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In Anbetracht der Länge unseres Aufenthaltes in Italien hatte ich eigentlich mit dem Gedanken gespielt, mehr als ein Buch von einem italienischen Autor zu lesen und diese dann hier gesammelt vorzustellen. Doch nun ist es erstmal nur ein Autor und bei diesem handelt es sich nicht einmal um einen Italiener. Aber es muss raus aus mir, ich muss diese Kunde mit der Welt sofort teilen – dieses Buch ist großartig!
Schon nach den ersten Seiten war ich angetan und beschränkte mich selbst darauf eisern nur ein Kapitel pro Tag zu lesen um es nicht „wegzufressen“ und all die zahlreichen, kostbaren Details und Informationen gebührend verarbeiten zu können. Und so fuhr ich genüsslich und in gemessenen Tempo Italien hinunter und las in ebenso gemessener Geschwindigkeit das Buch von einem adligen Schotten über eben jenes Land, welches mich und mit mir viele andere stets angezogen und fasziniert hatte, wir aber naturbedingt nur begrenzt fassen konnten. Dieses Buch bietet einen Einstieg und eine Verständnishilfe in das komplexe italienische Konstrukt wie ich ihn mir so sehr auch zu anderen Ländern und Regionen wünschen würde, aber leider so selten finde. Meist muss man sich auf seiner beharrlichen Suche nach Hintergründen und Zusammenhängen durch trockene, redundante und selbstgefällige Abhandlungen kauen, quasi mit dem Bewusstsein, dass die Aneignung von Wissen anstrengend sein muss und das Auffinden einer Erkenntnisperle in der steinigen Abraumhalde der Floskeln und Phrasen einem besonderen Erlebnis gleichkommen muss.
Gilmours „Suche nach Italien“ ist diesbezüglich komplett anders. Obwohl man sich hier zweifellos in einem Sachbuch befindet, fühlt es sich überhaupt nicht so an. Es hat vielmehr etwas von einem angenehmen Gespräch mit einem sehr charmanten und eloquenten Menschen über etwas von dem dieser sehr viel weiß, es ihm über alle Maßen am Herzen liegt und er es zudem noch fantastisch rüberbringen kann. Ich könnte mich daher jetzt auslassen über all die unerwarteten Einsichten und Perspektiven verschiebende Erkenntnisse – über die gar nicht so barbarischen Barbaren, die die Halbinsel ein letztes Mal zusammenhielten, über die schmähliche Propaganda, die eine uralte, stabile Republik schäbig verhökerte wie auch über das moderne Italien, dieses korrupte, verbrecherische, unregierbare und dennoch unverwüstliche Etwas – doch dafür steckt viel zuviel in diesem Buch und ich käme vom Hundertsten zum Tausendsten.
Deswegen möchte ich mich hier auf das beschränken, was für mich vielleicht den Kern des Buchs, auf jeden Fall aber meine wichtigste Erkenntnis ist, die ich aus diesem Buch gewonnen habe. Ich habe mich stets in Süditalien wohler gefühlt und ich habe früh begriffen, dass Norditalien etwas komplett anderes ist. Dies begreift noch jeder, der sich nur kurz mit Italien auseinandersetzt, ja selbst die dümmsten Populistenarmleuchter begreifen das. Doch wie es dazu kam, dabei blieb und auch in Zukunft nicht verschwinden wird, das begriff ich nirgends besser als hier. Dieses Italien der Regionen, Dialekte und des campanilismo ist jenes, welches sich gar nicht so verschämt hinter all dem Glitter des Risorgimento, Azzurri und sonstigen nationalem Gedöns versteckt. Es ist dieses Italien in dem ich mich immer wohlfühlte, dass es in meinem Fall nun Süditalien war,wo ich mehr wohlfühlte, ist Geschmackssache, aber nach diesem Buch verstehe ich nun besser warum es mir hier so gefällt doch immer und überall ein wenig anders.
Unzählige Aha-Erlebnisse und Achso-Seufzer begleiteten die wunderschöne Zeit die ich mit diesem Buch hatte. Wie oft hielt ich inne und deklamierte ganze Kapitel der Liebsten ins Ohr und welche tollen Gespräche ergaben sich hieraus!?! Genau das muss ein Buch können, genau für so etwas liebe ich das Lesen. Denn keine Serie, kein Film und erst Recht keine Musik vermag das was ein richtig gutes Buch wie dieses auslösen kann. Ich werde David Gilmour zweifellos im Auge behalten, denn dieses Werk darf einfach kein One-Hit-Wonder sein.
Das Buch von David Gilmour wäre ebenfalls meine Sachbuch-Empfehlung für Italien gewesen! https://andreas-moser.blog/2014/06/09/buecher-italien/
Ich habe es in so guter Erinnerung, dass ich allein für seine Lektüre gerne mal wieder nach/durch Italien fahren würde.
Ich kenne viel zu wenige italienische Regionen, als dass ich einen allgemeingültigen Nord-Süd-vergleich anstellen könnte, aber ganz im Süden, in Sizilien, habe ich mich tatsächlich so richtig wohl gefühlt. Zum Glück war ich über das Winterhalbjahr dort, so dass die meisten Touristen weg waren und die Sizilianer endlich mal Zeit für sich und zum Reden und Erzählen hatten.
Sizilien ist ja schon von der Größe wie ein Land für sich, und ich habe mir dann auch schnell angewöhnt, nur mehr von Sizilien anstatt von Italien zu sprechen. Eigentlich wollte ich am liebsten gar nicht mehr weg, aber ab dem Frühjahr konnte der Vermieter mit vermögenderen Touristen (damals noch Russen) mehr verdienen als mit mir Habenichts, weshalb ich weiterziehen musste. Ich zog dann für ein halbes Jahr nach Bari, was auch seine guten Seiten hatte, aber wirklich kein Ersatz war. (Dort fand ich die Fährverbindungen nach Montenegro und Albanien am verlockendsten.)
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