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Schon einige Wochen vor unserer Abreise machte mir Ungarn Sorgen. Ich fand partout kein Buch aus diesem Land welches mich reizte, daher fragte ich im Freundeskreis nach möglichen Empfehlungen. Doch auch hier blickte ich in zahlreiche ratlose Augenpaare bis ich auf den einen Ungarnliebhaber stieß, der mir voller Inbrunst „Die Paprikantin“ empfahl. Mir gefiel allein der Titel schon sehr, doch leider gab es dieses Buch nicht digital, daher musste der Experte nochmals graben und mit einer Leichtigkeit, die wahrscheinlich auch noch drei bis siebzehn weitere Buchtipps hervorgezaubert hätte, entfuhr ihm: „György Dalos, von dem kannst du eigentlich alles lesen!“ Ich überprüfte das kurz und fand „Ungarn in der Nusschale. Ein Jahrtausend und drei Jahrzehnte“ in der Bibliothek.
György Dalos? Irgendwas dämmerte mir bei diesem Namen. War das nicht dieser umtriebige Historiker, der vor langer Zeit mal Mitherausgeber des „Freitag“ war? Etwas mehr Recherche erbrachte noch einige andere Eckdaten hervor, die mich neugierig machten und meine Entscheidung für dieses konkrete Buch im vornherein zu bestätigten schien.
Ich möchte ganz offen sein. Ungarn und ich wir hatten unsere Probleme, aber das ist ein anderes Thema. Mit der Zeit wandelte sich meine frühere Abneigung hin zu einer eher gelangweilten Gleichgültigkeit dem küsten- und gipfelarmen Rumpfstaat gegenüber. Doch nach diesem Besuch verschob sich meine Wahrnehmung von Ungarn nochmals ins Positive und daran hat mit Sicherheit auch Dalos‘ kleines Büchlein seinen Anteil.
Neben Sprache und Essen sind Bücher meine liebsten Türöffner um ein fremdes Land kennenzulernen. Dafür ist es prinzipiell egal ob Belletristik oder Sachbuch, Hauptsache ich komme mit und habe nebenher das Gefühl etwas mehr über das betreffende Land zu erfahren, als das was der übliche Reiseführer einem hinwirft. Dass Dalos nun die mehr als tausendjährige Geschichte Ungarns auf knappen 195 Seiten präsentiert, schreckte mich auch keineswegs ab. Ganz im Gegenteil. Eine pointierte, gekonnt zurecht gedampfte Geschichte hat meist mehr zu bieten als eine seriöse, auf Vollständigkeit bedachte Abhandlung. Dabei fühlte sich das Buch gar nicht so kurz an. Nach knapp zwei Dritteln war es vorbei mit der Volksrepublik und ich fragte mich besorgt ob wir jetzt wirklich alle Gegenwartsprobleme des modernen Ungarns im Detail durchhecheln müssten. Ja, wir mussten und zum Teil war das auch ganz interessant, da mein aktuelles Ungarnbild sehr tendenziös und kurz belichtet ist, tat es ganz gut, sich mal mit etwas mehr Konzentration dem Thema zu widmen wie es denn zu all dem kam was wir nun immer scheeler beäugen und nicht verstehen können. Dennoch hätte ich ehrlich gesagt gern etwas weniger 21. Jahrhundert und mehr der launigen Anekdoten aus der Zeit davor gehabt.
Denn die gelassene, ja fast heitere Art mit der Dalos zuvor all die Tragödien und Desaster der ungarischen Geschichte erklärt, hat einen ganz besonderen Reiz und verliert halt leider ihren Charme sobald sie in der uncharmanten Gegenwart landet. Auf Ungarisch heißt erklären „magyarazni“, also „ungarisch machen“. Eine Sache, die mich schon zu Beginn etwas stutzen ließ. Doch wie man es auch nennen mag, ich habe jedenfalls lange nicht mehr so viel über Ungarn erfahren als in dieser Woche und aus diesem Buch.
Vielen Dank für die Empfehlung!
Das kommt auf jeden Fall in den Rucksack für die Ungarn-Reise diesen Herbst.
Damit die nächste Ungarn(durch)reise nicht am Buch scheitern muss, noch eine Empfehlung: Melancholie des Widerstands von László Krasznahorkai.
Das klingt wirklich sehr verlockend. Vielen Dank für den Tipp!