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Es versteht sich von selbst, dass ein derart langer Aufenthalt in Italien nach mehr als dem einen Standardbuch verlangt. Und so strickte ich mir eine schönes Menü an Lesehäppchen, von denen ich die erste Platte nun servieren möchte. Es soll um italienische Krimis gehen, ein Sujet welches mir in jederlei Hinsicht fremd ist. Ich konnte dem Genre der Kriminalliteratur noch nie viel abgewinnen. Der Reiz, sich am Verbrechen zu delektieren, bzw. der dunklen Seite in Menschen nachzugehen und dies als einzig erschöpfendes Thema wertzuschätzen, verstand ich nie so ganz. Dabei ist mir bewusst, dass dies natürlich dem Genre Unrecht tut. Etliche der modernen wie klassischen Werke benutzen das Verbrechen lediglich als Vehikel um ein vielseitiges Sittengemälde, knallharte Sozialkritik oder, aktuell der Renner, eine gehörige Portion Lokalkolorit unters Volk zu werfen. Und damit wären wir ja schon beim eigentlichen Anlass dieses Versuchs: mittels italienischer Krimis und ihren lokalen Commissarios durchs Land zu reisen. Schauen wir einfach mal, was diese Reise erbracht hat.
Den Startschuss lieferte Donna Leon mit ihrem Debütroman „Venezianisches Finale“. Selbstverständlich fällt in dem gesamten Roman nicht ein Schuss und auch sonst hat die Geschichte sehr beruhigende, pulssenkende Wirkung. Ähnlich wie die Verfilmungen, die wir in der ARD-Mediathek entdeckten, zu unseren favorisierten Einschlafhilfen avancierten, vermag die vorhersehbare Geschichte mit mittelmäßig interessanten und halbwegs glaubwürdigen Charakteren gerade so das Interesse zu halten, aber viel mehr auch nicht. Wenn, ja wenn dieser Roman nicht in Venedig spielen würde, also jener Stadt, welche mich zu so elektrisiert hatte, hätte ich mich wohl noch lustloser durchgekämpft. So aber waren wenigstens die Stellen, welche auf den Ort der Handlung eingingen, Momente in denen ich kurz aufmerkte um erst ein paar Seiten später, wenn der Commissario seine Gattin angrunzte, einnickte. Anmerkung: Das Wort „grunzen“ wird in diesem Roman definitiv zu oft und zweifellos falsch verwendet.
Und auch wenn noch einige der Donna-Leon-Filme auf uns in lauschiger Zeltnacht warteten, ging die literarische wie die reale Reise nun nach Bari – „Zeit der Schuld“ von Gianrico Carofiglio. Hier wartete nicht einmal ein Commissario auf meine Aufmerksamkeit sondern Avvocato Guido Guerrieri. Der nächaste Guido also. Unvoreingenommen ließ ich mich auf die Geschichte ein. Leider hatten wir einen schlechten Start. Anfangs fand ich die gesamte Konstruktion der Handlung unglaubwürdig bis hanebüchen: Sozial schwache Mutter, die vor Ewigkeiten mal eine Affäre mit dem Avvocato hatte, möchte die Unschuld ihres, auf die schiefe Bahn geratenen Sprösslings beweisen und engagiert dafür einen Anwalt und sein vierköpfiges Team. Ja, nee, klar. Soweit so realistisch. Doch hat man dieses eher wackelige Szenario einmal geschluckt, kann man in der sich entwickelnden Geschichte ein paar helle Momente erleben. Der Autor gönnt sich mit Vorsatz einige philosophische und ethische Abschweifungen, die zwar oft am Kitsch vorbeischrammen, bzw. kalten Kaffee mit großer Geste aufgewärmt präsentieren, doch im wesentlichen habe ich mich im Mittelteil am besten unterhalten gefühlt. Zum Schluss hin mutiert die Geschichte zu einer Prozessordnungsbetrachtung, die mich eher mäßig interessierte. Auch die Auflösung war banal und vorhersehbar. Vorhersehbarkeit scheint also bislang der häufigste Vorwurf gegen das Sujet zu sein, doch wir wollen fair bleiben, und zu bedenken geben, dass es in anderen zeitgenössischen Genres diesbezüglich nicht viel besser zugeht.
Mit dem nächsten Krimi griff ich dann ein wenig vor, denn Commissario Montalbano, welcher in „Die Form des Wassers“ seinen ersten Fall löst, tut dies auf Sizilien und hier waren und sind wir noch lange nicht. Doch abgesehen von diesem Formfehler war es ein Gewinn auf ganzer Linie. Der Autor Andrea Camillieri hatte mich quasi von der ersten Zeile an. Was für eine kraftvolle, schnörkellose Sprache, herrliche Metaphern, großartige Figuren und all das mit erstaunlich wenigen Worten. Kurz, knapp und dennoch vielsagend. Die Geschichte ist dabei düster und trostlos, dennoch geht man aus dieser Geschichte weder deprimiert noch traurig raus. Bemerkenswert. Wenn ich nicht auf die bedenklich schwankenden Büchertürme, welche noch auf meine Ansicht warten, achten würde, wäre ich fast in Versuchung zum nächsten Band zu greifen. Aber auch die Aussicht auf die Massen von Fortsetzungsromanen lassen mich hiervon Abstand nehmen.