- Pro Land ein Buch: Tycho Brahes Weg zu Gott
- Pro Land ein Buch: Die Welt von gestern
- Pro Land ein Buch: Tito – Die Biografie
- Pro Land ein Buch: Die Verschwörung der Fahrradfahrer
- Pro Land ein Buch: Der Derwisch und der Tod
- Pro Land ein Buch: Wolga, Wolga
- Pro Land ein Buch: Die Brücke über die Drina und HERKUNFT
- Pro Land ein Buch: Die Pyramide
- Pro Land ein Buch: Athen, Paradiesstraße
- Pro Land ein Buch: Schnee
- Pro Land ein Buch: Macht und Widerstand
- Pro Land ein Buch: Das Spiel der hundert Blätter
- Pro Land ein Buch: Die Jakobsbücher
- Pro Land ein Buch: Jaroslav Rudiš
- Pro Land ein Buch: György Dalos
- Pro Land ein Buch: Drago Jančar
- Pro Land ein Buch: Auf der Suche nach Italien
- Pro Land ein Buch: Italienische Krimis
- Pro Land ein Buch: Sachbücher über Italien
- Pro Land ein Buch: Sizilien
- Das Jahr 2022 in Büchern
- Pro Land ein Buch: Die Großmächtigen
- Pro Land ein Buch: Der Weg des Helden
- Pro Land ein (paar) Bücher: Frankreich (Kinder- und Jugendbücher)
- Pro Land ein (paar) Bücher: Frankreich (Sachbücher)
- Pro Land ein (paar) Bücher: Belletristik, Klassiker – Erwachsenenliteratur
- Pro Land ein Buch: Leeres Spanien (Sachbuch)
- Pro Land ein Buch: Don Quijote
- Das Jahr 2023 in Büchern
- Pro Land ein Buch: Die portugiesische Reise
- Die Sachbuch-Revue: Arabien und Islam
- Pro Land ein Buch: Leïla Slimani und Mohammed Choukri
- Pro Land ein Buch: Reise ohne Wiederkehr
- Pro Land ein Buch: Die Griechen. Eine Globalgeschichte
- Pro Land ein Buch: Am Himmel die Flüsse
Ja, ich hatte mehr als ein wenig Respekt als ich kurz hinter den Pyrenäen mich an dieses Schwergewicht der Weltliteratur heranwagte. Schwergewicht ist hier in der Tat wörtlich zu verstehen, denn 1488 Seiten, bzw. Achtundvierzig Stunden und zwanzig Minuten Hörbuchzeit, das ist ein gewaltiges Pfund!
Doch alle Sorgen waren komplett unbegründet. Dieser, über 400 Jahre alte Roman wirkt taufrisch und liest, bzw. hört sich mühelos herunter. Tatsächlich war ich anfangs wirklich überrascht wie gut verständlich und vor allem wie unfassbar witzig das Ganze war. Nichts gegen die Klassiker unserer Altvorderen, aber die meiste Literatur aus der Vergangenheit muss man sich meist schon ein wenig erarbeiten. Doch hier handelt es sich schlicht und einfach um eine richtig gute Geschichte, mit interessanten Figuren aus allen Bereichen der Gesellschaft, eine perfekt abgestimmte Mischung aus etwas zum Lachen und etwas zum Nachdenken. Dabei wird man fortwährend überrascht von der irritierend aktuell wirkenden Sprache und den Themen, die beispielsweise moderne Phänomene wie Nationalismus, Kleingeistigkeit und Esoterik gekonnt karikieren.
Dabei muss ein gewaltiger Dank an alle, mit diesem Werk verknüpften Mitarbeiter gehen. Ob Übersetzung oder Einsprechung von einem solchen Mammutwerk – mein Respekt stieg mit jeder Zeile ins Unermessliche. Apropos Übersetzung: Ich hatte ja so meine Schwierigkeiten mit dem aktuell üblichen Titel „von der Mancha“, auch weil ich glaube, dass man das „de la“ so relativ jedem Leser, zumindest jenen, die sich über tausendseitige Bücher vornehmen, zutrauen kann. Aber die Variante „von la Mancha“ ist auf jeden Fall unter aller Sau und gehört von der gewalttätigsten Sprachpolizei geahndet.
Dieses Mammutwerk war dann wie jedes außergewöhnliche Buch ein Freund, der, wie es schien in allen Lebenslagen des letzten Vierteljahrs mir Trost und Beistand lieferte. Hatte ich beim wwoofing in Portugal so meinen Kummer mit der Schwurbelei, die gegenwärtig leider zum unverhandelbaren Zubehör von Aussteigern gehört, so erfuhr ich Linderung durch die irrsinnig komischen Streitgespräche zwischen dem alles anzweifelnden und überall Hexerei und Mummenschanz vermutenden Don Quijote sowie dem Vertreter von Vernunft und Erdung namens Sancho Panza. War ich genervt von einem unerträglichen Schwätzer unter den Helfern bei besagten wwoofing, schon fand sich einige ausschweifende Reden des Dons, in welchen er sich wortgewandt über die Geschwätzigkeit seines Knappen echauffierte.
Über 48 Stunden Vorlesezeit?! Puh, das war eine amtliche Ansage, als ich irgendwann im September mit dem Hörbuch begann. Ganze drei Anläufe brauchte es bis ich durch war, denn die durchdachte Verwertungslogik des Postkapitalismus verlangt selbstverständlich eine 14tägige Ausleihdauer für eine, an sich beliebig vervielfältigbare digitale Kopie.
Aber auch sonst fühlte sich der Grundtenor des Buchs erstaunlich vertraut an. Waren es nicht auch zwei Nomaden ohne festen Wohnsitz und klares Ziel, deren Bedürfnisse und Sorgen den unsrigen bisweilen erstaunlich nahe kamen. So verspürte ich mehr als einmal ein wohliges Gefühl von Vertrautheit über die Jahrhunderte und fiktionalen Dimensionen hinweg, wenn ich zum Abend in der sonnenverglühten kastilischen Hochebene den Blick schärfte um ein lauschiges Plätzchen für die Nacht zu finden und dabei ganz genau dieses Ansinnen auch bei dem Ritter und seinem treuen Knappen auftauchte. Eine entzückendere Überschneidung von Reisen und Literatur ist schlechterdings kaum vorstellbar. Genau für solche Momente habe ich das Projekt „Pro Land ein Buch“ ins Leben gerufen.
‚Warum‘, so fragt der großartige Sancho irgendwann einmal ganz arglos, ‚verübe der Ritter von der traurigen Gestalt seine Heldentaten nur stets in dieser elenden, menschenleeren Ödnis wo sie doch niemals jemand mitbekäme?‘ Eine berechtigte Frage, doch letztlich spielt sich all dies nicht ohne Grund im „leeren Spanien“ ab. Wer sich lange genug in diesem Buch aufgehalten hat, versteht weshalb.
Und noch eine ganz andere Idee hatte ich während der Lektüre. Die Idee für eine Verfilmung. Irgendwie erinnerten mich die Gespräche der beiden Protagonisten an zwei verwitterte Trinker in einer schummrigen Berliner Eckkneipe. Ihr gesamtes Wesen, einerseits des leicht von der Wirklichkeit abgekapselten, überkanditelten Schwätzers mit hohen Idealen, andererseits den flapsigen, bauernschlauen Realisten an seiner Seite in unverbrüchlicher, aneinander gebundene Freundschaft. Bedenkt man zudem wieviel der Handlung tatsächlich in einer Schenke spielt, so drängt sich das Szenario förmlich auf – „Der Ritter von der traurigen Gestalt – eine epische Sauferei in zahllosen Akten“. Ein philosophisches Hirngespinst für zeitlose Genießer.
Ach, und wen all das zuvor Gelobte noch nicht überzeugen sollte: Es ist das mit Abstand Eselfreundlichste Werk der Weltliteratur. Jeder der Esel nur ein wenig mag, wird hier mehr als einmal breit und glücklich grinsen.
Vielen Dank für diese Ermutigung, um endlich dieses Werk in Angriff zu nehmen, das mich bisher auch angesichts seines Umfangs und seiner Bedeutung verschreckt hat.
Und ich finde das immer wieder famos, wenn man bei Klassikern etwas entdeckt, das von heute stammen könnte oder auf aktuelle Situationen anwendbar ist. So wie die Schwurbelei, ein mir von den Rucksackhippies bekanntes Problem.
Noch viel schlimmer wird dann aber im Süden Spaniens oder Portugals die Bitcoin-Schwurbelei von den „Digital Nomads“.
Jedenfalls ist es wunderbar, dass manche Klassiker ganz zurecht Klassiker sind.
Mir ging es zB bei „Moby Dick“ so: https://andreas-moser.blog/2020/05/25/moby-dick/
Und jetzt freue ich mich auf Don Quijote, in Papierform und damit hoffentlich mit vielfacher Verlängerungsmöglichkeit bei der Stadtbibliothek.
Pingback: Die große Podcast-Revue 2023 – Viva Peripheria
Pingback: Das Jahr 2023 in Büchern – Viva Peripheria
Pingback: Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (12) Von Al-Andalus bis zu den Säulen des Herakles – Viva Peripheria