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An dieser Stelle breche ich gleich zweimal mit dem Konzept dieser liebgewonnenen Kolumne. Erstens handelt es sich bei Sizilien zumindest offiziell nicht um ein souveränes Land und zweitens gibt es dieses Mal mehr als nur ein Buch zu besprechen. Warum? Weil Sizilien weit mehr als die größte Mittelmeerinsel oder eine weitere italienische Region ist. Sizilien war und ist für mich stets mehr. Hier fand ich Hoffnung, Erleichterung und Frieden, aber auch viel Unverständliches und Verrücktes. Nun, da ich endlich mit viel Zeit und Muße ausgestattet angereist war, lag es nahe, sich Sizilien noch einmal lesend anzunähern.
Den Anfang machte ich schon im fernen Norditalien mit einem Roman, der von manchen auch als der einzige echte italienische Roman bezeichnet wird. „Der Leopard“ (Il Gattopardo) von Guiseppe Tomasi di Lampedusa. Ob dem so ist, kann ich nicht endgültig beurteilen, doch ich könnte der Ironie etwas abgewinnen wenn gerade ein Roman der sich in Sizilien zu Zeiten des Risorgimento abspielt, als einer der bedeutendsten italienischen Romane gehandelt wird. Und hier gehört er zweifellos hin. Es ist das was man ein vielschichtiges Gesellschaftspanorama nennt, dazu eines was man mit Vergnügen und nicht unter Anstrengung lesen kann. Ein Buch, welches viel von der Melancholie der Vergeblichkeit und Komplexität menchlichen Strebens einfängt. In diesem Zusammenhang natürlich hinsichtlich der italienischen Einigung und in Sizilien im besonderen. Damit gelingt Lampedusa soviel mehr als nur die Beschreibung des Niedergangs eines sizilianischen Adelsgeschlechts. Nein, in diesem Roman habe ich vielleicht keine Antworten gefunden, aber vieles wiederentdeckt und neu verstanden, was Sizilien für mich so anziehend macht.
Wir sind alt Chevalley, sehr alt. Wir sind zum mindesten fünfundzwanzig Jahrhunderte, dass wir auf den Schultern das Gewicht hervorragender, ganz verschiedenartiger Kulturen tragen: alle sind sie von außen gekommen, keine ist bei uns von selbst gekeimt, in keiner haben wir den Ton angegeben; wir sind Weiße, wie sie es sind, Chevalley, und ebenso weiß wie die Königin von England; und doch sind wir seit zweitausendfünfhundert Jahren eine Kolonie. Ich sage das nicht um mich zu beklagen: es ist unsere Schuld. Aber einerlei – wir sind müde und leer […]
Diese Heftigkeit der Landschaft, diese Grausamkeit des Klimas, diese ständige Gespanntheit, wohin man auch blickt, auch diese Denkmäler der Vergangenheit, großartig, aber unbegreiflich, weil nicht von uns errichtet: sie stehen um uns herum wie wunderschöne, stumme Gespenster. All die Regierungen, Fremde in Waffen, gelandet von wer weiß wo, denen man sogleich diente, die man rasch verabscheute und nie begriff, die sich ausdrückten nur in Kunstwerken, die für uns rätselhaft blieben, und leibhaftig in den Eintreibern von Steuergeldern, die hernach anderswo ausgegeben wurden – all diese Dinge haben unseren Charakter gebildet, und darum bleibt er bedingt von äußeren Schicksalsfügungen, weit mehr noch als von dieser entsetzlichen Insularität des Geistes.
So sehr mich dieses Buch bezirzte, ich hatte weiterhin Fragen, und weit mehr als dies. Daher griff ich mal wieder zu einem Sachbuch zum Thema Sizilien. Und zwar eine mit dem originellen Titel „Eine Geschichte von der Antike bis zur Moderne“, von John Julius Norwich. Die einleitenden Worte ließen aufmerken.
Trotz der Schönheit der Landschaft, der Fruchtbarkeit des Bodens und des segensreichen Klimas spürt man bis heute etwas Düsteres, Grüblerisches – etwas unterschwellig Schmerzliches, wie es in der Armut, der Kirche, der Mafia oder sonst etwas zum Ausdruck kommt, das heute als Sündenbock herhalten muss, aber nicht die wahre Ursache ist.
Das sprach mich direkt an. So etwas in der Art hatte ich hier auch mitunter gefühlt. Voller Neugier stürzte ich mich in das Buch. Sollte es tatsächlich doch ein Buch über Sizilien geben, welches sich nicht nur an Plattitüden und Jahreszahlen abarbeitet und das spezielle, das besondere der Insel schnell beiseite lässt, da es zu anstrengend sowie schlechterdings unmöglich scheint, dies irgendwie beschrieben zu bekommen? Nein, so ein Buch gibt es leider weiterhin nicht. Denn über weite Strecken erliegt der Autor der Gefahr die Masse an diversen Herrschern, Herrscherinnen, deren Kinder und Kindeskindern sowie der unzähligen Gegenspieler aufzuzählen und zwischen den Kapiteln hin- und herzuschieben. Mir ist bewusst wie schwer es sein muss, bei der Vielzahl der handelnden Personen, eine abwechslungsreiche und vielfältige Erzählung zu gewährleisten, aber genau hierin liegt eben der Unterschied zwischen einem guten, historischen Buch und einem beliebigen. Aber es ist ja nicht nur das. Neben einigen schwärmerischen, kunsthistorischen Abschweifungen mutiert das Buch größtenteils zu einem reinen Oberschichts-Klatsch-und-Tratsch-Produkt. Hier gibt es noch das Volk, dass seinem gütigen König ersehnt, ihn liebt und dergleichen undifferenzierte Einschätzungen mehr. Wahrnehmungen und Interpretationen jenseits der Blaublütigigen sucht man oftmals vergeblich. Zudem erkennt man in gewissen Teilen der Geschichte auch noch eine national geprägte Parteilichkeit, siehe der üble Napoleon versus die edlen Offiziere des Empires. Nein, dieses Buch kann ich leider nicht weiterempfehlen. Die Suche geht also weiter nach einem Buch, welches Sizilien vielleicht nicht erklären kann, es aber zumindest wenigstens ernstnimmt.
Den „Leopard“ hatte ich damals leider vergessen, für Sizilien einzupacken. Mittlerweile steht er hier herum, aber ungelesen, denn ich will mir das Lesevergnügen für einen Sizilien-Aufenthalt aufheben.
Ich habe damals leider auch kein gutes Sachbuch über Sizilien entdeckt. Insbesondere das meiste von angelsächsischen Autoren ging oft in Richtung Mafia-Failed-State-Erzählung, was sich nicht mit meinen persönlichen Erfahrungen deckte.
Zum Glück habe ich dann die Geschichten von Leonardo Sciascia entdeckt. Zwar kein Sachbuch, aber manchmal kann man aus der Literatur ja auch viel lernen.
Ja, auf Sciascia bin ich dann auch gestoßen. Ist vermerkt, aber jetzt ist erstmal genug mit italienischer/sizilianischer Literatur. Tipps für Tunesien?
Da war ich noch nie, habe keinerlei Ahnung, und freue mich umso mehr darauf, Eure Reise dort zu verfolgen.