauf geben könnte wie seine Bücher bei mir ankamen. Und so könnte diese beliebte Kategorie mit einiger Berechtigung ihre Umbenennung in „Pro Land ein Autor“ einfordern. Allein die Vermutung, dass ich möglicherweise nicht immer die Lust verspüre von einem Autor mehrere Bücher zu lesen, führt dazu, dass es auch weiterhin bei „Pro Land ein Buch“ bleibt.
Ich begann mit „Winterbergs letzte Reise“ und ich war von der ersten bis zur letzten Seite hin und weg. Dieses Buch gehört in die Kategorie der seltenen Bücher, die man langsam liest, sich einteilt und furchtsam die weniger werdenden Seiten zum Ende hin beäugt. Umso mehr ich las wurde ich dabei nachgerade misstrauisch. Warum schrieb jemand ein Buch mit Themen, die allesamt meine Herzensleidenschaften waren – Geschichte, Eisenbahn, Tschechien und nochmals Geschichte mit dem Schwerpunkt Österreich-Ungarn (gut, die Sache mit den Krematorien tangierte mich jetzt nicht so direkt)? Wen konnte sowas denn noch interessieren? Kurz, dieser Roman las sich genauso wie sich ein Roman anfühlen würde, der für mich persönlich geschrieben worden wäre. Und mit dieser Aussage könnte man diese Besprechung an sich schon schließen, denn wie könnte man ein Buch mehr adeln?! Aber ich möchte noch ein paar Worte hierzu verlieren um es besser einzuordnen und anzupreisen. Es handelt sich hier um ein Roadmovie in seiner besten Ausprägung: nämlich auf Schienen und in Buchform. Gleichermaßen unprätentiös wie gefühlsaufwallend kurvt die Handlung durch die Welt des Baedekers von Österreich-Ungarn des Jahrgangs 1913 und schafft es, die Schnittpunkte mit der Gegenwart en passant zu kredenzen so dass in der Tat hier die Illusion einer ganzheitlichen Erzählung entsteht. Auch die Charaktere – klar umrissen, nachvollziehbar und auf ihre Weise interessant ohne gefallen zu wollen oder mit unnötiger Affektierheit zu nerven. Aus meiner Sicht also nichts geringeres als ein Meisterwerk, welches in mir nur eine Sorge weckte – sollte ich mal wieder durch Zufall mit dem besten angefangen haben? Sprich, konnten sich seine anderen Bücher mit diesem messen?
„Der Himmel unter Berlin“, das Buch, welches ich als nächstes las, konnte sich tatsächlich kaum mit dem vorigen messen, obwohl es sich vom Thema her nahezu für unseren Aufbruch aus den Steinwüsten des Molochs hin zu den üppigen Ruhe ausstrahlenden Gestaden Böhmens aufdrängte. Denn schließlich wird in diesem Roman, das eher einer losen Aneinanderreihung von Einzelgeschichten gleicht, „mein“ Berlin von einem Tschechen entdeckt. Es spielt in Friedrichshain, der U5 und sogar der „Club der polnischen Versager“ kommt mal vor. Und auch wenn es sich wie gesagt nicht mit „Winterbergs letzter Reise“ messen kann, ist es erneut ein sehr lesenswertes Buch und für ein Erstlingswerk zweifelsohne ein respektables Stück Literatur. Erneut werden auch hier wieder etliche meiner Lieblingsthemen berührt – dieses Mal sogar ganz ohne Krematorien, dafür aber mit Musik. Und nebenher erfuhr ich hier noch einiges neues von meiner Wahlheimat Berlin.
„Vom Ende des Punks in Helsinki“ ließ dann noch einmal einige Saiten in mir erklingen. Obzwar die Themenklaviatur etwas abweichend zum zuvor Gelesenen ist – überraschend wenig Eisenbahn (außer der ständig um die Ecke rasselnden tschechoslowakischen Straßenbahn) erwischt er mich mit dem Thema Ostpunk natürlich mit links. Die mehreren elegant miteinander versponnenen Ebenen aus Raum (ČSSR+DDR+BRD) und Zeit (vor und nach dem Mauerfall) erzeugen leichterhand einen Handlungsstrudel, der mich komplett fesselte und mehr als einmal eigene, lang vergessene Erinnerungen zu Tage förderte. Ein Teil der Charaktere kam mir ebenfalls sehr bekannt vor, kurz, ich wähnte mich hier irgendwie auf vertrauten Terrain und werde dieses Buch jetzt zur Abwechslung mal nicht mit irgendetwas vergleichen. Schon gar nicht mit „Winterberg“. Und wenn mir dieser Roman auch sonst nichts gegeben hätte, so doch zumindest den Begriff „Dederonen“. So lautete nämlich die scherzhafte Bezeichnung der Tschechen für DDR-Bürger und ich muss gestehen, dass mir diese Bezeichnung sehr behagt.
Und was ist mit „Gebrauchsanweisung für Zugreisen“? DEM wohl bekanntesten Werk von Rudiš, welches ja allein durch seinen Titel provoziert und lockt. Nun, noch stehe ich geduldig in der eBook-Warteschlange der Bibliothek (eine der hanebüchensten Einrichtungen der Moderne!) doch bald dürfte es soweit und irgendwie habe ich hinsichtlich dieses Büchleins ein ganz gutes Gefühl.
Im Rahmen einer selbst initierten Maßnahme zur Schließung lässlicher Bildungslücken habe ich mir im Zuge dieser Reise vorgenommen, einige der Kinder- und Jugendbücher, die ob meiner DDR-Sozialisation an mir vorübergingen, nachzulesen. Den Anfang machte ich, angesichts des durchreisten Tschechiens auch nicht ganz unpassend, mit dem „Räuber Hotzenplotz“. Angeregt hierzu wurde ich übrigens in den letzten Tagen unserer letzten großen Reise, als ich in einem witzig klingenden Dorf in Tschechien ein Bier orderte und erst langsam realisierte das Osoblaha noch viel mehr zu bieten hat als witzig zu klingen. Bislang habe ich nur den ersten Band gelesen und kann nicht meckern. Schöne knapp pointierte Geschichte ohne Schnörkel. Ich denke, der zweite Band wird bald fällig sein.